Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Ohne den Vorstoß von Ministerpräsident Koch und den Einsatz der Landesregierung wäre es nicht zu dieser Lösung gekommen, so die Aussage in einer CDU-Pressemitteilung. Ich füge hinzu: Ohne die SPD schon gar nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Dr.Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Das hätte ich mir jetzt eigentlich lieber verkniffen. Wenn nicht auf dieser Seite des Hauses seit dem vergangenen Wochenende und auch heute Morgen schon wieder allzuviel Selbstlob gewesen wäre,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie loben sich doch auch selbst!)

hätte ich viel lieber so begonnen,indem ich einfach gesagt hätte: Dass am späten Freitagabend und auch gestern Abend nach zähen Verhandlungen in der Arbeitsgruppe ein Einigungsvorschlag in zentralen Punkten der SGB-IINeuregelung erzielt wurde, ist für 6,5 Millionen Leistungsempfänger und für über 50.000 Mitarbeiter ein gutes Zeichen. Dies ist kein Eigenlob, sondern die entscheidende Botschaft, auf die es heute ankommt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist ausschließlich im Interesse dieser Menschen wichtig, dass man sich partei- und fraktionsübergreifend auf einen solchen Kompromiss verständigt hat. Darum geht es und um nichts anderes. Die zweite wichtige Botschaft lautet – damit hier nicht allzu viel Selbstlob überbordet –: Die ursprünglich von der schwarz-gelben Regierung angestrebte getrennte Aufgabenwahrnehmung ist vom Tisch, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist auch gut so!)

Natürlich wissen wir und erkennen auch an, dass sich der Ministerpräsident, sein Stellvertreter und der Fachminister Banzer gegenüber der Unionsfraktion in Berlin und gegenüber der Bundesministerin und der Bundesregierung sehr engagiert für eine Verfassungsänderung einge

setzt haben. Meine Damen und Herren, das ist unbestritten, das erkennen wir an.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber einmal ganz ehrlich: Es war für uns auch ein langes und hartes Stück Arbeit, bis wir sie an dieser Ecke hatten, dass sie dem so zugestimmt haben.

(Beifall bei der SPD)

Da, wo wir jetzt sind – das ist doch die wichtige Botschaft –, müssen alle beieinanderbleiben.Deshalb auch unsere eindringliche Bitte heute: Sorgen Sie mit dafür, dass Ministerin von der Leyen das, was vereinbart worden ist, schnell in einen vernünftigen Gesetzentwurf gießt und dass die Unionsfraktion am Ende dieses Mal wirklich zustimmt und die Sache nicht wieder scheitern lässt.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der Punkt, um den es geht, und nicht darum, meine Damen und Herren, hier Dinge zu vermischen, wie mit der Abkehr von der Agenda 2010. Das ist Unsinn.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Ich weiß nicht, wo Sie das gelesen haben. Man kann immer über Dinge reden,die optimiert werden,und dazu haben die Sozialdemokraten, glaube ich, einiges beigetragen.

(Zuruf von der FDP:Ach, ja, ja!)

Ich sage an der Stelle ganz klar:Die SPD steht in den Ländern und im Bund zu dem Kompromiss und zur Verfassungsänderung – Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist jetzt auch die letzte Chance, um auch zukünftig Leistungen aus einer Hand zu bieten. Es wäre fatal, wenn man diese jetzt auf den letzten Metern versemmeln würde,

(Zuruf von der CDU: Warum haben Sie im Aus- schuss dann so rumgeeiert?)

auch weil der Kompromiss hervorragende inhaltliche Ansätze zur Optimierung bietet. Ich nenne an dieser Stelle einmal einige Beispiele: Es war uns wichtig, dort eine Reihe sinnvoller Neuregelungen hineinzubringen, auch solche, die die Arbeit in den Jobcentern verbessern, z. B. durch eine stärkere Rolle des Geschäftsführers und der Trägerversammlung, durch eine eigene Personalvertretung und durch einen stabilen Personalkörper.

Leider war es bei den Unionsfraktionen nicht durchsetzbar, die Nachfolgeorganisation Zentren für Arbeit und Grundsicherung, kurz ZAG genannt, als Anstalten des öffentlichen Rechts einzurichten.Aber die optimierten Jobcenter sollen immerhin durch eine Reihe von gesetzlichen Regelungen weitestgehend die Funktionalität der vom damaligen Arbeitsministers Olaf Scholz vorgeschlagenen ZAG beinhalten. Meine Damen und Herren, das hätten wir schon vor einem Jahr haben können, wenn Sie mitgemacht hätten.

(Beifall bei der SPD)

Für uns ist ein Punkt zentral, nämlich der, dass es gelungen ist, im SGB II einen verbindlichen Personalschlüssel zu verankern. Dieser soll für Arbeitsuchende bis 25 Jahre 1 : 75 und bei den Arbeitsuchenden über 25 Jahre 1 : 55 betragen. – Meine Damen und Herren, das ist es, worauf es im Kern ankommt. Denn hier geht es unmittelbar darum, den betroffenen Menschen zu helfen und ihnen bes

sere Vermittlungschancen zu geben. Das ist der entscheidende Kernpunkt. Wir freuen uns, dass wir das reingebracht haben.

