Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ziel dieser Pauschale war es auch – auch das wollen wir an dieser Stelle unterstreichen –, den Hilfebedürftigen ein

planbares Budget bereitzustellen. Wir halten die Betroffenen für sehr wohl in der Lage, selbstbestimmt und verantwortungsvoll damit umzugehen.All dies ist in der Kasseler Stadtverordnetenversammlung mit einer ganz breiten Mehrheit so beschlossen worden.

Frau Schott, Sie haben vorhin ein paar Zahlen in den Raum geschmissen, die belegen sollen, wie schlimm das alles mit den Gerichtsurteilen, Klagen und Widerspruchsverfahren ist. Ich nenne Ihnen jetzt einmal ein paar Zahlen. Mehr als 95 % der Bezieher sind mit der Pauschalierungsmethode zumindest in dieser Weise zufrieden. Umgekehrt gilt:Von 19.000 anhängigen Verfahren bzw. Beteiligten haben wir gerade einmal 600 Einsprüche gehabt. Das sind weniger als 4 %. Ich glaube, dass wir also feststellen können, dass wir hiermit gut gefahren sind.

Übrigens gibt es Einzelfallregelungen für behinderte Menschen oder Menschen, die krank sind. Das haben wir bei 10 % auch zur Zufriedenheit dieser Menschen geregelt. Auch das wollen wir an dieser Stelle einmal festhalten.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch einige Anmerkungen zu den Heizkosten und dazu machen, wie sie in Kassel berechnet werden. Ich denke, das wird in vielen Kommunen nicht anders sein. Die Bemessung der Heizkosten in Kassel – hören Sie zu, Frau Schott – ist keineswegs willkürlich erfolgt, wie man das nach Ihrem Antrag glauben könnte. Es gab vielmehr klare und faire Bemessungsfaktoren. Ich lese Ihnen das einmal vor: Jahresheizenergiebedarf nach in Kassel ermittelten Verbrauchswerten, angemessene Wohnfläche nach Personenzahl in Haushalten – da ging es auch um die Dachgeschosswohnungen –, Einbeziehung der Klimawerte in Kassel durch Jahresgradzahlen des Deutschen Wetterdienstes und am Ende die Kosten der am häufigsten genutzten Energieträger.

Wenn Sie hier beklagen, dass die Heizkostenpauschale mit 49 c zu hoch oder zu niedrig bemessen wäre, dann haben Sie das Urteil des Bundessozialgerichts schlichtweg nicht verstanden. Die lokale Erhebung aus tatsächlichen Werten von 3.000 Wohnungen in Kassel ist nach unserer Auffassung wesentlich aussagekräftiger als die Erhebung von 63.000 Wohnungen bundesweit. Erklären Sie mir doch einmal: Was wollen wir in Kassel, Offenbach oder Darmstadt mit den durchschnittlichen Werten von Hamburg, Düsseldorf oder München? – Das macht an dieser Stelle doch gar keinen Sinn.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Richtig, weil wir große Erfolge hatten. Aber das gilt für andere ganz genauso, Kollege Reif. Nehmen Sie das deswegen als Synonym.

Das BSG-Urteil lässt kommunale Heizspiegel ausdrücklich zu. Es muss daran gearbeitet werden – das ist richtig –, ob sie an der einen oder anderen Stelle noch spezifiziert werden müssen. Aber ich glaube, Sie hätten sich jetzt wirklich ersparen können, hier in Bausch und Bogen die Kommunen zu verurteilen, weil sie das BSG-Urteil noch nicht sofort umgesetzt haben.

Selbstverständlich halten sich die Kommunen – auch die Stadt Kassel, Herr Kollege Reif – wie auch andere an Urteil und Gesetz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie scheinen aber nicht zu wissen, was genau dort drinsteht. Wenn Sie das lesen würden, dann wäre Ihnen klar, dass

das nicht ratzfatz umgesetzt werden kann, wie sich das Lieschen Müller vorstellt. So funktioniert das nicht.

