Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

Sie schreiben in Ihrem Antrag zum Beispiel, Block 6 würde sich bei der geplanten Konzeption nicht dafür eignen, kurzfristig auf Stromschwankungen zu reagieren, die durch regenerative Energien erzeugt werden. Die Techniker sagen genau das Gegenteil. Sie leben in einer Welt, die so nicht existiert, und diese wollen Sie vom Landtag beschlossen haben. Das werden wir nicht mitmachen; das lehnen wir ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Bau von Block 6 des Kraftwerks Staudinger bedeutet eine

schwere Belastung für die Umwelt und für die Gesundheit der Menschen in der umliegenden Region. Es ist zu erwarten, dass der CO2-Ausstoß des Kraftwerks durch den Neubau von 5 auf 9 Millionen t pro Jahr ansteigt. Das entspricht dem Ausstoß aller in Hessen zugelassenen Pkw, und das durch einen einzigen Kraftwerksblock an einem einzigen Standort. Das ist nicht hinnehmbar.

Der geplante Neubau konterkariert die von der Landesregierung verkündete Umorientierung zu Nachhaltigkeit und einer modernen, die Ressourcen schonenden Energiepolitik. Angesichts der dramatischen Entwicklung des weltweiten Klimas ist eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien notwendig und muss schnellstmöglich angegangen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Hierzu liegen von verschiedenen Instituten und unabhängigen Wissenschaftlern Machbarkeitsstudien vor; und es ist unaufrichtig, zu behaupten, dass ein vollständiger Umstieg technisch nicht machbar sei.

Das Schreckensszenario, dass in Hessen oder gar in ganz Deutschland die Lichter ausgehen könnten, ist eine reine Marketingpropaganda der vier großen Energiekonzerne, die von Atom und Kohle reichlich profitieren. In den letzten Jahren stiegen die Strompreise in Höhen, die sowohl von der EU-Kommission als auch von der Bundesregierung für volkswirtschaftlich bedenklich gehalten wurden.

Block 6 wird nicht gebraucht. Die Stromversorgung in Hessen kann auch jetzt problemlos sichergestellt werden. Dieses unnötige, teure und für Klima und Gesundheit schwer schädliche Projekt wird trotzdem weiterverfolgt, weil es in die Expansionspläne von E.ON passt und weil E.ON in der Politik wohlwollende Freunde hat.

(Peter Beuth (CDU): So ein Quatsch! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sie sind doch auch einer!)

Nicht anders als mit diesem politischen Geleitschutz ist zu erklären, warum sich dieses Unternehmen gegen den erklärten Willen von 30.000 Menschen durchsetzen kann, die gegen die Verschandelung ihrer Region unterschrieben haben.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Es passt zur Arroganz des Unternehmens,dass es nun Folgeabschätzungsstudien eingereicht hat, die unvollständig und oberflächlich verfasst sind. Selbst diese Unterlagen will der Konzern der Öffentlichkeit nicht vollständig vorlegen. Das ist ein Ausdruck der Geringschätzung der Betroffenen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Hessische Landtag hat die Aufgabe, die berechtigten Anliegen und Sorgen der betroffenen Menschen ernst zu nehmen und den Betreibern gegenüber deutlich zu machen. Andernfalls lässt man die Menschen in den betroffenen Regionen mit ihren Sorgen vor schweren gesundheitlichen Belastungen allein – mit leeren Versprechungen, damit Arbeitsplätze zu sichern. Es kann nicht sein, dass sich der Landtag so verhält.

Die Position der LINKEN ist klar.Wir stehen an der Seite der Bürgerinitiative. Wir wollen den Stopp des Baus von Block 6, und wir wollen eine deutliche Verringerung des CO2-Ausstoßes des Kraftwerks Staudinger. Der von E.ON geplante Block 6 würde über Jahrzehnte – die ge

