(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Haben Sie zugehört, was wir gesagt haben?)
Frau Kollegin Cárdenas, ich kann es mir auch nicht ersparen, zu sagen, dass die Linkspartei auch viel weiter ist als das, was Sie gesagt haben. Vielleicht war das der Grund für den Applaus des Fraktionsvorsitzenden. Frau Kollegin Cárdenas, überall, wo Sie mitregieren – in Berlin und in Brandenburg –, machen Sie es genauso, wie wir es vorgeschlagen haben, nämlich nicht mit Zwängen, nicht mit Bevormundung, sondern Sie setzen auf Freiwilligkeit. Ich weiß nicht, warum Sie hier aus der Opposition heraus die ideologisch reine Lehre vertreten wollen und müssen. Den Schulen in Hessen tut es mit Sicherheit nicht gut. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Wagner. – Frau Kollegin Cárdenas, Sie haben Gelegenheit zur Antwort. Dafür ebenfalls zwei Minuten Zeit.
Herr Wagner, danke schön für die Gelegenheit, etwas klarzustellen. Ich denke, die Gräben vertiefen hier andere, nicht wir. Wir haben aber eine klare Orientierung. Diese klare Orientierung haben wir auch in den Ländern, wo wir mitregieren. Das Ziel ist nämlich eine Gemeinschaftsschule bis zur 10. Klasse. In dieser Schule soll auch das Abitur abgelegt werden können. Wir wollen neben dieser Gemeinschaftsschule kein Gymnasium, kein Turboabitur. Das ist eine ganz entscheidende Frage.
Wir kritisieren, dass Sie in Fragen der Inklusion den Elternwillen so hochhalten. Sie werden das gegliederte Schulsystem inklusive der Förderschulen damit nicht ad absurdum führen können, sondern Sie werden diese ganzen Sachen beibehalten. Dann werden Sie vielleicht eine schöne neue Schule finden, in der man gemeinsam lernen kann. Aber Sie werden weiterhin die von der Wirtschaft und auch von den Eltern favorisierte Schule – weil sie genau wissen, dass die Chancen für einen weiter gehenden Abschluss und eine Übernahme in gute Positionen besser aussehen – Gymnasium mit G-8-Abitur erhalten. Das ist das, wogegen wir uns wenden. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wagner, ich glaube, die letzte Wortmeldung hat deutlich gemacht, dass Sie doch vielleicht das eine oder andere an Ihrem Konzept noch einmal überarbeiten sollten; denn offensichtlich kommt es dazu, dass es ein wenig missverstanden wird, wie wir gerade gehört haben.
Jedenfalls ist das nicht das, was wir als FDP-Fraktion wollen. Wir sprechen uns für den Erhalt der Schulvielfalt in Hessen aus, für ein breites Angebot an Schulformen und eine optimale Gewährleistung der Wahlfreiheit der Eltern für das jeweilige Angebot, das für ihr Kind am besten ist.
Wenn eines, was von der Opposition gesagt worden ist, richtig ist, dann das: Man darf dabei nicht verharren. Man muss Entwicklungen, die sich eben aufgrund äußerer Zwänge ergeben, wie z. B. aufgrund des demografischen Wandels, die wir nicht aufhalten und umkehren können, in das hessische Schulsystem einbeziehen. Man muss es fortentwickeln. Das ist ein ständiger Prozess, ein kontinuierlicher Prozess, aber mit Sicherheit kein zwanghaftes Überstülpen, wie das einige Konzepte der Opposition vorsehen.
Für uns gehört die Schulvielfalt zu einem unserer wesentlichen Paradigmen in der Schulpolitik. Wir wollen eine Vielfalt aus privaten und auch aus staatlichen Angeboten, damit jedes Kind gemäß seiner Begabung optimal gefördert werden kann. Deswegen bin ich auch Frau Kultusministerin Henzler sehr dankbar, dass sie in dieser Woche das Konzept der neuen Mittelstufenschule vorgestellt hat. Es ist schon richtig gesagt worden: ein Eingang, zwei Ausgänge, ein Konzept
Ich kann Ihnen sagen,warum es keine drei Ausgänge sind. Sie müssen mir das vielleicht noch einmal erklären: Wo liegt eigentlich der Unterschied Ihrer verkappten neuen oder Einheitsschule zu der integrierten Gesamtschule, die es jetzt schon gibt?
Es hat drei Ausgänge und einen Eingang. Herr Wagner, wir brauchen nichts neu zu entwickeln, was es eigentlich schon gibt. Das Konzept, das wir vorgelegt haben – die neue Mittelstufenschule –, wo jeder Schüler und jede Schülerin entsprechend ihrer Stärke individuell gefördert werden, egal, ob dies im getrennten oder im gemeinsamen Unterricht passiert – es ist ausgeführt worden, was es für
Möglichkeiten gibt, gibt es in Hessen für Haupt- und Realschulen nicht. Deswegen haben wir es jetzt vorgelegt.
