Von den 6,6 Millionen Betroffenen nehmen 1,5 Millionen an Förderungsmaßnahmen teil, 1,4 Millionen haben eine Vollzeittätigkeit und sind sogenannte Aufstocker.
Das heißt aber auch: Für viele, mindestens 2 Millionen, ist das Prinzip „Fördern und Fordern“ noch nicht wirklich Realität – wohlgemerkt: ohne jegliche Schuldzuschreibung. Daran aber müssen wir arbeiten.
Meine Damen und Herren, als letzter Punkt stellt sich schon die grundsätzliche Frage: Besteht noch ein Konsens unter den Parteien? Die Linkspartei nehme ich jetzt einmal aus,
weil sie als Anti-Hartz-ein-Punkt-Partei entstanden ist und sich dann in die PDS eingegliedert hat. Aber für die anderen Parteien: Besteht noch ein Konsens zum Prinzip „Fördern und Fordern“?
Diese Frage muss insbesondere die SPD beantworten. So war die Juso-Vorsitzende Mitinitiatorin des Hartz-IVSanktionsmoratoriums im August 2009.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Heike Habermann (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Günter Rudolph (SPD): Das hat Heiner Geißler aber nicht verdient!)
Frau Drohsel äußerte kategorisch: „Sanktionen sind kein akzeptables Mittel.“ Wichtiger sind aber die jüngsten Beschlüsse der SPD zu dieser Thematik, die die „Frankfurter Rundschau online“ betitelte mit: „SPD rückt von HartzIV-Reform ab“. Das sagt die „Frankfurter Rundschau“, nicht die CDU.
Sie sagen:Wir wollen staatliche Arbeitsplätze, garantierte Arbeit.– Das ist etwas völlig anderes,als einst Herr Schröder gefordert hat.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir wollen die Akzeptanz der Sozialsysteme nachhaltig sichern.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, das merken wir! – Janine Wissler (DIE LINKE): Sie wollen nachhaltig Schaden anrichten!)
Wir bedanken uns bei dem Ministerpräsidenten, diese Diskussion in der Sache angeregt zu haben. Wir werden die Herausforderung annehmen, damit Hessen nach Überwindung dieser Krise durch effektive Sozialpolitik besser dasteht als heute. – Besten Dank.
(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das war alles? – Günter Rudolph (SPD): Da ist nichts dahinter!)
Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich Herrn Bocklet das Wort erteilen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, von der LINKEN, von der FDP und auch meine Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN,wir können letztlich nur darüber spekulieren, was Herrn Koch dazu trieb, andere Instrumente zur Arbeitsaufnahme einführen zu wollen. Wir können nur darüber spekulieren, welche Elemente der Abschreckung er meint, und wir können auch nur über die Absicht hinter der Aussage spekulieren, es gäbe so viele Menschen, die das System ausnützen und sich in ihm eingerichtet haben, und es gäbe sogar eine sichtbare Minderheit, die dieses System brutalstmöglich ausnutze.
Wir können darüber spekulieren, warum er das tut. – Gibt es schon wieder ein Problem in der CDU? Ist es so, wie es Herr Kollege Schäfer-Gümbel angesprochen hat, dass wieder eine populistische Sau durchs Dorf getrieben werden muss, weil es in der eigenen Partei rumort, weil der rechte Flügel um Christean Wagner gepampert werden muss, nachdem er von Frau Merkel getunkt worden ist?
Geht es darum, dass der Bedeutungsverlust auf Bundesebene an ihm nagt, dass die schnelle Schlagzeile sozusagen wichtig war, um wieder vorzukommen? Man nennt das eine Übersprungshandlung im gemeinen Sinne. Wir bedauern dies sehr und würden uns wünschen, dass wir uns der Sache tatsächlich widmen könnten.
