Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

Doch, mit einem Viertel der Energie, mit einem Viertel des Aufwands. Das bedeutet den Faktor 4, um es umge

kehrt zu sagen. – Daher muss die Diskussion doch auch sein: Was machen wir mit Blick auf die Energie, die wir dort einsetzen? Man kann vieles chemisch umwandeln, aber dafür brauchen wir Energie. Darauf haben wir keine Antwort. Deshalb ist für uns, für die SPD-Fraktion, die Frage, inwieweit dort Arbeitsplätze gefährdet werden, die eine Angelegenheit. Die andere Frage ist nicht nur, was mit Werra und Weser passiert, sondern was mit unserer Umwelt insgesamt passiert.

Um die Genese darzustellen: Es gab im Jahre 2007 die Überlegung, zu sagen, Kali + Salz klärt das Problem vor Ort. – Das wäre möglich gewesen. Mit den Maßnahmen aus dem 360-Millionen-c-Paket kann die Menge der Abwässer um die Hälfte reduziert werden. Angesichts der Versenkungsspielräume, die man damals zu haben glaubte, hätte nicht ein einziges Gramm Salz zusätzlich in die Werra eingeleitet werden müssen.

Jetzt stellt sich die Situation anders dar. Offenkundig und zu Recht gilt der Grundwasserschutz momentan und perspektivisch mehr als der Schutz des Oberflächenwassers. Das heißt zwar nicht, dass die Oberflächengewässer Werra und Weser nicht entlastet werden sollen, aber eigentlich darf kein Abwasser mehr versenkt werden. Darüber herrscht weitgehend Konsens.

Daher muss man überlegen: Wohin mit den Salzabwässern? Dafür bietet sich im Moment die Nordsee an. Wir sind schon sehr früh Befürworter einer Nordsee-Pipeline gewesen. Wir wissen um die Probleme in Niedersachsen und glauben, dass das, was Sie, Herr Landau, gesagt haben, ein zutreffendes Argument ist, das vielleicht den einen oder anderen niedersächsischen Kollegen zum Umdenken bewegen wird. Es könnte nämlich sein, dass sich die anderen betroffenen Bundesländer darauf verständigen, zu sagen: Okay, wir lösen das Problem für uns, wir erfüllen die Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie.

Herr Kollege Warnecke, sind Sie so lieb?

Wenn die anderen die Vorgaben nicht erfüllen wollen, ist das deren Problem. – Für uns als Partei, die den blauen Himmel über der Ruhr verkündet hat und die Umwelt und Arbeitswelt schon immer in Einklang bringen wollte,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mal mehr, mal weniger!)

gilt: kein Widerspruch zwischen Arbeit und Umwelt. Glück auf.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Kollege Warnecke. – Das Wort hat Frau Abg. Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Interessant finde ich im Moment vor allem das, was nicht gesagt wird. Nicht gesagt wurde,warum wir – scheinbar plötzlich – die

ses Problem haben, als ob wir nicht seit vielen Jahren wüssten, dass es so nicht weitergehen kann. Da ist weggeschaut worden,da ist geleugnet worden,und dann ist noch ganz schnell ein Vertrag zwischen den Ländern Hessen und Thüringen sowie Kali + Salz gemacht worden – zu einem Zeitpunkt, als der Minister, der den unterzeichnet hat, nicht einmal mehr würde zurücktreten müssen, wenn er etwas nicht so Kluges gemacht haben sollte, weil er am nächsten Tag schon nicht mehr Minister war. Ich weiß nicht, wie es sich an einer solchen Stelle mit Haftungsfragen verhält.Das würde mich schon interessieren,denn der Vertrag bindet das Land Hessen und das Land Thüringen daran, dass Kali + Salz auf die Weise weiterarbeiten kann, wie es zurzeit der Fall ist. Was passiert eigentlich, wenn Kali + Salz definitiv so nicht weiterarbeiten kann? Wer trägt dann die Verantwortung und die Folgekosten? Darüber ist hier nicht gesprochen worden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist auch nicht darüber gesprochen worden, wer die Pipeline bezahlt.Die Signale von Kali + Salz,die wir in Hannover hören konnten, waren sehr eindeutig. Kali + Salz möchte eine Pipeline haben, aber das Unternehmen möchte sie nicht bezahlen.Wer, bitte schön, zahlt diese Pipeline? Ich kann nicht nachvollziehen, wie eine Pipeline gebaut werden soll, die niemand bezahlt. Worüber reden wir hier eigentlich? Über des Kaisers neue Kleider? Ich wüsste gerne, wer diese Pipeline bauen will. Dann können wir noch einmal überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt – –

(Florian Rentsch (FDP): Ein Thema, über das noch nie diskutiert worden ist!)

