Deshalb muss Hessen mehr tun, um wieder Dynamik zu entfalten.Wir müssen mehr tun, weil die Landesregierung weder für den Bankenstandort Hessen noch für den Automobilstandort Hessen ein Konzept entwickelt hat, als die Zeiten besser waren. Zudem hat die Landesregierung im Bereich der erneuerbaren Energien erheblich blockiert.
Kochs Forderung nach besonderer steuerlicher Entlastung für ausländische Manager – er hat sogar eine Bundesratsinitiative gestartet, ausländische Manager sollten in Deutschland besonders steuerlich entlastet werden – zeigt die geistige Richtung des Regierungschefs: Machen wir es doch den Bankenmanagern in den USA und Großbritannien nach, dann wird schon alles richtig sein. – So sehr kann man sich irren, Herr Ministerpräsident.
Meine Damen und Herren, die Versäumnisse der Landesregierung sieht man exemplarisch an zwei Themen. Ich habe sie eben schon benannt: den Automobilbau und die erneuerbaren Energien. Der südliche Teil Hessens ist erheblich von der Automobilindustrie abhängig. Wenn wir über ein Konjunkturprogramm reden, müssen wir auch diese Fakten sehen. Der südliche Teil Hessens bis Mittelhessen ist erheblich von der Automobilindustrie abhängig. 25 % der Arbeitsplätze, ein Viertel, sind immer noch unmittelbar und mittelbar von der Automobilindustrie abhängig. Hessen muss sich dazu bekennen, nicht nur ITStandort, nicht nur Bankenstandort, sondern auch Automobilstandort zu sein.
Meine Damen und Herren, wo sind Ihre Ansätze, wenn wir über Konjunkturprogramme reden, gerade jetzt die Automobilindustrie,auch die Zulieferindustrie,auch viele kleine und mittlere Firmen – da sind auch viele kleine dabei –, Wissenschaft und Forschung und auch die Energieerzeuger an einen Tisch zu bringen? Stichwort: Elektromobilität. Es gibt noch viele kleine Firmen in diesem Bereich, die sich untereinander gar nicht kennen. Da wäre es notwendig, dass wir die zusammenbringen und dass wir zu einer Anwendungsorientierung kommen.
Die Landesregierung müsste mithelfen, damit wir bald etwas auf die Straße bringen und die Infrastruktur für die Elektromobilität schaffen. Wo bleibt beispielsweise das Gespräch mit den Kommunen – damit Automobile umgerüstet oder angeschafft werden, die dann mit Energie betankt werden, die vor Ort erzeugt wurde? Meine Damen und Herren, wo bleiben da Ihre Ansätze?
Es ist doch lächerlich, wenn der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung gesagt hat, wir wollen Hessen zum Vorreiterland erneuerbarer Energien machen, und das dann Lippenbekenntnisse bleiben. Meine Damen und Herren, dem ist doch überhaupt nichts gefolgt.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Biblis A soll zehn Jahre länger laufen!)
Sie haben den Zukunftsmarkt der erneuerbaren Energien aus ideologischen Gründen verpasst. Verunglimpft und verhöhnt haben Sie ihn. Jeder, der in der letzten oder in der vorletzten Legislaturperiode dabei war, kann sich noch gut an die Reden von Frau Apel erinnern.Wie haben Sie die Konzepte für erneuerbare Energien, die entwickelt worden sind, um sie in diesem Land einzusetzen, bezeichnet und versucht, sie lächerlich zu machen?
Wie die Mövenpick-Parteien in Bund und Land handeln, zeigen doch die Ereignisse der vergangenen Woche. Einerseits wird versucht – und wahrscheinlich wird es dazu kommen –, die Solarenergie, einen entscheidenden Zukunftsmarkt, abzuwürgen – und andererseits wird auf den Atomdinosaurier Biblis A gesetzt, auf die Atomenergie, für die bis heute noch kein Endlager gefunden wurde.
Meine Damen und Herren, wir reden jetzt über Konjunkturpolitik und darüber, wie wir die Kommunen stärken. Das Schlimme ist: Kommunale Energieversorger haben gesagt: Wenn das mit der Atomenergie so kommt, dann werden wir Investitionen in erneuerbare Energien,die wir uns eigentlich vorgenommen haben, überdenken müssen, weil sie sich dann nicht mehr rechnen. – Meine Damen und Herren, Sie reden da von Kommunalfreundlichkeit – aber mit Ihrer Atompolitik werden Sie genau die Ansätze, die es bei den kommunalen Versorgern für erneuerbare Energien gibt, kaputt machen. Das hat nichts mit einem Konjunkturprogramm zu tun, sondern mit dem Abwürgen der Konjunktur in einem wichtigen Bereich.