Herr Ministerpräsident, aber eines ist klar:Wer durch solche Überschriften – gewollt oder ungewollt und zum Schluss auch ganz gezielt – eine Kampagne lostritt, die auf die sozialstaatlichen Prinzipien dieses Landes zielt und das Solidaritätsprinzip untergräbt, muss wissen, dass das ein gefährliches Spiel ist.Wir haben Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftskrise. Wer 3,4 Millionen Arbeitslose so unter Generalverdacht stellt, spielt mit dem Feuer.Wir verurteilen das entschieden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,wenn es um die Sache geht, bemühen wir uns um Menschen, die nicht unserer Partei angehören. Frau von der Leyen sagt, wenn jemand arbeiten wolle, dann hätten wir ein Problem, denn es fehle an Kinderbetreuungsplätzen, Schul- oder Berufsausbildungen. Das Problem lösten wir nicht, indem wir sie beschimpfen, sondern indem wir ihnen gezielt helfen. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen sagt zu Recht: Ich weiß nicht, wie man da weiterkommen will. Wenn keine Arbeitsplätze da sind – und wir haben ja Probleme auf dem Arbeitsmarkt angesichts der Krise – nützt eine gesetzliche Pflicht überhaupt nichts. Was wir brauchen, sind entsprechende Fördermaßnahmen, damit die Leute wieder eine Stelle finden. – Beide Personen sind in der CDU, und wir sagen ausdrücklich: Recht haben sie. Man muss aufhören mit dem Beschimpfen, helfen ist angesagt.
Aber lassen Sie uns versuchen, in der Sache zu argumentieren. Ich will auch noch einmal begründen, warum wir das tun sollten: weil wir sicher sind, dass es nicht nur Frau von der Leyen und Herr Rüttgers sind, sondern dass es viele Menschen gibt, die die CDU wählen und sich mit Grausen von diesem Kurs abwenden.
Schauen wir uns also bitte genau an,was der seit zehn Jahren regierende Ministerpräsident im Zusammenhang mit den Reformen des Arbeitsmarktes eigentlich macht. – Da geht es um Sanktionen. Wer sich ein bisschen auskennt, und das unterstelle ich Ihnen, weiß, dass es schon heute – selbst Herr Dr. Bartelt bestätigt das – in einem abgestuften System Sanktionen gibt. Wenn ich keine zumutbare Arbeit annehme oder eine Eingliederungsvereinbarung nicht unterschreibe, werden mir die Gelder gekürzt. Das ist heute schon Fakt.Ich frage Sie also:Was wollen Sie verschärfen? Wollen Sie verschärfen, dass auch Kranke arbeiten gehen müssen, auch Behinderte, auch alte Men
Sie sprechen von mehr gemeinnütziger Arbeit. Schauen Sie sich die Situation in Ihrem Land an,die Ein-Euro-Jobs im Lande Hessen: Es gibt zu wenige. Die Menschen wollen diese Ein-Euro-Jobs annehmen, im Gegensatz zu den Vorurteilen, die man ursprünglich hatte. Sie können zum einen mehr Ein-Euro-Jobs schaffen, dann legten Sie sich aber mit dem Handwerk an. Das ist das eine Problem. Sie können zum anderen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen, den sozialen Arbeitsmarkt, den wir GRÜNE schon seit zwei Jahren fordern. Doch wer lehnt diesen im Lande Hessen ab? – Das ist die CDU. Deswegen ist Ihre eigene Forderung nach mehr gemeinnütziger Beschäftigung schon längst gefloppt. Herr Koch, Sie hätten es tun können. In Ihrem eigenen Land, in Ihrem eigenen Stall räumen Sie nicht auf.
Wir können den Murks weitermachen – im Land der Optionskommunen. Hessen ist das Musterland der Optionskommunen.Schauen wir uns also an,wie das Land Hessen eigentlich bei den Eingliederungsquoten aufgestellt ist. Eingliederungsquoten sind die Quoten derer, die tatsächlich in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Das sind Ihre Jobcenter, die des Bundeslandes, das Sie regieren. Dort liegen Sie mit 26,7 % auf einem mittelmäßigen achten Platz.