Wer will sie denn bauen? Sie, Herr Rentsch? Wer wird sie bezahlten? Wir, das Land, die Steuerzahler? Erklären Sie mir bitte, wer diese Pipeline bauen will. Es gibt Menschen, die aus Umweltgründen eine Pipeline fordern und der Meinung sind, dies sei eine sinnvolle Lösung. Ich habe noch nicht gehört, dass irgendjemand gesagt hat: Jawohl, ich baue diese Pipeline.

(Beifall bei der LINKEN – Sigrid Erfurth (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Der Verursacher, ganz einfach!)

Wir reden hier also über ungelegte Eier. Wir reden über etwas, was es de facto vermutlich nicht geben wird, weil es niemand bezahlen wird – außer, Herr Rentsch, Sie erklären hier, dass Sie mit Ihrem Koalitionspartner längst ausgehandelt haben, dass im nächsten hessischen Landeshaushalt ein Ansatz für die Übernahme eines Kostenanteils für den Bau dieser Pipeline steht. Das wäre eine interessante Information. Die sollten Sie dann heute auf den Tisch legen. Da kommt aber nichts. Da kommt lediglich, dass Sie sich wegdrehen, dass Sie nicht zuhören, dass Sie dazwischenreden. Herr Rentsch, geben Sie mir eine Antwort.

(Lachen bei der FDP – Florian Rentsch (FDP): Die ganz normale Zeitungslektüre gibt Ihnen die Antwort!)

Gelächter ist auch eine Antwort. – Bleiben wir also dabei:Es soll eine Pipeline geben,die niemand bezahlt. Bleiben wir dabei,diese Pipeline soll Arbeitsplätze retten – als ob wir nicht alle wüssten, dass die Arbeitsplätze dann gerettet wären, wenn wir eine Produktionsweise fänden, die mehr von dem, was abgebaut wird, sinnvoll nutzt, statt einen erheblichen Teil wertvollen Rohstoffs ins Meer zu spülen, wie es derzeit geschieht und was nach den Planungen auch weiterhin geschehen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage ist: Was passiert mit den Haldenabwässern? Was passiert überhaupt mit den Halden? Marschieren auch die langsam, aber sicher durch diese Pipeline ins Meer? Sieht so die Planung aus? Ich weiß es nicht. Ich finde es eine überaus beängstigende Vorstellung, dass die Kali-Haldenberge nach dem Ende der Produktion über die folgenden Jahre sukzessive ins Meer gespült werden.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Das kann ich mir vorstellen, aber ich fände es sinnvoll, herauszufinden, ob diese beängstigende Vorstellung irgendetwas mit den Ängsten der Menschen in unserem Land zu tun hat. Ich glaube, das ist nicht der Fall. Ich glaube eher, dass Ihre Angst dahin geht, die Gewinne der Firma Kali + Salz könnten nicht mehr ganz so hoch ausfallen wie jetzt.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Die haben sich umbenannt!)

Die benamen sich öfter mal um; dann kann man im Nachhinein nicht mehr feststellen, wer es eigentlich gewesen ist und wer zu haften hat. An der Stelle kommen wir genau dahin, wo wir auch bei der Asse sind: Keiner ist es gewesen, keiner ist haftbar zu machen, und folglich gehen die Kosten wieder zulasten der Allgemeinheit. Genau diese Situation werden wir auch hier haben.

Wir wissen überhaupt nicht, ob eine Einleitung in die Nordsee,ob über die Weser oder über einen anderen Weg, durch das EU-Recht überhaupt abgesichert wäre. Ich habe erhebliche Zweifel, dass das so wäre. Auch das ist nicht geklärt.Wenn Sie jetzt von Niedersachsen erwarten, dass die mit uns an einem Strang ziehen, dann wundere ich mich schon, warum man Niedersachsen nicht im Vorfeld intensiver einbezogen hat, als es um den Vertrag zwischen Kali + Salz, dem Land Hessen und dem Land Thüringen ging. Jetzt sollen die Niedersachsen das ausbaden, was hier beschlossen worden ist.

Frau Kollegin Schott, Sie kommen bitte zum Ende.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ich kann gut verstehen, dass die daran kein Interesse haben.

(Florian Rentsch (FDP): Leute, ich würde von euch gerne einen Vorschlag hören!)

