Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

Meine Damen und Herren, wenn sich dieser Trend so wie bislang fortsetzt, haben wir bis zum Jahr 2020 – dem Beginn des Neuverschuldungsverbots für die Länder – locker das Vierfache des jährlichen Volumens des Landeshaushalts an Schulden, über das wir gerade für das Jahr 2007 geredet haben. Von den daraus resultierenden Zinsund Tildungslasten gar nicht zu reden. Mit anderen Worten: Die heutige Debatte über den Bericht des Landesschuldenausschusses ist eine wichtige Gelegenheit, dringend einen Kurswechsel in der Finanzpolitik anzumahnen.

Herr Finanzminister, so wie bislang kann und darf es nicht weitergehen. Wer nachhaltig denkt, der verabscheut das berüchtigte Motto: „Après nous le déluge!“ Das heißt zu Deutsch: „Nach uns die Sintflut!“ Und er lehnt es ebenso ab, die Schuldenbremse durch eine Abwrackprämie des gesellschaftlichen Zusammenhangs zu finanzieren, wie es auf dieser Seite des Hauses immer wieder anklingt.

Meine Damen und Herren, wir GRÜNE haben Ihnen – damit meine ich alle Fraktionen, auch die Landesregie

rung – gestern ein erstes Konzept zur Umsetzung der Schuldenbremse präsentiert; denn wir halten den Beginn der Debatte über eine wirksame Haushaltskonsolidierung jetzt für erforderlich. Wir laden alle politischen Kräfte zu dieser Debatte herzlich ein.Wir sollten jetzt damit beginnen, denn ein „Weiter so“ mit dem Schuldenmachen bis ultimo wäre nicht verantwortbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dabei wollen wir GRÜNE möglichst einen breiten politischen Konsens über den finanzwirtschaftlichen Kurs der kommenden Jahre erreichen; denn die Umsetzung der Schuldenbremse ist eine staatspolitische Aufgabe, die über eine Legislaturperiode hinausgeht.Nehmen Sie die heutige Debatte über den Bericht des Landesschuldenausschusses also zum Anlass, den Startschuss für ein gewiss nicht einfaches, aber notwendiges Verfahren zu geben, um die Anforderungen der Gesellschaft und die Leistungsfähigkeit des Staates in ein schuldenfreies Gleichgewicht zu bringen. Je eher wir damit anfangen, umso besser für uns und unsere Kinder und Enkel. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Schmitt, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal auch von unserer Seite der Dank an den Rechnungshof, an Herrn Prof. Eibelshäuser. Bitte reichen Sie den Dank auch an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter; denn sie haben hier eine sehr sorgfältige Arbeit abgeliefert und haben wichtige Hinweise zur Aufarbeitung der Schuldensituation,der Kreditaufnahme und auch der Verwaltung der Landesschuld gegeben. Dabei sind interessante Details zutage gefördert worden, und es wurden wichtige Hinweise für uns als Parlamentarier gegeben, aber auch für die Regierung, für diejenigen, die in der Landesverwaltung für die Verwaltung der Landesschuld zuständig sind.An dieser Stelle natürlich auch einen Dank an Herrn Soll, der eine sehr sorgfältige, gute und verantwortungsvolle Arbeit leistet. Er geht mit sehr hohen Summen um, und Kreditaufnahmen haben in jedem Einzelfall für lange Zeit Folgewirkungen und auch erhebliche finanzielle Auswirkungen. Uns scheint es in der Tat so zu sein, dass diese Arbeit sehr gut gemacht wird.

Ich will ebenso – Herr Kollege Milde, wir haben verabredet, dass wir uns gegenseitig loben; ich bin einmal gespannt,wem es in den eigenen Reihen am meisten schadet – Herrn Kollegen Milde danken, weil im Landesschuldenausschuss ein Meinungsaustausch stattfindet, der sehr kompetent ist und immer wieder interessante Aspekte zutage fördert. Aber an dieser Stelle ist es genug des Dankes.