In der Rechtsprechung und in der Urteilsbegründung des Bundessozialgerichts – auch ausdrücklich von den Richtern, die zu entscheiden hatten, zu Papier gebracht – steht ganz klar drin, dass von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Feststellung der Leistungen für Unterkunft und Heizung ein schlüssiges Konzept verlangt werden muss. Dieses Konzept muss die systematische Ermittlung bzw. Bewertung genereller sowie ortsund zeitbedingter Tatsachen in definierten Vergleichszeiträumen enthalten und regeln.

Beispielsweise geht es dabei um den Wohnungs- und den Mietmarkt in der Region, um die Höhe der Kosten der Haushalts- und Wohnungsgrößen. Da geht es um die Verfügbarkeit von angemessenem Wohnraum und um einen daraus folgenden grundsicherungsrelevanten Mietspiegel,um einen kommunalen Heizspiegel und einige Punkte mehr, bis zur Frage der Übernahme von Betriebskosten.

Was aber Kassel anbelangt, so kann ich an dieser Stelle alle beruhigen. Frau Schott, das wissen Sie eigentlich auch:Die Stadtverordnetenversammlung – es handelt sich um eine kommunale Angelegenheit, das wollen wir an dieser Stelle nochmals unterstreichen – hat die Verwaltung längst damit beauftragt, eine entsprechende Neuregelung der Leistungsgewährung nach den Kosten der Unterkunft zu entwickeln.

Herr Kollege, lassen Sie Zwischenfragen zu?

Danke, nein, das können wir anschließend machen.

Daran wird mit Hochdruck gearbeitet. Insofern ist Ihr Ruf nach der Rechtsaufsicht an dieser Stelle völlig überflüssig.

Allerdings steht auch fest: Diese Umstrukturierung bedarf nicht nur der Zeit. Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen, was alle aufhorchen lassen sollte: Sie wird mit rund 15 % Mehrkosten verbunden sein.

Wieder für das Beispiel Kassel formuliert: Dafür werden wir 15 Vollzeitstellen als zusätzlichen Aufwand benötigen. Dieser zusätzliche Aufwand wird den betroffenen Menschen am Ende verloren gehen – denn wir würden diese Leute lieber, statt für den Verwaltungsaufwand, dafür einsetzen,dass sie die Menschen betreuen und in Arbeit bringen. Ich glaube, das ist an dieser Stelle viel sinnvoller.

Bedanken werden sich diejenigen, die bisher mit der Pauschalierung eigentlich ganz gut gefahren sind. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Wenn es anders geregelt wird, werden die in Zukunft das Nachsehen haben. Wir befürchten, es werden nicht wenige sein, die am Ende etwas weniger bekommen.

Alles in allem bleibt für uns eigentlich nur zu hoffen, dass es irgendwann eine vernünftige gesetzliche Grundlage dafür geben wird, die die Möglichkeit der Pauschalierung von Unterkunfts- und Heizkosten auf eine gesicherte rechtliche Grundlage stellt. Denn wir sagen, in Kassel hat sich das in den meisten Fällen bewährt.

Meine Damen und Herren, insofern ist der vorliegende Antrag der LINKEN leider ein bisschen zu viel von Po

pulismus geprägt und zu wenig von Realität und Sachkunde.

Allerdings ist das nicht ganz neu.In Kassel erleben wir das im Moment leider öfter, lieber Kollege van Ooyen.

(Widerspruch des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Es ist so. – Diese Art der Diskussion – das möchte ich hier am Ende sagen – raubt uns schlichtweg die Zeit für unsere eigentliche Aufgabe, nämlich so viele betroffene Menschen wie möglich wieder in Arbeit zu bringen, gerade auch die Langzeitarbeitslosen, damit wir von diesen Transferleistungen wegkommen.