Oder bei der Aktivierungsquote liegt es mit 21,8 % lediglich auf dem zwölften Platz, unser wunderschönes Bundesland Hessen,geführt von Roland Koch.Daher fragen wir: Was macht eigentlich Herr Banzer? Was hat eigentlich Frau Lautenschläger gemacht? – Ich dachte, wir wären in der Bundesrepublik das Land Nummer eins.Wir liegen auf einem mittelmäßigen,schlechten Platz.Wo wird den arbeitslosen Menschen in diesem Land denn geholfen? Sie regieren es, und daher ist es unwürdig, so zu argumentieren.
40 % aller erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind alleinerziehend. Was diesen fehlt, sind Kinderbetreuungsplätze. Welche Quote haben wir denn in Hessen? – 19,6 % für unter Dreijährige. Es wären 35 % nötig. Herr Koch, Sie regieren dieses Land. Herr Koch, wo sind die Ausbaupläne? Wo sind endlich die Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen? Wo sind die Mittel für die Kommunen?
Ich habe kein Problem damit, wenn Kritik geübt wird, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden. Sie schaffen die Rahmenbedingungen aber selbst nicht, heizen dann aber. Das ist eines Ministerpräsidenten unwürdig. Es tut mir leid.
Auch beim Lohnabstandsgebot sagen wir GRÜNE schon lange: Richtig, wir haben in der Bundesrepublik 1 Million Aufstocker. Herr Ministerpräsident, wenn Sie sich der Sache widmen wollen, werden Sie feststellen, dass 29,5% von diesen Aufstockern einen Bruttoarbeitslohn von unter 5 c die Stunde verdienen – etwa ein Drittel. Daher ist
es doch völlig irrwitzig, zu sagen:Wir müssen an die Leistungen für die Arbeitslosen ran. – Das Brot kostet, was es kostet, ebenso das Wasser, die Heizung usw. Deswegen gibt es die genau und spitz berechneten – wwie wir finden, zu geringen – Leistungsentgelte für die ALG-II-Empfänger. Diese Spirale aber nach unten zu drehen, ist geradezu pervers. Wir brauchen – und das ist einer der Fehler, den wir noch ausbessern müssen – in der Bundesrepublik Mindestlöhne, damit wir das Lohnabstandsgebot nach oben bekommen. Die Menschen müssen ihre Existenz noch selbst sichern können.
Ich brauche nicht hinzuzufügen, dass Sie bei den Mindestlöhnen eine sehr unrühmliche Rolle gespielt haben. Sie halten sie für Teufelswerk, aber es ist die einzige Möglichkeit, um nicht flächendeckend Unternehmen zu subventionieren, die Lohndumping betreiben.
Deswegen komme ich zu dem Schluss: mäßige Vermittlungsquoten in Hessen, keine Ausschöpfung der Eingliederungsmittel. Wir haben schon oft darüber geredet, dass in Hessen 300 Millionen c zur Verfügung stehen,aber nur 230 Millionen c ausgegeben werden. 70 Millionen c werden zurückgegeben, obwohl sie den Arbeitslosen zur Verfügung stünden, um sich zu qualifizieren. Sie geben 70 Millionen c zurück und helfen damit den Menschen in Hessen nicht. Helfen Sie den Menschen, in Arbeit und Qualifikation zu kommen, statt sie zu beschimpfen. Das ist weiterhin nicht zu ertragen.
Mäßige Vermittlungsquoten, keine Ausschöpfung der Eingliederungsmittel, die Weigerung, Mindestlöhne einzuführen, schlechter Ausbau der Kinderbetreuung. Selbst bei den Zuverdienstmöglichkeiten haben Sie sich in den Verhandlungen im Jahre 2003 das Problem selbst ans Bein gebunden. Sie wollten doch überhaupt keine Zuverdienstmöglichkeiten bis zu einer Höhe von 400 c.Wir haben Ihren Vorschlag im EGG doch nachgelesen. Das heißt, Sie wollten doch selbst keine Hinzuverdienstmöglichkeiten. Selbst produzierte Probleme haben in Hessen zu schlechten Ergebnissen geführt.
Herr Koch, tun Sie doch etwas, damit Menschen aus dem ALG II herauskommen. Man hat Sie gewählt, damit Sie regieren und den Menschen helfen und nicht, um in diesem Land generalisierende Beschimpfungsdebatten zu führen.