Drittens. Die zentrale juristische Frage für die Landesund die Bundesregierung ist die Frage der Bindungswirkung eines landesplanerischen Grundsatzes für die Planfeststellungsbehörde und das Verhältnis von Landesentwicklungsplanung zur Fachplanung insgesamt. Es bedarf dringend der Klärung der verfassungsrechtlich relevanten Frage, ob durch Landesplanungsrecht Fachplanungsrecht ausgehebelt werden kann.
Viertens. Die Revision wird Rechtssicherheit schaffen. Die Einlegung der Revision wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer höchstrichterlichen Entscheidung vor Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest führen. Auf dieser Grundlage wird ein eventuell erforderlicher Planergänzungsbeschluss rechtssicher gestaltet werden können. Die Rechtssicherheit ist angesichts der überragenden Bedeutung des Ausbaus des Frankfurter Flughafens insgesamt unverzichtbar.
Lassen Sie mich hinzufügen: Wir werden durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach Lage der Dinge eindeutige Hinweise darauf bekommen, welches die Bedingungen für ein Nachtflugverbot an einem internationalen Hub wie Frankfurt sind.
Fünftens. Die Revision kommt auf jeden Fall. Selbst wenn seitens der Planfeststellungsbehörde zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Revision verzichtet würde, ist es doch so, dass die Kommunen und die Luftverkehrsgesellschaften angekündigt haben, dass gegen eine Planergänzung erneut Klage beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden würde. Daran schlösse sich mit absoluter Sicherheit der weitere Gang nach Leipzig an.
Meine Damen und Herren, ich sagen Ihnen: Wenn wir jetzt durch eine Revision Klarheit schaffen, werden wir eine Zeitersparnis von bis zu zwei Jahren erreichen. Ich glaube, es ist wichtig, diese Rechtssicherheit so schnell wie möglich zu bekommen.
Sechstens. Bei einem Verzicht auf die Revision würden die streitigen Rechtsfragen zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden – und nicht jetzt.
Der Verzicht auf die Revision würde neben der unverzichtbaren Klärung wichtiger Rechtsfragen eine zeitliche Verzögerung des Verfahrens bedeuten, für die es keinen vernünftigen Grund gibt.
Siebtens.Die Planfeststellungsbehörde und die Bundesregierung sehen die Notwendigkeit der Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat selbst die Hinweise gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof ist sich sehr bewusst, dass er grundsätzliche Fragen des Verhältnisses von Fachplanungsrecht und Landesplanungsrecht aufgeworfen hat. Deswegen folgen wir dieser Anregung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Eine unpolitische! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
sondern eine der Planfeststellungsbehörde, die für Rechtssicherheit beim Ausbau des Flughafens sorgen muss.
Lassen Sie mich das als achten Punkt ansprechen. Ich weiß, dass Sie das ungern hören, aber den Bürgerinnen und Bürgern kann es nicht oft genug gesagt werden: Es wird auf jeden Fall zu einer Entlastung kommen.Waren es bislang bis zu 50 Flüge in der Nacht, hat der Planfeststellungsbeschluss 17 zugelassen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eines hinzufügen: Die Entscheidungen zu den Flughäfen Berlin-Schönefeld und Leipzig/Halle sind, weil es grundsätzliche Bedeutung hatte, diese Fragen zu klären, ebenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht getroffen worden. Warum sollte das,was für die Flughäfen Leipzig/Halle und BerlinSchönefeld gegolten hat, bei dem internationalen Hub in Frankfurt keine Gültigkeit haben? Hier geht es doch um viel weiter gehende Fragen, die wir geklärt wissen wollen.
Lassen mich als Letztes auf Folgendes hinweisen. Ich denke, dass die Debatte rund um den Flughafen wieder auf die eigentlichen Fragen zurückgeführt werden muss. Dabei geht es darum, wie wir das Wirtschaftswachstum in der Region und die damit verbundenen Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig die Lärmbelastung für die Anwohner reduzieren können.