Ich denke, wir sollten das ernst nehmen, was da beschlossen worden ist, und wir sollten sehr ernsthaft hinschauen, wie man gemeinsam zu Lösungen kommen könnte,die sowohl der Umwelt als auch den Menschen dienen und die die Arbeitsplätze erhalten. Das ist in der Tat ein wichtiger Auftrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. – Frau Kollegin Erfurth, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, dass wir an diesem Punkt – anders als beim ersten Tagesordnungspunkt – eine große Einigkeit im Hessischen Landtag haben. Mit Ausnahme der Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei haben wir gemeinsam an einem Antrag gearbeitet, der dazu führen soll,die Probleme der Versalzung von Werra und Weser zu lösen und zu einem umweltverträglichen Ende zu führen. Dabei geht es nicht darum, dass irgendjemand für irgendetwas die Urheberschaft trägt, sondern wir haben 2007 in einem sehr intensiven Prozess das erarbeitet, was in dem gemeinsamen Beschluss steht. Ich bin froh, dass wir alle noch hinter dem Beschluss stehen und dass wir so weit gekommen sind in dem Bemühen, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Wir mussten am Ende erkennen, dass man am langen Ende wahrscheinlich nicht darum herumkommen wird, eine Pipeline zur Nordsee zu bauen – trotz aller Anstrengungen, die man unternehmen muss, um die Rückstände der Kali-Industrie umweltverträglich zu entsorgen.Das ist eine Erkenntnis, die besonders uns GRÜNEN nicht leichtfällt; denn es klingt zunächst einmal schön, wenn behauptet wird, es gebe eine rückstandsfreie Kaliproduktion.Dann fällt kein flüssiger Abfall mehr an,und man hat auch kein Laugenproblem. Das klingt schön, und es wäre gut, wenn es das gäbe.Wir mussten in den Beratungen, die auch mit Fachleuten geführt worden sind, aber zur Kenntnis nehmen, dass das zwar sehr schön klingt, sich mit dem derzeitigen Stand der Technik aber leider nicht umsetzen lässt.

Man muss die Realität zur Kenntnis nehmen und sich fragen: Was machen wir am Ende mit nicht vermeidbaren Abwässern? Darum geht es.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich will im Moment nur diese Frage beleuchten. K+S hat darauf eine sehr einfache Antwort. Die sagen: Wir verpressen weiter in den Untergrund, und den Rest leiten wir, wie bisher, in die Werra ein. – Sie haben jetzt für die Verpressung ein neues Verfahren eingeführt, von dem niemand so richtig weiß, ob es funktionieren wird.

Ich meine, es wird nicht funktionieren, und ich bin froh, dass die Hessische Landesregierung im Augenblick noch die Auffassung vertritt: So geht es nicht. – Wir wollen nicht, dass die Versenkung fortgesetzt wird, und wir wollen auch nicht, dass die Werra und in der Folge die Weser weiterhin mit Salzabwässern belastet werden. Wir alle wissen nämlich, die Versenkung hat dazu geführt, dass wir unkontrollierte Laugenaustritte an der Oberfläche haben, dass Trinkwasserbrunnen gefährdet sind und dass die verpressten Gewässer letztendlich doch irgendwie in die Werra gelangen, sodass wir auch auf diesem Wege Einleitungen haben.

Wir wissen also,am Ende kommt das Salz irgendwie in die Werra. Es ist nur die Frage: Wie kommt das Salz in die Werra, in die Weser und in die Nordsee? Am Ende landet das Salz nämlich in der Nordsee.

Die Frage ist nur:Wie kommt es dahin? Kommt es dahin, weil wir auch noch Süßwasserflüsse auf einer Länge von 450 Flusskilometern mit versalzen, indem wir Werra und Weser als Pipeline nutzen und dafür sorgen, dass das Salz

letztendlich über diesen „natürlichen Kanal“ in der Nordsee landet? Ich denke, an dem Punkt tragen wir eine Verantwortung für die Umwelt und müssen dafür sorgen,dass Süßwasserflüsse auch Süßwasserflüsse bleiben oder wieder werden können. Wir müssen diese Süßwasserflüsse auf einer Länge von 450 Flusskilometern schützen, und das geht nach meiner Überzeugung im derzeitigen Stadium nur, wenn wir uns das Lösungsmodell Nordseepipeline nicht verbauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vor diesem Hintergrund, und weil wir wissen, dass Gewässerschutz nur länderübergreifend möglich ist, haben sich die GRÜNEN in allen fünf Anrainerländern sehr früh zusammengetan und gesagt: Wir müssen hier zusammenarbeiten; wir können das nur gemeinsam lösen. – Wir würden uns sehr freuen,wenn andere Parteien das genauso angingen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Niedersachsen hat ein Antrag der SPD dazu geführt, dass letztendlich der FDP-Umweltminister und die gesamte Regierungskoalition aus CDU und FDP beschlossen haben:Wir wollen keine Pipeline.– Ich glaube,wir alle sind in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Gespräche hier wieder aufgenommen und dass die Irritationen,die es gibt, ausgeräumt werden.

Meine Damen und Herren, daher appelliere ich am Ende an Sie: Nutzen Sie Ihre Kontakte, reden Sie mit Ihren Parteikolleginnen und -kollegen, insbesondere in Niedersachsen.