Protokoll der Sitzung vom 26.01.2010

Die Regierungserklärung ist ein klares Ablenkungsmanöver von der Rekordverschuldung,mit der wir es zu tun haben, und auch von der unglaublichen Kommunalfeindlichkeit, die die Landesregierung zeigt. Das Anbiedern an die Kommunen in der Rede steht in völligem Widerspruch zu dem, was Sie vorhaben, nämlich 400 Millionen c aus dem Kommunalen Finanzausgleich herauszunehmen. Mit Ihrer Zustimmung zu dem Schuldenbeschleunigungsgesetz haben Sie den Kommunen jährlich weitere 160 bis 170 Millionen c entzogen. Und da reden Sie von Kommunalfreundlichkeit dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Beifall war doch wie Pfeifen im Wald. Ein paar haben noch getrommelt. Aber gut, wenn Sie glauben,dass es dem Finanzminister hilft – okay, wir werden es sehen.

(Minister Stefan Grüttner: Finden Sie das schlecht?)

Herr Grüttner,das Konjunkturprogramm war und ist im Kern richtig. Die SPD-Fraktion hat deswegen auch zugestimmt.Wir teilen ausdrücklich das Lob des Finanzministers für die Leistungen und das Engagement aller, die an der Abwicklung des Programms beteiligt waren und mitgewirkt haben.

(Beifall bei der SPD)

Das waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Finanzministerium. Das war die Clearingstelle, und das waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wirtschaftsund Infrastrukturbank.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für wirklich gute Arbeit und auch Dank an die Kommunen, die für eine schnelle Umsetzung des Programms gesorgt haben. Vor Ort gab es verhältnismäßig wenige Konflikte, welche Maßnahmen laufen sollen. Ich füge hinzu, ich bin davon überzeugt, dass es richtig war, dass das Programm verhältnismäßig unbürokratisch abgewickelt worden ist.

Okay,das war auch ein Verdienst der Hausleitung,des Ministers. Wenn Sie das hören wollen, sage ich das an dieser Stelle.

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Dr.Walter Arnold (CDU): Ja, das ist fair!)

Wo der Finanzminister einmal Lob verdient hat, bin ich bereit, ihn zu loben.Aber es gibt so viele kritische Punkte, die werden wir weiter austragen.

Ich komme aber zu der Frage, wo wiederum Kritik fällig ist, Herr Dr.Arnold. Es ist typisch für CDU und FDP, und es ist falsch,wie die Finanzierung des Programms angelegt wurde. Es ist nämlich auf Pump finanziert, und an Zins undTilgung werden folgende Generationen noch lange zu tragen haben.

(Zurufe der Abg. Michel Boddenberg, Gottfried Milde (CDU) und Leif Blum (FDP))

Herr Kollege Milde, richtig wäre die Festlegung gewesen, dass das Programm in konjunkturell besseren Zeiten getilgt wird, in einem Zeitraum von sieben bis acht Jahren. Das war unser Vorschlag. So werden Sie noch 30 Jahre lang an einem Konjunkturprogramm abtragen müssen, und in diesem Verlauf wird es sicherlich noch den einen oder anderen – hoffentlich nicht so dramatischen – Konjunkturzyklus nach unten geben. Aber die eine oder andere Rezession wird es in dieser Phase leider auch noch geben, und dann fehlen wiederum Mittel.

Was wir auf Bundesebene mit dem Schuldenverbot und mit der antizyklischen Finanzpolitik erarbeitet und jetzt im Grundgesetz verankert haben, nämlich dass in guten Zeiten zurückgezahlt werden soll, das sind Sie hier im Lande schuldig geblieben. Deswegen unsere Kritik.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Sind Sie für das Schuldenverbot? – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Immer erst mal zuhören!)

Aber einen Punkt haben Sie mittlerweile aufgegriffen. Es war unser Vorschlag, dass die Zinsen kommunengenau abgerechnet werden. Es hat ein bisschen gedauert, dazu waren Sie in der ersten Phase nicht bereit. Aber immerhin, auch an dieser Stelle sind Sie auf unseren Vorschlag eingegangen. Das ist richtig.

(Minister Jörg Uwe-Hahn: Noch einmal Lob!)

Es wäre in der Tat falsch, wenn Gemeinden im Odenwald die Zinsen der Stadt Frankfurt, der Stadt Wiesbaden oder nordhessischer Gemeinden abtragen sollten. Dazu wäre es nämlich gekommen. Deswegen ist es richtig, dass an dieser Stelle nachgesteuert wurde.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie Zwischenfragen?

Ich weiß jetzt nicht, wie ich mit der Zeit herumkomme. Aber bitte, gern.Wer?

(Günter Rudolph (SPD): Herr Boddenberg! Er ist als Minister nicht ausgelastet, er muss zwischenfragen!)

Herr Abg. Boddenberg, Sie haben die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage.

Herr Kollege,ich glaube,ich darf von hier aus auch Fragen stellen. – Herr Kollege, eine Frage zur Schuldenbremse. Sind Sie denn jetzt für die Schuldenbremse, oder sind Sie gegen die Schuldenbremse?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist ein Problem!)

Herr Boddenberg, wir führen die Debatte ja, und wir warten schon die ganze Zeit gespannt auf die Vorschläge der Landesregierung zur Umsetzung der Schuldengrenze in der Hessischen Verfassung.

