Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

In der vergangenen Woche hat der niedersächsische Landtag einen Beschluss gefasst, in dem er festgelegt hat, dass die sogenannte Salzpipeline zur Einleitung der Salze des Kaliabbaus in Neuhof nicht gebaut werden soll, aus verschiedensten Gründen.Wer sich die Unterlagen zu der Debatte der niedersächsischen Kollegen anschaut, wird feststellen, dass es dort auch eine fast parteiübergreifende Einigkeit bei der Frage gab, dass man nicht mit uns Hessen und mit anderen Kollegen kooperieren möchte.

Ich habe Verständnis für die Kollegen in Niedersachsen, weil das Thema verschiedene Problemlagen beinhaltet: auf der einen Seite die rechtliche Frage, ob man so etwas überhaupt realisieren kann,bis hin dazu,dass es bei vielen Menschen Ängste auslöst, dass diese Salzpipeline nach Niedersachsen geführt werden soll. Diese Argumente wurden in der Debatte abgewogen.

Aber ich sage hier auch ganz offen: Ich bin schon enttäuscht, dass die Ergebnisse des Runden Tisches – der damals von Heinrich Heidel initiiert und von allen getragen wurde und den wir im Hessischen Landtag am 02.07.2007 gemeinsam beantragt haben – und die vielen guten Gespräche und Versuche der Vermittlung mit der Entscheidung des niedersächsischen Landtags vom Tisch gewischt worden sind. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das akzeptieren wir nicht. Der Runde Tisch ist ein Thema, das nicht nur die Parteien in Hessen betrifft.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Lothar Quanz (SPD): Herr Rentsch, haben Sie einmal mit dem FDP-Minister telefoniert?)

Herr Kollege, ich komme noch dazu. Ich bin bei solchen Themen auch selbstkritisch. Wir kritisieren nicht nur die SPD, sondern, wenn es sein muss, auch eigene Leute.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Dieses Thema eint die Parteien in Niedersachsen. Ich habe es gesagt: Das ist die Sichtweise, dass man das Gefühl hat, das ist ein Problem, mit dem die niedersächsischen Kollegen nichts zu tun haben. Das will ich an dieser Stelle klar feststellen: Meine Damen und Herren, das ist eindeutig falsch.

(Beifall des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Die niedersächsischen Kollegen haben ebenso die Problematik, dass sie an verschiedenen Stellen eine Salzeinleitung vornehmen müssen. Die Firma Kali + Salz hat auch in Niedersachsen eine Menge Arbeitsplätze, die mit einer solchen Entscheidung gefährdet wären, wenn wir an dieser Stelle nicht weiterkommen. Auch das können wir gemeinsam nicht akzeptieren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb richten sich meine Kritik und meine Bitte an alle Parteien, die im niedersächsischen Landtag vertreten

sind. Wir wollen, dass der Gesprächsfaden wieder aufgenommen wird.Wir wollen, dass die Arbeit des Runden Tisches, die am 18. März 2008 begonnen hat – der Versuch, für diese große Problematik, für die vielen Tausend Arbeitsplätze gerade in unserer nordosthessischen Region, eine Lösung zu finden –, fortgesetzt wird.Wir geben auch nach dieser Entscheidung nicht auf, sondern wir sagen – ich glaube, dass eint uns an diesem Tag –, dass wir versuchen werden, aus Hessen heraus die Gespräche fortzusetzen und zu einem guten Ergebnis zu bringen.

Meine Damen und Herren, deshalb will ich noch einmal für uns sagen: Das ist kein Thema, das bei einer Partei abgeladen werden kann. Dort stehen die Interessen Hessens vermeintlich gegen die Interessen Niedersachsens.

(Zuruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich glaube aber, dass, wenn die niedersächsischen Kollegen noch einmal ruhig über die Sache nachdenken, sie zu dem Ergebnis kommen, dass sie eigentlich die gleiche Interessenlage haben wie wir.Wir müssen in den nächsten Wochen erreichen, dass dieses Verständnis vorhanden ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist für uns klar, dass, wenn eine Pipeline nicht gebaut werden kann, wir keine Möglichkeit haben werden, um den Abbau in Neuhof weiter zu realisieren. Das ist das Problem.

Kollege Rentsch, Sie müssen zum Schluss kommen.

Danke, Herr Präsident. Letzter Satz. – Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, dass wir gemeinsam daran arbeiten, dass jeder mit seinen Parteifreunden, möglicherweise in Niedersachsen, Gespräche führt, dass wir bei diesem Thema weiterkommen, dass wir es schaffen, dass Kali + Salz als wichtiges Wirtschaftsunternehmen in unserem Bundesland eine Zukunft hat. Gerade für unsere nordhessische Region sollten wir da gemeinsam an einem Strang ziehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU sowie des Abg. Manfred Görig (SPD))

Vielen Dank, Kollege Rentsch. – Das Wort hat der Abg. Dirk Landau, CDU-Fraktion.

Guten Morgen, Herr Präsident, einen sehr schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zurufe von der CDU und der SPD: Guten Mor- gen!)