(Beifall bei der SPD)

Ein positiver Nebeneffekt – das wurde angesprochen – ist, dass die Regierungsfraktionen dann auf Druck der SPD auch wieder bereit waren, gesperrte Fördermittel in Höhe von 900 Millionen c freizugeben. Gott sei Dank, sage ich nur, denn das wäre für die Förderung und Qualifizierung von Arbeitslosen verheerend gewesen. Gott sei Dank, dass dieser Punkt auch wieder vom Tisch ist.

Die moderate Ausweitung der Optionskommunen findet auch unsere Zustimmung. Wir werden nicht in den Wettstreit eintreten, welche Organisationsform die bessere ist. Für uns ist entscheidend, was den Betroffenen vor Ort individuell am besten hilft. Es ist in jedem Fall positiv, dass künftig beide Formen durch einheitliche Zielvereinbarungen gesteuert werden sollen. Das schafft die von uns schon lange geforderte Transparenz und Vergleichbarkeit.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich stelle für die SPD-Fraktion fest: Unser Einsatz und unser Engagement haben sich gelohnt.Auch in Zukunft wird es für die betroffenen Menschen Hilfen aus einer Hand geben. Lassen Sie uns das jetzt gemeinsam und ohne langen politischen Streit ans Ende bringen, bis es in Gesetz- und Verfassungsform ist. – Danke, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Herzlichen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Bocklet, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich zum Maßstab gesetzt, bei all dem, wie sie sich zu bestimmten Vorgängen verhält, zunächst Inhalte zu bewerten.

Lassen Sie mich deshalb sagen: Wir GRÜNEN waren an den Verhandlungen, die auf Bundesebene stattgefunden haben, nicht beteiligt. Sie wurden geführt von CDU, FDP und SPD. Dennoch gibt es nichts daran zu rütteln, dass es mit der geplanten und jetzt wohl kurz vor dem Durchbruch stehenden Grundgesetzänderung ein guter Tag ist für viele Arbeitslose, ein guter Tag für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern. Es ist ein guter Tag für viele Träger, die nun Planungssicherheit erhalten, und es ist ein guter Tag für viele Kommunen, die durch eine getrennte Trägerschaft zu vielen Millionen Euro Mehrkosten gekommen wären. Es ist ein guter Tag, und wir bedanken uns bei allen, die daran mitgewirkt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Zu der Bewertung eines Films „Wie kommt es zu dieser Entscheidung?“ möchte ich sagen: Herr Rock oder Herr Dr. Bartelt, wenn man einen Film bewertet, dann sollte man sich nicht den Fehler erlauben, mittendrin eine Viertelstunde einzunicken oder wegzuzappen oder vielleicht aufs Klo zu gehen. Aber so kommt es mir vor. Sie bewerten einen Film, und ich entdecke gewisse Erinnerungslücken, wenn ich das vorsichtig formulieren darf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie feststellen, das Bundesverfassungsgericht hat diese Mischverwaltung als verfassungsfeindlich tituliert und wir waren aufgerufen, die Grundgesetzänderung einzuleiten, dann sage ich Ihnen, wir GRÜNEN haben das vom ersten Tag an gemacht. Wir haben Sie aufgefordert, dem zu folgen.Wenn ich mich richtig erinnere – Herr Dr. Bartelt, korrigieren Sie mich ruhig –, dann war es die CDU-Bundestagsfraktion, die sich bis zum Schluss geweigert hat, diese Grundgesetzänderung mitzutragen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Im Übrigen zuletzt vor drei Wochen!)

Wenn Sie dann aus so einer Situation heraus eine Aktuelle Stunde machen wollen, dann kommt es mir so vor wie Psychotherapie, ein bisschen Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Dann machen Sie es aber richtig. Sie waren Teil des Problems.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – René Rock (FDP): Gucken Sie doch einmal nach vorne!)

Ich komme schon mit dem Nach-vorne-Gucken. – Herr Rock, auch Sie darf ich würdigen. Wir haben im November im Landtag einen Antrag eingebracht, die Landesregierung möge bitte durch ihr Veto im Bundesrat eine Grundgesetzänderung erreichen. Dann kam es dankenswerterweise zu einer Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Familie und Gesundheit.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Eine denkwürdige Ausschusssitzung!)

Herr Rock, auch bei Ihnen habe ich den Eindruck, Sie haben in dem Film längere Minuten weggezappt oder sind eingeschlafen, was vielleicht mehr zur Natur der FDP passt, aber das will ich nicht beurteilen.

(René Rock (FDP): Frechheit! – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Entscheidend ist – dieser Saal soll es wissen –, dass die FDP- und die CDU-Fraktion in diesem Hause bis 17:32 Uhr am 26. November, um präzise zu sein, im Ausschuss dagegen waren, dass wir die Landesregierung auffordern, eine Grundgesetzänderung zu machen. Hallo, guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Wortmeldung des Abg. René Rock (FDP))

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Bocklet?

Nein; denn ich habe nicht so viel Zeit. – Das heißt, Sie haben im Bundestag blockiert, Sie haben als CDU- und FDP-Landtagsfraktionen nicht den Mut gehabt, zu sagen: Landesregierung, setz dich dafür ein.