Das ist der Anspruch, den wir Sozialdemokraten an eine moderne Arbeitsmarktpolitik haben. Deswegen setzen wir uns auch für die Erhaltung der Jobcenter, für Mindestlohn und viele Dinge mehr ein. Ich glaube, mit diesen Kernelementen sollten wir uns auseinandersetzen, dann kommen wir viel weiter. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Schönen Dank, Herr Kollege Decker. Das war eine Punktlandung. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Schott gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident! Herr Decker, Sie haben gerade beschrieben, dass sich die Stadt Kassel große Mühe gegeben hat, einen Heizspiegel zu ermitteln, indem sie 3.000 Haushalte genau untersucht hat.Es ist aber doch wohl richtig,dass es sich hierbei um 3.000 Haushalte von Hilfebeziehern handelt? Das heißt, das ist kein repräsentativer Querschnitt, um festzustellen, was Heizen tatsächlich kostet. Wenn ich nur beispielsweise 100 c monatlich zum Heizen bekomme, dann kann ich auch nur für 100 c heizen, danach muss ich aufhören.

Das ist also ein bisschen am Ziel vorbeigeschossen.Sie haben etwas ganz anderes gemacht und dann gesagt: Wunderbar, ich habe es erfüllt.

(Zuruf von der CDU:Heizen die anders,oder wie?)

Schönen Dank. – Zur Antwort hat sich Herr Kollege Decker gemeldet.

(Clemens Reif (CDU): Herr Kollege, jetzt erklären Sie ihr das einmal!)

Frau Kollegin Schott, in aller Kürze: Das BSG-Urteil lässt ausdrücklich das zu, was die Stadt Kassel praktiziert hat. Sie können das jetzt drehen und wenden, wie Sie wollen.

Ich sage Ihnen,mit dieser Erhebung von diesen 3.000 Einheiten in Kassel sind wir hervorragend gefahren. Auch dort waren es wirkliche Punktlandungen.

Sie können jetzt noch ein paar Zahlenbeispiele anfügen. Dadurch werden Ihre Ausführungen nicht richtiger. Ich sage es noch einmal: Lesen Sie das Urteil durch. Darin ist

eindeutig geregelt, dass wir damit auf der guten Seite stehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Schönen Dank. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Bocklet das Wort. Bitte schön, Herr Bocklet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Abstimmung steht der Antrag der LINKEN zum Thema Rechtsbruch beim Arbeitslosengeld II. Ich werde mich bemühen, zur Sache zu reden.

Diese Sache besteht aus drei Punkten. Unter Punkt 2 geißeln Sie „die immer noch von einigen hessischen Landkreisen und kreisfreien Städten... betriebene rechtswidrige Praxis der Pauschalierung“ für ALG-II-Empfänger.

Wir haben beim Hessischen Landkreistag, beim Hessischen Städtetag und in den vermuteten verdächtigen Kommunen herumtelefoniert. Es gibt die eindeutige Erklärung, dass es beim Wohngeld und bei den Heizkosten keinerlei Pauschalierung im Lande Hessen gibt – außer bei der Stadt Kassel.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Fulda!)

Nein, Herr Willi van Ooyen, komm mal ans Pult und gib es zu Protokoll,dann sehen wir uns wieder.– Es gibt keine weitere Kommune und keinen weiteren Landkreis in Hessen – außer Kassel –, die beim Wohngeld und bei den Heizkosten pauschalieren. Punkt, Ende der Durchsage. Das sind offizielle Stellungnahmen, und deswegen glaube ich dem Hessischen Landkreistag mehr als dem Verdacht irgendeines Flurgerüchts.

Wenn man das weiß,dann ist Punkt 2 Ihres Antrags falsch.

(Clemens Reif (CDU): Genau!)

Das entspricht unseren Informationen: Pauschalierung in Hessen findet nur in Kassel statt.Willi,deswegen ist Punkt 2 falsch. Es tut mir leid, aber wenn ihr recherchiert, dann macht das richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)