Diese Aktuelle Stunde wurde, wenn man es genau betrachtet, im Grunde genommen in Hannover beantragt. Unsere dortigen Kolleginnen und Kollegen haben diese Aktuelle Stunde mit ihrem Abstimmungsverhalten in der vergangen Woche nötig gemacht.

Im Landtag von Hannover hat man mit der Ablehnung einer Nordseepipeline zur Entsorgung der bei K+S anfallenden Salzlauge eine Mehrheit gefunden. Ansonsten steht man mit dieser Entscheidung ziemlich alleine. Dies hat sich bereits vorher bei einer Probeabstimmung am Runden Tisch gezeigt. Die Ablehnung der Nordseepipeline fand außer durch Niedersachsen lediglich Unterstützung durch das betroffene Unternehmen und durch den niedersächsischen Fischereiverband, aber hier witzigerweise nur durch die Abteilung Salzwasserfische.

Vielmehr wird durch das Votum des niedersächsischen Landtags ein auch für die Nachbergbauphase nutzbarer und mit Zustimmung – das ist keine Selbstverständlichkeit – aller beteiligten Naturschutzverbände versehener Entsorgungsweg erst einmal ins Abseits gestellt. Allerdings hat der Thüringer Umweltminister in einer Stellungnahme deutlich gemacht, dass in Sachen Nordseepipeline nicht das letzte Wort gesprochen sein darf.

Inwieweit aber die Definition und das Festhalten eines übergeordneten Interesses einen Landtagsbeschluss zurückholen können, ist mehr als fraglich. Wir als CDU im Hessischen Landtag bedauern die Entscheidung in Niedersachsen sehr,und wir halten sie für falsch,nicht nur aus hessischer, sondern auch aus niedersächsischer Sicht.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Denn diese Entscheidung könnte bedeuten, dass Werra und Weser auf Dauer das Los des Abwasserkanals bliebe. Dies wäre auch dann der Fall, wenn sich Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen als Befürworter der Nordseepipeline auf eine kleine, nur auf das Gebiet dieser drei Bundesländer beschränkte Pipelinelösung mit einem Einleitepunkt im Nordosten von NRW verständigten. Damit würden ausschließlich die Werra und ein Teilabschnitt des Oberlaufs der Weser eine Entlastung erfahren. Dies kann nicht im Interesse Niedersachsens liegen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die in Hannover gestellte Forderung nach dem Einsatz der besten verfügbaren Technik zur Lösung des Laugenproblems ist gut gemeint. Sonderlich beeindruckt ist man allerdings beim Adressaten K+S nicht davon. Dort verweist man auf das 360 Millionen c teure Maßnahmenkonzept mit der sogenannten Neuen Integrierten Salzabwassersteuerung, kurz NIS, als einem Bestandteil. Ohnehin angestrebte Optimierungen der Produktionsabläufe verkauft man unternehmenseitig der Öffentlichkeit und auch uns, der Politik, als reine Umweltschutzmaßnahmen.

Zudem gelten Bestandteile des Maßnahmenkonzeptes als nicht genehmigungsfähig. Alleine die in der NIS vorgesehene Umwandlung der bloßen Versenkung von Salzabwässern in eine Bewirtschaftung des Versenkvolumens im Plattendolomit wird nicht nur vom HLUG als höchst bedenklich eingestuft.

Es ist aus der Erfahrung der Vergangenheit heraus schlicht unmöglich, die Folgen einer in der Quantität gleich bleibenden Nutzung des Untergrundes bei Veränderung der Qualität abzuschätzen. Der kritische Punkt einer wie auch immer gestalteten fortgesetzten Versenkung ist die damit einhergehende dauernde hydrogeologische Beunruhigung.

Die niedersächsische Entscheidung ignoriert das vom Runden Tisch nach Anhörungen und intensiver Recherche festgestellt Ergebnis, wonach es derzeit und auch in

absehbarer Zeit weltweit keine technischen Verfahren gibt, die helfen könnten, die Produktions- und Haldenabwässer signifikant oder gar gegen null zu verringern.

Fazit hieraus war – nicht nur für den Runden Tisch, sondern auch für die CDU –: Einzig mit der Idee einer Nordseepipeline lassen sich die Zwänge aus dem Auslaufen von Grenzwerten, der unumgänglichen Beendigung der Versenkung alten Stils sowie der Einhaltung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie einhalten und somit mögliche umweltrechtliche Gefährdungspotenziale für die Produktionsstandorte vermeiden.

Die Haltung Niedersachsens wird noch unverständlicher, wenn man folgende Sachverhalte mit betrachtet. Erstens. Nach einem Artikel der „HNA“ bestehen im Nachbarbundesland Genehmigungen zur Einleitung von 1,4 Millionen m3 Salzabwässern im Jahr. Sie rühren überwiegend von Kavernenausspülungen in Salzstöcken her, mit denen Speicherräume für die Erdgasreserven der Bundesrepublik geschaffen werden sollen. Bei fünf in Bau und zehn in der Planung befindlichen Kavernen ließe sich ohne Frage einiges über die Nordseepipeline mit entsorgen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Herr Kollege Landau, Sie müssen zum Schluss kommen.