plante Laufzeit beträgt ja 40 Jahre – eine veraltete, kontraproduktive Kraftwerkstechnologie zementieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie der Hessische Landtag bereits beschlossen hat, muss eine Gesamtbelastungsstudie zur Umweltbelastung im Großraum Rhein-Main erstellt werden. Wir haben dies schon beschlossen. Ich weiß nicht, ob diese Studie in Angriff genommen wurde und wann sie vorgelegt wird. Wir brauchen für alle Neu- und Ausbauvorhaben in der Rhein-Main-Region eine solche Studie, denn selbst wenn die einzelnen Bauvorhaben die Grenzwerte einhalten,kumulieren diese und stellen in der Gesamtbilanz eine erhebliche Belastung für Mensch und Natur dar. Auf der Grundlage solcher Daten sollten wir dann im Interesse der betroffenen Menschen über alle Vorhaben entscheiden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Axel Wintermeyer (CDU): Ja, ja!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort für die Landesregierung hat Herr Wirtschaftsminister Posch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren von den Sozialdemokraten, den GRÜNEN und den LINKEN, ich möchte eine Feststellung treffen: Solange es in dieser Bundesrepublik Deutschland kein gesetzliches Verbot dafür gibt, dass jemand einen Genehmigungsantrag für die Errichtung eines Kohlekraftwerks oder den Ersatz eines Blockes stellt, hat jedermann den Anspruch, einen solchen Antrag zu stellen und einen entsprechenden Bescheid zu bekommen. Meine Damen und Herren, das scheinen Sie überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das, was Sie anstreben, ist falsch. Solange das so ist, hat jedermann den Anspruch, einen solchen Antrag zu stellen. In einem Rechtsstaat hat er den Anspruch,darauf auch einen Bescheid zu bekommen.Alles das, was Sie gesagt haben, können Sie wer weiß wo erzählen, wo Sie wollen. Das hat mit der tatsächlichen Situation in Deutschland aber nichts zu tun. Werte Frau Hammann, ich schätze Ihre Sachkenntnis.Nach dem,was Sie hier gesagt haben,würde ich Ihnen raten – ich sage das so salopp –: Machen Sie sich als Sachverständige selbstständig,und beraten Sie diejenigen, die dagegen sind, dass so etwas realisiert wird. Dann können Sie das im Raumordnungsverfahren und im Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzrecht einbringen. Dann haben Sie vielleicht mehr Erfolg als im Hessischen Landtag, wenn Sie meinen, ein Raumordnungsverfahren ad absurdum führen zu müssen. Das ist schlicht und ergreifend der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Ich glaube, hier geht es gar nicht um Energiepolitik, sondern man muss herausstellen, wie in diesem Land bestimmte Investitionsvorhaben verwirklicht werden. Das scheinen die Fraktionen auf der linken Seite nicht mehr

zur Kenntnis nehmen zu wollen. Darum geht es in Wahrheit.

(Zuruf des Abg. Manfred Görig (SPD))

Verehrte Frau Kollegin Hammann, Sie sagen dann, das sei nicht vereinbar mit den Zielen der Landesplanung. Meine Damen und Herren, ein Raumordnungsverfahren ist gerade dazu da, um diese Frage zu beantworten.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Görig, das Raumordnungsverfahren ist gerade dazu da, diese Frage zu beantworten. Dafür haben wir Sachverständige, dafür haben wir Gutachter, dafür haben wir die Träger öffentlicher Belange, dafür haben wir die Kommunen.Jeder ist aufgerufen,dazu Stellung zu nehmen.In diesem Sinne wird dann eine Entscheidung getroffen. Deswegen will ich nichts zur Sache, sondern lediglich noch etwas zum Verfahren sagen.

Verehrte Frau Hammann, Sie sagen: Es sind insgesamt sieben Ordner mit 2.800 Seiten. In einem Ordner haben sechs Seiten, und in einem Ordner hat eine Anlage gefehlt. Sie haben es schon dargestellt: Das ist vertauscht worden. – Dann ziehen Sie die Schlussfolgerung, damit sei ein ordnungsgemäßes Verfahren nicht mehr möglich, wohl wissend, dass der RP darauf hingewiesen hat, dass dieser Fehler stattgefunden hat und er auf diese Art und Weise korrigiert worden ist. Sie versuchen, auf diese Art und Weise schlampiges Handeln zur Rechtfertigung Ihres Anliegens vorzutragen. Verehrte Frau Hammann, das ist unseriös. Das macht man nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das, was sich hier abspielt, ist auch völlig falsch: zu sagen, dass damit die energiepolitischen Ziele dieser Landesregierung konterkariert werden. Wir bekennen uns zu einem Energiemix. Im Rahmen des Energiemix spielt diese Anlage eine bestimmte Rolle. Dafür gibt es die entsprechenden Verfahren. Ab dem 24. März wird der Erörterungstermin stattfinden. Da wird das alles erörtert, was Sie gemeint haben, hier einbringen zu müssen.