Ich will jetzt die Probleme schildern, ohne zu stark einzugreifen; denn ich konnte mich gestern austoben und habe auch morgen noch einmal die Gelegenheit. Deswegen mache ich das an dieser Stelle nicht so intensiv. Dennoch möchte ich noch einmal die Fakten nennen.

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Ja, ja. – Der Schuldenbericht stellt dar, dass wir am 31.12.2007, es ist jetzt schon ein bisschen her, in Hessen 33,6 Milliarden c Landesschulden hatten. Das war im Jahr 2007 immerhin ein Anstieg um fast 600 Millionen c, 586 Millionen c, um genau zu sein. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist in Hessen aufgrund der Landesschulden auf 5.043 c gestiegen und hat damit die 5.000-c-Grenze überschritten.Auch diese Zahl muss man nennen, und sie ist sicherlich kein Anlass zur Freude und zum Feiern.

Zu den Diskussionen, die wir im Landesschuldenausschuss geführt haben, gibt es einen positiven Moment zu nennen:Wir haben immerhin nur noch etwa 2 Milliarden c Schulden mit Zinssätzen von über 6 %. Ich glaube, da kommt auch die Zinsentwicklung zum Ausdruck, die in den letzten Jahren gut war.Wir müssen allerdings mit Besorgnis fragen:Was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen? Wo rutschen wir dann hinein?

Der zweite Punkt, der angesprochen wurde – das gehört zu den wichtigen Details –: Es gab eine Untersuchung, die sich damit befasste, ob die Aufnahme von Kassenkrediten sinnvoller gewesen wäre als von Kurzläufern.

Der Rechnungshof kam in einer Nachbetrachtung – er hat das selbst relativiert – zu dem Ergebnis, man wäre knapp 21.000 c besser gewesen, wenn man Kassenkredite aufgenommen hätte. Aber ich will auch da sagen, das ist eine Nachbetrachtung. So etwas kommt überhaupt nur zutage, weil es von den Mitarbeitern des Rechnungshofs untersucht wird. Wir haben eine sehr vernünftige Diskussion dazu geführt. Das fließt dann auch wiederum in die Politik, in die Verwaltung auf Landesseite ein.

Wir führen des Weiteren seit Jahren eine Diskussion um die Frage der Derivate.Auch da sind wichtige Ergebnisse zutage gefördert worden, sind wichtige Hinweise gegeben worden, die auch umgesetzt wurden. Die Diskussion werden wir weiter führen. Es muss im Landesschuldenausschuss auch berichtet werden, welche wirtschaftlichen Vorteile,aber auch warum welche Risiken durch Derivate entstehen. Diese Diskussion wird weitergehen.

Ich will auf die Seite 45 des Landesschuldenberichts hinweisen: die Entwicklung des Schuldenstandes. Danach hatten wir im Jahr 1999 23,6 Milliarden c Schulden – Herr Kaufmann hat es angesprochen – und Ende 2007 32,5 Milliarden c. Das ist ein Anstieg in der Regierungszeit von Herrn Koch und Herrn Weimar um 9 Milliarden c.

(Günter Rudolph (SPD): Hört, hört!)

Das heißt, fast 30 % der Schulden des Landes Hessen sind in acht Regierungsjahren aufgenommen worden. Ich glaube, das macht die besorgniserregende Lage deutlich. Deswegen auch mein Fazit – das ist so ähnlich wie das des Kollegen Kaufmann –: Das Schuldenmanagement im Land Hessen ist nicht zu beanstanden. Das wird ganz gut gemacht. Allerdings ist die Schuldenentwicklung weiterhin besorgniserregend. Wenn man in die mittelfristige Finanzplanung hineinschaut, wird einem angst und bange; denn auf diesem hohen Niveau soll es in den nächsten Jahren weitergehen.