Mein letzter Satz; dann bin ich wenigstens beim zweiten Punkt. – In Niedersachsen wird eine Pipeline zur Abführung von entsprechenden Salzabwässern aus dem Naturschutzgebiet Rheiderland nach Rysum an der Außenems geplant. Ganz offensichtlich werden hier im Verfahren vom Land Niedersachsen vor allem bezüglich der Auswirkungen auf die Umwelt andere Maßstäbe angelegt als bei den Überlegungen zur Nordseepipeline.

Meine Damen und Herren, letzter Satz, ich muss hier abkürzen. Nicht die Nordseepipeline gefährdet das Kalirevier, sondern ein nicht zu Ende gedachtes Konzept, das vieles im Unbestimmten lässt. Insofern muss alles darangesetzt werden – Herr Rentsch hat es vorgetragen –, dass der Gesprächsfaden mit Niedersachsen aufgenommen und intensiviert wird, um möglicherweise eine andere Entscheidung herbeizuführen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Landau. – Das Wort hat Herr Abg.Warnecke von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das eigentliche Problem ist der Zeitpunkt und wieder einmal der Zeitpunkt. Wie kann der niedersächsische Landtag eine Entscheidung zu einem Zeitpunkt treffen, an dem der Runde Tisch sein Ergebnis noch nicht vorgelegt hat? Das geht als Kritik an alle Parteien, die diesen Beschluss gefasst haben.

Der niedersächsische Landtag meint offenkundig, schlauer zu sein als diejenigen, die am Runden Tisch noch nicht einmal das endgültige Ergebnis vorgelegt haben. Daraus resultiert wieder einmal – wir haben das im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren zum Frankfurter Flughafen bereits diskutiert –, dass das, was die Politik zur Verlagerung von Entscheidungen macht, von der Politik wieder eingeholt wird.

Jetzt zum Inhalt. Herr Rentsch, in einem Punkt müssen wir Sie korrigieren. Die Pipeline von Neuhof in das Werratal hat überhaupt nichts mit der Diskussion der Nordseepipeline zu tun. Deshalb ist auch die Frage, was wir dort genehmigen und was wir dort nicht genehmigen, irrelevant.Die Pipeline zwischen Neuhof und dem Werratal ist zwangsläufig notwendig, weil die ansonsten erfolgenden Transporte per Lkw oder per Bahn jedenfalls aus unserer Sicht ökologisch nicht zu verantworten sind.

Die zweite Frage, die im Landtagsbeschluss 2007 angesprochen wurde, betraf die Entsorgung und die Entsorgungstechnologien. Eine der Entsorgungstechnologien kann die Pipeline sein. Ich wundere mich übrigens wie meine Fraktion auch, wieso die beste verfügbare Technik keine Pipeline sein kann. Woher haben die niedersächsischen Abgeordneten, möglicherweise auch die Landesregierung, die Einschätzung gewonnen, eine Pipeline sei nicht die beste verfügbare Technik?

Wir haben uns in der Zwischenzeit mit Vorschlägen beschäftigen müssen, z. B. wie man die Bundeswasserstraße Weser – zum Teil auch Werra; denn sie ist ab dem Ort Falken bei Treffurt in Thüringen eine Bundeswasserstraße – möglicherweise ausbauen könnte, um die Salzmengen an die Nordsee zu transportieren. Wie kann man möglicherweise die Deutsche Bahn AG mit zusätzlichen Zügen in gigantischer Größenordnung an die Nordsee fahren lassen, um dort dieses Salz irgendwie verklappen zu lassen? Da leuchtet doch jedem ein, dass die Pipeline die beste verfügbare Technologie ist.

In dem Zusammenhang gibt es auch Argumente, die parteiunabhängig in der Diskussion waren und die – ich darf das als Wahlkreisabgeordneter sagen – manchmal an Absurdität nicht zu überbieten waren. Kali + Salz hat, um 60 Millionen m3 Gas zu sparen, ein Sekundärbrennstoffheizkraftwerk auf dem Gelände des Standortes Wintershall bauen lassen. 60 Millionen m3, damit könnten 40.000 bis 50.000 Einwohner ihren Wärme- und Warmwasserbedarf abdecken. Und dann diskutiert man, dass eine Eindampfungsanlage gemacht werden könnte. Je nachdem, wen Sie da fragen, bekommen Sie die Auskunft, dafür braucht man 300 bis 700 MW Dauerleistung. Das entspricht dem Verbrauchswert von 280.000 Einwohnern.

Gleichzeitig diskutieren wir darüber, dass wir die CO2Mengen reduzieren wollen.Vorhin ist das im Zusammenhang mit dem Thema Energieversorgung in Hessen angesprochen worden. Das heißt, es findet nicht nur eine Abwägung bei der Frage statt, was wir mit Werra und Weser machen, was Kali+Salz macht, sondern es findet eine Abwägung mit anderen Parametern des Umweltschutzes statt, z. B. der CO2-Reduktion. Ich erinnere an das Stichwort Faktor 4. Es gab einmal in der großen Diskussion den Vorschlag,dass wir dieselben Mengen mit einem Viertel der Energie produzieren sollen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)