Wir wollen zu einem schnellen und rechtskräftigen Abschluss des Ausbauverfahrens kommen. Ich begrüße es außerordentlich, dass in Nr. 7 des Dringlichen Entschließungsantrags der Koalitionsfraktionen diese Frage in besonderer Weise angesprochen ist. Da geht es nämlich darum, aktive und passive Schallschutzmaßnahmen zu realisieren, also passive Schallschutzmaßnahmen an Privathäusern, bei Altenheimen, Kindergärten und Schulen. Es geht um die Fortsetzung des sogenannten Casa-Programms, um den Anflug im „kontinuierlichen Sinkflug“ in der Kernnacht, um das Umfliegen besiedelter Gebiete in der Kernnacht und um die Nutzung der lärmärmsten Startbahnen und der lärmärmsten Abflugrouten in der Nacht sowie um Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Abflugrouten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich damit zum Schluss meiner Rede kommen. Ich habe vor zehn Jahren zum ersten Mal im Hessischen Landtag zu diesem Thema gesprochen. Als das Planfeststellungsverfahren eingeleitet wurde und das Raumordnungsverfahren in der Vorbereitung war, habe ich seinerzeit gesagt – das nehme ich für mich als Person in Anspruch –, dass die Entscheidung über die schwierigste Frage in diesem Komplex, nämlich die Frage der Regelung des Betriebs, am Schluss, also am Ende des Verfahrens,stehen wird.Wenn wir jetzt als einen Zwischenschritt diese Entscheidung treffen müssen, dann müssen wir das deswegen tun, um auch im Interesse der betroffenen Bürger für diesen Raum Rechtssicherheit herbeizuführen. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, vielen Dank. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abg. Schäfer-Gümbel. Bitte schön.
Angriff ist die beste Verteidigung. Ihr Versuch eben, Nebel zu werfen und zu attackieren,war so durchsichtig,dass auch ich ihn ohne meine Brille – Sie wissen, dass ich sehr schlechte Augen habe – durchschauen konnte.
Das muss schon sehr wehtun. Sie wissen um Ihre Zusagen und um die der vielen, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde. Es geht um unsere gemeinsame Zusage an die Region, dass wir den Ausbau des Frankfurter Flughafens wollen, weil er nach unserer Einschätzung und nach dem, was es an Gutachten gibt, zwischen 40.000 und
50.000 neue Jobs am Flughafen schaffen wird, und zwar vor dem Hintergrund des Mediationsergebnisses,d.h.also unter Einbeziehung des Nachtflugverbots.
Zehn Jahre lang haben wir dieses Versprechen immer und immer wieder in der Region wiederholt. Wir haben von der Untrennbarkeit dieser Elemente gesprochen.
Sie haben versucht, das über den Planfeststellungsbeschluss zu kaschieren. Ihr Hauptargument war ja, dass Sie gesagt haben, das sei gerichtsfest. Jetzt hat das Gericht gesagt, dass das, was Sie da vorgelegt haben, nicht gerichtsfest ist. Das Gericht gibt Ihnen jetzt vielmehr die Möglichkeit, Ihr Wort zu halten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Posch, es muss schon sehr wehtun, dass man dieses Wort nicht halten will. Mit der heutigen sogenannten Unterrichtung über die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde hat Minister Posch zudem ein neues parlamentarisches Format geschaffen.Wir kennen Regierungserklärungen. Aber diese Form der Regierungsverklärung ist ein abenteuerlicher Beitrag gewesen und der zweifelhafte Versuch, mit teilweise an den Haaren herbeigezogenen Argumenten eine Konstruktion aufzubauen, hinter der man sich vor der eigentlichen Auseinandersetzung verstecken will, bei der es darum geht, ob man sein Wort halten will oder nicht.
Ich wiederhole an Herrn Posch und auch an Herrn Koch, die Ankündigung der Revision gegen die zugesagte Nachtruhe beim Ausbau des Frankfurter Flughafens durch die Landesregierung ist nichts anderes als der vorsätzliche Betrug an den Menschen in der Region.
Juristische Ausflüchte – wir sind kein Forschungsseminar – können nicht davon ablenken, dass Sie niemand dazu zwingt, Widerspruch gegen Ihr eigenes Versprechen einzulegen. Das einzigartige Mediationsergebnis – das ist der Unterschied unter anderem zu Schönefeld und Leipzig – wird auf den Müllhaufen geworfen.Deswegen sage ich Ihnen: Die Glaubwürdigkeit dieser Regierung erlebt nach diesem Wortbruch einen neuen Tiefpunkt.