Meine Damen und Herren, das wird Hessen eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen in einem sehr dynamischen Markt kosten. Und das machen Sie aus ideologischen Gründen.
Nicht aus ideologischen Gründen,sondern eher wegen Ihres politischen Tiefschlafs haben Sie einen richtigen Aufschlag beim Konjunkturprogramm in der Breitbandversorgung verpasst. Die SPD-Fraktion hat dazu sogar einen Antrag gestellt, und ich glaube, die GRÜNEN damals auch. Sie haben die Anträge abgelehnt.
Meine Damen und Herren, die Folge ist, dass wir überall nur einen Flickenteppich haben. Die Breitbandversorgung ist wichtig, übrigens gerade für viele kleine und mittelständische Firmen im ländlichen Bereich – und dort kommen wir nicht voran.
Ich sehe, dass hier Bescheide in Höhe von, ich glaube, 159.000 c verteilt werden und das Land ganze 700.000 c pro Jahr für die Breitbandversorgung im Haushalt stehen hat, obwohl wir doch einen sehr viel höheren Investitionsbedarf haben. Das ist wirklich lächerlich. Das haben Sie verpasst. Viele Kommunen wären bereit gewesen, an dieser Stelle auch etwas für ihre heimische Wirtschaft zu investieren, aber das haben Sie mit diesem Konjunkturprogramm überhaupt nicht zugelassen.
Meine Damen und Herren, wir haben nicht nur eine Krise, sondern es sind eigentlich drei Krisen.Wir haben es mit der Wirtschafts- und Finanzkrise zu tun;wir haben es natürlich auch mit einer Ressourcenkrise zu tun – die Ressourcen werden verbraucht, insbesondere Öl und Gas –; und wir haben es mit der Klimakatastrophe zu tun.
Man muss diese drei Krisen zusammen sehen, und man muss deren Ursachen aufnehmen, die Gründe, die zu diesen Krisen geführt haben. Wenn man das nicht tut, wird jede auch kurzfristig eingesetzte Maßnahme zum Fehlschlag. Unsere Maßnahmen müssen langfristigen Erfolg zeigen.
Dann sage ich an einer Stelle: Ja, das Konjunkturprogramm der Landesregierung – das hat auch die SPD unterstützt – bei den Investitionen im Schulbau ist gut für Bildung,und es enthält auch wichtige Elemente,um Ener
gie zu sparen und den Energieverbrauch dauerhaft zu reduzieren.Diesen Bereich kritisieren wir nicht,sondern sagen: Jawohl, dieses Geld war richtig angelegt – sonst hätte das auch nicht unsere Zustimmung gefunden.
Aber über diese Investitionsmaßnahmen hinaus müsste hessische Politik – wäre sie wirklich darauf orientiert, die Krise dauerhaft zu überwinden, anstatt weitere Fehlschläge und folgende Krisen in Kauf zu nehmen – die Bekämpfung der drei Krisen, Wirtschafts- und Finanzkrise, Energiekrise und Ressourcenkrise, miteinander verbinden. Es wäre wichtig, dafür jetzt Konzepte zu entwickeln.
Denn in jeder Krise stecken auch Chancen. Es braucht Konzepte für einen Wechsel des Verbrauchs von nicht regenerativen, nicht erneuerbaren Energien hin zu erneuerbaren Ressourcen. Meine Damen und Herren, hier sehe ich bei der Landesregierung keine Ansätze.
Ich will nur einmal kurz andeuten, auf welche Ideen man kommen könnte, wenn man nachdenkt und in diesem Lande wirklich Dynamik entfalten möchte.
Ich nenne den Bereich der elektroinformationstechnischen Industrie. Die ist prädestiniert, neue Netzmanagement- und Stromspeichertechniken zu entwickeln und zu optimieren. Das ist sehr notwendig, um die erneuerbaren Energien gezielter einsetzen zu können. Wenn das Wort von der Vorreiterrolle Hessens kein Lippenbekenntnis sein soll, dann muss gerade an dieser Stelle etwas getan und hier etwas entwickelt werden.
Zweiter Bereich, das Interesse der Luftfahrtgesellschaften. Wir haben nun einmal die Diskussion um den Flughafenstandort Frankfurt. Es liegt im Interesse der Luftverkehrsgesellschaften und der Flugzeugindustrie, dass auch dort erneuerbare Kraftstoffe eingesetzt werden können. Auch die müssen entwickelt werden. Für einen Standort Hessen, der immer sagt, wir sind die Drehscheibe für Europa, und der die Bedeutung dieses Flughafens so hervorhebt, ist das ein wichtiger Punkt, um ökologische und Verkehrsinteressen, wirtschaftliche Interessen miteinander zu verbinden.