(Minister Jörg-Uwe Hahn:Was wollt ihr denn?)

Wir sind allerdings dagegen, dass ein mittelfristiger Finanzplan aufgelegt wird, der für die nächsten Jahre verfassungswidrige Haushalte vorsieht. Da sind wir in der Tat für eine Eingrenzung der Schulden.An dieser Stelle muss in der Tat eingebremst werden.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Soll ich die Frage wiederholen?)

Meine Damen und Herren, wir waren und sind erfreut, dass Keynes wieder in ist – trotz Jahrzehnten neoliberalen Unsinns im Lande.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Wie lange habt ihr re- giert?)

Endlich ist wieder erkannt worden, dass der Staat eine zentrale Rolle hat, um Wohlstand und Sicherheit auf Dauer und für alle – das ist mir entscheidend – zu sichern.

(Beifall bei der SPD)

Diese Erkenntnis hat bei der FDP ein bisschen gedauert. Ich bin auch noch nicht sicher,ob sie angekommen ist.Zumindest in diesem Konjunkturprogramm ist anerkannt, dass der Staat eine aktive Rolle für wichtige kommunale und öffentliche Investitionen spielen muss. Immerhin, das ziehen wir einmal vor die Klammer. In dem Punkt ist es sogar fast ein sozialdemokratisches Programm.

(Beifall bei der SPD)

Ja, das Programm war und ist richtig, aber aus ganz anderen Gründen, als sie eben vom Finanzminister vorgetragen wurden. Das Bundesländerranking der „Wirtschaftswoche“ 50/2009, Seiten 20 ff., zeigt die zentralen Schwächen Hessens und zeigt, warum ein Konjunkturprogramm gerade für Hessen bitter nötig war und ist.Hessen ist nämlich seit Jahren auf einem absteigenden Ast. Hessen lebt von der Substanz – eine Substanz übrigens, die sozialde

mokratische Regierungen, in einer ersten Phase mithilfe der FDP,in einer zweiten Phase mithilfe der GRÜNEN,in Hessen geschaffen haben.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Wenn man dieses Bundesländerranking nachliest, stellt man fest, dass die hessischen Bürgerinnen und Bürger noch eine sehr hohe Kaufkraft haben, die zweithöchste in Deutschland. Beim Niveauranking, also dem aktuellen Bestand, steht Hessen noch auf Platz 4 bei den wirtschaftlichen Daten. Aber beim Dynamikranking, also der Entwicklung, welche Dynamik das Land entfaltet, steigen wir ständig ab. Um nur zwei Daten zu nennen: 2007 war Hessen noch auf Platz 7, 2008 – das sind die neuesten Zahlen, es ist letztes Jahr untersucht worden – ist Hessen weiter abgerutscht, nur noch auf Platz 11. Meine Damen und Herren, im Dynamikranking nur noch auf Platz 11 im Konzert der Bundesländer.

Die Hauptursache nach dieser Untersuchung ist, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit zwischen den Jahren 2005 und 2008 in Hessen nur der zweitgeringste Rückgang der Arbeitslosigkeit in allen Ländern in Deutschland war. 14 Länder waren besser als Hessen.

Bei der Entwicklung der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen zwischen 2005 und 2008 war Hessen ebenfalls nur auf einem viertletzten Platz und beim Wirtschaftwachstum ebenfalls nur auf dem viertletzten Platz.

Meine Damen und Herren, das macht deutlich, in welcher Situation wir uns befinden und dass wir keinen Schub mehr haben. Das hat erheblich auch mit der Regierung und den Maßnahmen zu tun, die diese Regierung in den letzten Jahren eben nicht eingeleitet hat.

Das alles kommt nicht von ungefähr. Ich beziehe mich wiederum auf die Studie. Bei den Bildungsausgaben liegt Hessen nur im unteren Mittelfeld, bei der Schüler-LehrerRelation ist Hessen aber das schlechteste Bundesland. Ich will ein konkretes Beispiel nennen. Die Kultusministerin ist leider nicht da.

(Widerspruch bei der CDU und der FDP – Minister Stefan Grüttner: Sie hat mich gerade gefragt,ob das stimmt, was Sie sagen, und ich habe gesagt, es stimmt nicht!)

Entschuldigung. – Frau Ministerin, wir bekommen die „Wirtschaftwoche“ kostenlos zugestellt.Ich weiß nicht,ob es bei Ihnen umsonst war. Ich wäre bereit, Ihnen die Auflistung nach der Rede zur Verfügung zu stellen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Minister Ste- fan Grüttner: Bei Ihnen ist es wohl so!)

Wenn in einem Mathe-Leistungskurs im Abiturjahrgang 35 Schüler sind, muss man sich nicht darüber wundern, dass es in Hessen wenig Dynamik gibt und wir diese Probleme auch im Bereich der Bildung haben.

Und von wegen „hohe Investitionen“: Mit 9,6 % hatte Hessen 2008 mit die geringste Investitionsquote bei den Landesausgaben aller Bundesländer.

(Minister Karlheinz Weimar: Das ist so was von falsch!)

Deshalb muss Hessen mehr tun, um wieder Dynamik zu entfalten.Wir müssen mehr tun, weil die Landesregierung weder für den Bankenstandort Hessen noch für den Automobilstandort Hessen ein Konzept entwickelt hat, als die Zeiten besser waren. Zudem hat die Landesregierung im Bereich der erneuerbaren Energien erheblich blockiert.