Dieser Wortbruch hat fatale Folgen für die zukünftige Entwicklung in diesem Land. Das sage ich insbesondere an die Zuschauerinnen und Zuschauer, an die Bürgerinnen und Bürger, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Cargo, die auch heute hier sind – ich begrüße das ausdrücklich –, denn wenn beim zentralsten Infrastrukturprojekt des Landes, das haben wir hier in den letzten zehn Jahren mehrfach betont, nach einem Mediationsergebnis und nach Feststellungen hier im Hause von der Landesregierung persönlich, politisch, amtlich die Zusagen zum Ausgleich zwischen Belastungen und Entlastungen bei Infrastrukturmaßnahmen und bei Industrieprojekten nicht eingehalten werden, werden die Funktionsfähigkeit und die Rolle von Politik insgesamt infrage gestellt. Sie machen mit dieser Entscheidung einen schweren Fehler,
weil der Erhalt des Vertrauens von Bürgerinnen und Bürgern darin, dass wir diese Ausgleichsfunktion übernehmen, dass wir sie haben, dass wir das Allgemeinwohl zwischen wirtschaftlichen Interessen, ökologischen Interessen und auch den direkten Interessen von Anwohnerinnen und Anwohnern abwägen, unsere Funktion ist.
Wenn Sie das, nachdem wir es zehn Jahre zugesagt haben, auf diesem Weg kaschieren und kassieren, dann machen Sie einen schweren Fehler, der nachhaltige Auswirkungen für zukünftige Infrastruktur- und Industrieprojekte haben muss. Mit welchem Argument wollen wir angesichts der historischen Bedeutung der Entscheidungen, vor denen wir stehen, den Menschen noch vor die Augen treten und sagen: „Jetzt meinen wir es aber vielleicht dann doch ernst“? Deswegen rufen wir Sie auf: Zeigen Sie heute Charakter, und appellieren Sie mit uns gemeinsam an die Landesregierung, die Revision zurückzunehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,warum stehen wir heute hier? – Wir stehen heute hier, weil in den Neunzigerjahren die damalige rot-grüne Landesregierung ein Mediationsverfahren eingeleitet hat. Das hat sie nicht aus Jux und Tollerei gemacht. Sie hat das deswegen gemacht, weil die Interessen des Flughafens,der Airlines,der Beschäftigten,die Wachstumsperspektiven und damit auch die Sicherung von Einkommen und Arbeit auf der einen Seite den Belastungen der Region auf der anderen Seite gegenüberstanden und wir mit der Auseinandersetzung um die Startbahn 18 West eine Situation im Rhein-Main-Gebiet hatten, die zu Gewalt, zu Konflikten, zu zerstörtem Vertrauen bis hin zum Tod von zwei Polizisten geführt hat.
Herr Koch, in der Würdigung dieser besonderen Situation hat damals Ministerpräsident Hans Eichel entschieden, dass wir eine Mediation brauchen, um einen neuen gesellschaftlichen Großkonflikt im Rhein-Main-Gebiet bei einer möglichen weiteren Erweiterung des Frankfurter Flughafens zu verhindern.
Herr Arnold, das ist der Punkt, warum wir heute hier stehen. Deswegen haben wir das, nachdem es das Mediationsergebnis gab, zehn Jahre lang als ausbaubefürwortende Fraktionen von SPD, FDP und Union versprochen. Viele von Ihnen waren dabei, ich im Übrigen noch nicht. Ich finde aber, dass ich Verantwortung im Interesse und im Lichte der Entscheidung, die damals getroffen wurde, auch weiter zu tragen habe.
Herr Arnold, ich werde Sie heute noch an Ihr Wort erinnern, ich komme sehr präzise dazu. – Dieses Versprechen ist immer wiederholt worden. Ich will, weil ich in den letzten zwei Reden häufig Zitate verwendet habe, das diesmal an einer einzigen Stelle konkret machen.