Es ist ein offenes Konzept, ein durchlässiges Konzept. Wenn ich das so sagen darf: Wir werden mit diesem Konzept – auch Beratung des Einzelnen, eine Kompetenzfeststellung ist enthalten – völlig neu denken, was Schule angeht.
Ich möchte betonen, für uns ist die Freiwilligkeit dieses Konzeptes einer der entscheidenden Punkte. Deswegen ist es mir auch absolut unverständlich, warum z. B. die GRÜNEN in ihrem Antrag schreiben, wir wollten den Eltern etwas überstülpen, oder wir würden die Elternwahlfreiheit einschränken. Für uns ist es ganz klar:Alle Schulformen in Hessen müssen zueinander durchlässig sein; ein Wechsel muss jederzeit möglich sein.
Es wurde auch die Frage der Berufsorientierung angesprochen. Die Berufsorientierung ist ein zentraler Punkt. Wir brauchen eine stärkere Berufsorientierung – natürlich auch für Gymnasiasten, Herr Wagner, völlig richtig, aber gerade auch im Bereich der Haupt- und Realschüler. Wir wollen nicht, dass immer mehr junge Menschen in Deutschland auf die Frage, was sie nach der Schule machen möchten, antworten: Ich möchte Hartzer oder Hartz-IV-Empfänger werden. – Deswegen eine viel stärkere Berufsorientierung, weil diese Menschen nicht wissen, wie sie nach der Schule weitermachen sollen.
Ich muss sagen,die Front bröckelt links von mir ein wenig. Sie bröckelt ein wenig – wir haben es vorhin schon gemerkt. Ich muss aber auch ausdrücklich einmal die SPD loben.Vielleicht ist es keine Absicht,aber ich habe auch in Ihrem Antrag sehr viele Punkte entdecken können,wo ich im ersten Moment gedacht habe: Ja, die sind richtig.
Pädagogik weiterentwickeln, Kinder individuell fördern, möglichst beste individuelle Förderung zu den erfolgreichen Bildungsabschlüssen – das ist völlig richtig. Ich sage auch, es ist richtig, dass Sie sich nach anderen Bundesländern umschauen. Ich bin ein überzeugter Bildungsföderalist.Ich möchte,dass wir über den Bildungsföderalismus – –
Ich möchte, dass wir über den Bildungsföderalismus zu einem Wettbewerb der Bildungssysteme kommen. Ich möchte, dass Hessen das beste dieser Bildungssysteme hat. Deswegen sage ich zu Ihnen: Sie schauen auf die Falschen. Sie sprechen über Hessen, Baden-Württemberg und Bayern relativ abwertend. Warum so abwertend?
Schauen Sie vielleicht auch einmal auf Bremen. Bremen ist das Bundesland, das als eines der wenigen oder als einziges der Republik schon immer sozialdemokratisch regiert wird. Jetzt müsste man meinen, es sei ein bildungspolitisches Wunderland.Aber in keinem anderen Bundesland ist die soziale Herkunft so entscheidend für den beruflichen Erfolg der Schülerinnen und Schüler.
Das würde mir an der Stelle der SPD doch sehr zu denken geben. Das Beispiel Hamburg brauche ich in diesem Zusammenhang nicht weiter zu erwähnen.
Es ist ein Erkenntnisprozess, der langsam aber sicher in der SPD ankommt. Frau Habermann, Sie haben recht gehabt. Es gibt weder ein Einheitsschul-Gen noch ein SPDGen.Es gibt aber einen Erkenntnisprozess,den sollten Sie sich für Ihre Schulpolitik auf die Fahnen schreiben.
Jetzt möchte ich doch noch auf Hamburg kommen. Die Kollegen der Union werden es mir nachsehen. Herr Wagner, es ist ein Beispiel, wo sich für mich die ganze Scheinheiligkeit der grünen Schulpolitik wieder offenbart.
Sie sagen, Sie wollten nichts überstülpen, Sie wollten den freien Elternwillen. Gleichzeitig verweisen Sie immer wieder auf Hamburg, wo in eklatantester Art und Weise der Elternwille missachtet worden ist,
wo wir geradezu Demonstrationsbewegungen auf der Straße haben. Herr Wagner, ich kann nur sagen: Das will ich für Hessen nicht. Wenn Sie das in Hessen auch haben wollen, dann werden wir nie auf einen Nenner kommen.