Oder ich nehme die Bauindustrie. Die haben Sie eben auch angesprochen.Auch dort müssen wir doch über den heutigen Tag hinausdenken. Es ist gut, dass momentan Schulen gebaut werden, aber wir müssen doch darüber hinaus an die Zukunft denken. Ich glaube, der Bauwirtschaft, der Baustoffindustrie und auch dem Bauhandwerk könnten Sie durch neue Baumaterialien und Bauweisen, durch wärmedämmendes und beispielsweise zugleich stromproduzierendes Glas neue Chancen eröffnen. Das müsste doch entwickelt und in gemeinsamen Gesprächen angepackt werden.
Zur Frage der kommunalen,regionalen Energiewirtschaft habe ich schon etwas gesagt. Hier gibt es erhebliche Zukunftsperspektiven zu entwickeln, damit die Stromproduktion wieder vor Ort stattfindet und Landwirtschaft wieder eine Perspektive hat. Das könnte man zusammenpacken.
Es geht also nicht nur um einen Übergang von alter zu neuer Industrie, sondern es geht auch darum, alte durch neue Produkte zu ersetzen und dafür eine Konzeption zu entwickeln. Meine Damen und Herren, auch dazu habe ich von Ihnen nichts gehört. Es sind keine Ansätze der Landesregierung zu erkennen, nirgends. Es wird weitergewurstelt. Von neuen Ideen, von Aufbruch, von der Erkenntnis,dass in jeder Krise auch Chancen stecken,die er
griffen werden müssen, weil Leute zum Nachdenken kommen und natürlich auch Existenzkrisen anstehen, ist bei der Landesregierung nichts zu sehen.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung lobt sich für ihr Konjunkturprogramm. Sie lobt sich dafür, dass sie damit die Kommunen unterstützt hat.
Aber auch hier sollen die Kommunen ausbügeln, was die Landespolitik unzureichend geleistet hat – nämlich angemessene Investitionen zu tätigen und damit wichtige Wirtschafts- und Beschäftigungsimpulse zu setzen. Ich habe sie schon genannt.
Herr Grüttner, mit 9,6 % war die Investitionsquote im hessischen Haushalt eine der geringsten aller Bundesländer. Das macht deutlich, dass es einen erheblichen Nachholbedarf gibt – übrigens auch bei den hessischen Kommunen. Deswegen war ein solches Konjunkturprogramm auch überfällig.
Eines ist aber auch klar: Jetzt ein Konjunkturprogramm für die Kommunen aufzulegen – das sie ja, wie gesagt, über die Zinsen selbst bezahlen müssen und an dem sie lange werden abzutragen haben – und ihnen pro Jahr 400 Millionen c im Kommunalen Finanzausgleich abnehmen zu wollen, das ist schon schizophren. Das ist wirklich schizophren.An dieser Stelle fragt man sich wirklich:Wer müsste da zu Dr. Holzmann?
Sie stellen hier den Kommunen ein Investitionsprogramm zur Verfügung, und gleichzeitig – das Schuldenbeschleunigungsgesetz habe ich bereits genannt – entziehen Sie ihnen 400 Millionen über den Kommunalen Finanzausgleich. Meine Damen und Herren, das ist doch wie Bremsen und Gasgeben zugleich – dabei kommt doch nur ein fürchterliches Gehoppel zustande, und am Ende wird der Motor abgewürgt.
Meine Damen und Herren, das, was Sie vorhaben, wird ein erheblicher Eingriff in die kommunalen Möglichkeiten sein und dazu führen, dass vielleicht noch in diesem Jahr Investitionen getätigt werden, aber die Kommunen mittel- und langfristig – 2011, 2012, 2013 – überhaupt keine Chancen mehr haben, Investitionen zu tätigen, sondern sie werden den umgekehrten Weg gehen und das eine oder andere, das in den letzten Jahren entwickelt wurde, zurückschrauben. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Meine Damen und Herren, dazu passt, dass der Finanzminister angekündigt hat – er hat es jetzt nicht vorgetragen, es war im schriftlichen Text –, den Dialog mit den Kommunen zu führen. Die sind schon ganz wild darauf. Die sind schon ganz wild darauf, zu erfahren, wie diese 400 Millionen c eingespart werden.Wenn der Finanzminister sagt, dass sich die Landesregierung besonders kommunalfreundlich zeige, dann will ich Ihnen einfach noch einmal zwei Tatsachen entgegenhalten.
Erstes Beispiel: Betriebskosten der Kindergärten. Im Kommunalen Finanzausgleich haben Sie seit dem Jahre 2000 jährlich 51,3 Millionen c Landesgeld gestrichen. Wenn man das summiert, dann kommt man bis zum Jahre
2009 auf eine Summe von 511 Millionen c. Das Konjunkturprogramm, das Sie jetzt aufgelegt haben, haben die Kommunen also eigentlich schon vorfinanziert, allein über diese Tatsache.