Deswegen noch einmal herzlichen Dank. Es ist ein wichtiger Bericht, der manchmal sogar von den Kolleginnen und Kollegen zu wenig zur Kenntnis genommen wird. Es ist eine Momentaufnahme. Aber er zeigt, wie die Entwicklung im Land Hessen bezüglich der Schulden aussieht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Krüger für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte es nicht versäumen – ich mache es jetzt allerdings ein ganz klein wenig umgekehrt –, zu Beginn der kurzen Rede ein herzliches Dankeschön auszusprechen. Ich mache es insofern umgekehrt, weil ich das Dankeschön zunächst den Mitarbeitern des Ministeriums ausspreche, die die Schulden verwalten. – Da möchte ich einen Klammersatz einfügen: „Schulden verwalten“ ist eigentlich schon ein perverser Ausdruck.Wir sollten uns da wirklich einmal etwas anderes einfallen lassen. Ich habe auch keinen Vorschlag. Aber das ist doch eine etwas seltsame Wortwahl.

Ich möchte das auch begründen. Was ist deren Aufgabe? Die Sicherstellung der Liquidität des Landes zu möglichst günstigen Konditionen mit den Instrumenten Darlehen, Derivate, den Steuerungsgrößen Zinsen, Laufzeiten, Zeitpunkt der Geschäfte.

Meine Damen und Herren,man kann die sehr gute Arbeit dieser Abteilung auch aus einer anderen Ecke beleuchten. Auf der Seite 45, die vorhin schon von dem Kollegen Schmitt erwähnt worden ist, ist auch die Entwicklung des Nettozinsaufwandes der Jahre 1998 bis 2007 aufgeführt. Wenn man für das Jahr 1998 als Basis 100 nimmt bei einer Nettozinslast von knapp 1,3 Milliarden c, dann muss man feststellen,dass wir im Jahr 2007 eine Steigerung auf 104 % zu verzeichnen haben. Das bedeutet, dass wir trotz der erheblichen Steigerung der Nettoverschuldung mit 1,3 Milliarden c im Grunde genommen keine Steigerung bei dem Nettozinsaufwand hatten.

Meine Damen und Herren,das kann man auch noch an einer weiteren Größe festhalten: am durchschnittlichen Zinssatz. Der durchschnittliche Zinssatz betrug im Jahr 2007 4,12 %. Ich glaube, wer etwas mit Geld und Finanzierung zu tun hat und wer sich das Auf und Ab der diversen ökonomischen Situationen und des Zinssatzes einmal vor seinem geistigen Auge vergegenwärtigt, der wird sagen müssen,dass ein durchschnittlicher Zinssatz von 4,12 % im Jahr 2007 sicher eine hervorragende Leistung ist.Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herzlichen Dank auch an die Mitarbeiter des Rechnungshofs – es ist schon mehrfach angeklungen –, die diesen Schuldenbericht aufgearbeitet haben und die es uns überhaupt erst ermöglichen, in einer solchen Form die Arbeit zu würdigen und Erkenntnisse zu gewinnen.

Ich bin dem Kollegen Schmitt sogar sehr dankbar, dass er das einmal angesprochen hat: Es wäre durchaus wünschenswert, wenn sich vielleicht noch mehr Kolleginnen und Kollegen mit diesem Bericht beschäftigen würden, weil er durchaus tiefe Erkenntnisse über Finanzströme und die Finanzarchitektur unseres Landes zutage fördert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bedarf nicht des Hinweises, dass die Schuldenhöhe – die Zahl für Ende 2007 von 33,6 Milliarden c ist mehrfach genannt worden – nicht gerade Anlass zur Freude gibt. Das wird durch alle Reihen hinweg in diesem Hause so gesehen.Wenn ich mir die Presseerklärung der GRÜNEN dahin gehend ansehe,

wie wir diese Struktur verändern können – einiges fällt einem sofort ein; wir kennen das alle: Länderfinanzausgleich, Zinsaufwendungen, verschiedene andere Dinge –, dann stelle ich leider Gottes fest, dass wieder einige Tatsachen mit einigen Wunschvorstellungen vermischt worden sind. Ich werde das einmal präzisieren. Dort erwähnt man zwar all diese großen Instrumente, weiß aber gleichzeitig schon, dass der Staat zur Erfüllung seiner zukünftigen Aufgaben mehr Steuern braucht. Daran mache ich erst einmal ein großes Fragezeichen. So geht das quer durch.

(Zuruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich glaube, wir werden nicht umhinkommen können, uns auch der Mühe zu unterziehen – wobei es richtig ist, dass es nicht allein über die Ausgaben zu lösen ist, sondern nur über Strukturreformen –, einmal wirklich und definitiv ein paar Dinge zu benennen, wo Leistungen entweder effektiver erbracht werden können oder wo Leistungen möglicherweise eingespart werden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Alle Diskussionen, die wir hier führen, gehen in die gleiche Richtung. Jeder hat das große Strukturpatentrezept. Aber keiner benennt in irgendeiner Form eine konkrete Leistung oder eine konkrete Ausgabe, bei der er sparen möchte.Es ist – das kann ich auch nachvollziehen – mit Sicherheit nicht gerade der Wunsch der Opposition, da hervorzubrechen. Aber wenn ich mir die Debatte von gestern, die Debatte von heute früh und die Debatte zum Haushalt noch einmal vergegenwärtige, meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, dann kann ich mich nicht an einen einzigen Antrag erinnern, wo dieses Haus gesagt hat, dass an einer konkreten Stelle eingespart werden soll – außer in der Vorbereitung des Haushalts, und zwar im Wesentlichen geäußert von den Regierungsfraktionen, wo tatsächlich einmal Beträge und Zeiträume benannt wurden.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE):Den Sie abgelehnt haben, Herr Krüger! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber, Herr Kollege! – Norbert Schmitt (SPD): 176!)

Schon allein diese Reaktion bestätigt mich in der, leider Gottes, etwas pessimistischen Einschätzung zu der Frage,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Es stimmt einfach nicht,was Sie sagen! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

die immer wieder beschworen wird: Wie schaffen wir einen breiten – das ist doch das, was Sie wollen und was wir, glaube ich, alle wollen und was auch niemand dem anderen abstreiten sollte – gesellschaftlichen Konsens, dass dies auch einmal tatsächlich gesagt werden kann und nicht nur alles im Wolkenkuckucksheim bleibt? Wir müssen sparen. Wir wollen sparen. Das wollen wir bis zum Jahr 2020 erreichen. Meine Damen und Herren, irgendwann muss nach dem Mundspitzen auch das Pfeifen kommen.

Ich glaube, dass wir mit dem Einsetzen der Haushaltsstrukturkommission, dass mit der Arbeit der Regierungsfraktionen und der Regierung selbst die richtigen Wege beschreiten und hoffentlich etwas mehr tun werden, um bis zum Eintreten der Schuldenbremse im Jahr 2020 Rezepte vorzulegen,wie eine Eindämmung dieser Nettoneuverschuldung und der Schuldenlast möglich ist.

Meine Damen und Herren, da ist mein Vertrauen in uns selbst, in die FDP und auch in unseren Partner CDU, wesentlich größer als in die Oppositionsfraktionen hinein.

Eine letzte Bemerkung, die ich nur machen möchte, um den einen oder anderen zum Nachdenken anzuregen. Es ist auch schon von Herrn Kaufmann erwähnt worden: Rein durch zeitlichen Zusammenfall haben wir jetzt auch die Eröffnungsbilanz des Landes Hessen. Dort gibt es auch eine interessante Zahl, zumindest eine vorläufige,

Herr Kollege, die Redezeit ist zu Ende.

dass wir dort zufälligerweise über 58 Milliarden c

Haben Sie mich gehört? Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

ja, ich komme zum Schluss – nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag reden, im Klartext: über eine Überschuldung des Landes Hessen, und da sind die Pensionsverpflichtungen richtig bewertet.

Ich fordere jeden der Beteiligten auf, darüber mit uns gemeinsam nachzudenken und zu konkreten Sparvorschlägen zu kommen. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Herr Minister kann jetzt reden?

(Günter Rudolph (SPD): Nee, die LINKEN!)