Lassen Sie mich noch einen Aspekt zur Sache einbringen – mich verwundert, dass auf diesen Aspekt so gut wie nicht eingegangen worden ist –, nämlich die Frage, ob wir hier eine Wärmeschiene aufbauen können. Das ist eine uralte Idee, die nie realisiert worden ist. Ich weiß nicht, ob es funktioniert.Aber dieser Gedanke ist eingebracht worden, um im Rhein-Main-Gebiet innovative und neue Wege zu gehen. Wir werden sehen – auch dazu sind gutachterliche Stellungnahmen angefordert worden –, ob so etwas realisierbar ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um es zusammenzufassen: Wir haben ein Interesse daran, dass diese Maßnahmen so schnell wie möglich realisiert werden. Man hätte sogar die Auffassung vertreten können, all diese Fragen hätten im fachgesetzlichen Verfahren behandelt werden können. Das ist aus den unterschiedlichsten Gründen, auf die ich jetzt nicht eingehen will, nicht erfolgt. Insbesondere konzediere ich, die Frage der Wärmeschiene wäre möglicherweise im immissionsschutzrechtlichen Verfahren überhaupt nicht zur Sprache gekommen. Insofern hat das Raumordnungsverfahren etwas Gutes. Das werden wir jetzt zum Abschluss bringen und, wenn das Genehmigungsverfahren positiv ausgegangen ist, einen Beitrag dazu leisten, den Energiemix in Hessen zu verwirklichen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank,Herr Minister Posch.– Frau Hammann noch einmal.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Posch, Sie sagen zu Recht: Ein Unternehmen hat einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Bewertung seiner vorgelegten Unterlagen und hat am Ende auch einen Bescheid zu erhalten. – Aber ich sage Ihnen auch: Die Bürgerinnen und Bürger haben ebenfalls einen Anspruch auf eine angemessene Behandlung in einem solchen Verfahren. Dazu gehört in meinen Augen die Transparenz. Die Unterlagen müssen während der Auslegung so beschaffen sein, dass für jedermann, jede Frau nachvollziehbar ist, welche Auswirkungen das Projekt am Ende für sie haben wird. Das ist etwas, was wir anzweifeln, was nicht nur wir, sondern viele andere anzweifeln, die in diese Antragsunterlagen hineingesehen haben. Es ist tatsächlich so, dass Verweise gegeben werden und diese Verweise ins Leere gehen. Es fehlen Seiten. Ich sage Ihnen: Es gibt immer noch Menschen, die keinen Internetanschluss haben. Die konnten, wenn sie es nachvollziehen wollten, dies nicht tun, weil diese Unterlagen eben nicht dabei waren.

Ich denke, dieses Verfahren muss ordnungsgemäß laufen. Es muss von Ihnen aber auch anerkannt werden, dass es Haltungen gibt, die diesem Projekt entgegenstehen. Wir sind der festen Überzeugung, dass dieses Projekt, so, wie es vorgelegt wird, eben nicht raumverträglich ist, dass es zu Mehrbelastungen führt. Das sind Aussagen, die viele Experten treffen. Herr Minister Posch, ich zähle mich gar nicht zu den Experten.Da vertraue ich auf andere,die sich in diesem Bereich sehr kundig gemacht haben.

(Florian Rentsch (FDP): Vertrauen Sie auf uns, Frau Hammann!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur ein Hinweis. Sie haben einen Gegenantrag eingebracht, in dem Sie darstellen wollen, warum Sie glauben, dass dieses Kraftwerk so gut sein soll. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich verpflichtet, Klimaschutzziele zu erreichen. Diese Klimaschutzziele müssen bei solch einer Planung ebenfalls berücksichtigt werden.

(Judith Lannert (CDU): Nichts anderes wird gemacht! – Zurufe von der FDP)

Das wird mit diesem Kraftwerk eben nicht gelingen. Wo waren Sie denn in der Anhörung, die wir im Hessischen Landtag durchgeführt haben? Da wurde Ihnen ganz klar gesagt, welche Kraftwerke noch zukunftsfähig sind. Ein Steinkohlekraftwerk mit diesen hohen CO2-Emissionen zählt garantiert nicht dazu. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann. – Mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt behandelt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Entschuldigung, ich habe nicht verstanden, dass das zu dem Punkt ist. Ich dachte, es wäre zum nächsten Punkt.

Das war mein Fehler. Entschuldigung, Herr Sürmann. Herr Sürmann, noch fünf Minuten.

Verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Hammann, Kollege Görig, ich habe das Gefühl, Sie waren gestern Abend bei dem parlamentarischen Abend von E.ON gar nicht zugegen.