Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Sie tragen es wie ein Mantra vor sich her, dass die Atomenergie sicher und preisgünstig sei, und dabei wissen Sie, dass Biblis A der in Beton gegossene Beweis dafür ist, dass die Atomtechnologie eine Sackgasse ist. Biblis A ist der störanfälligste und dienstälteste Reaktor, und er muss vom Netz.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die Lichter werden nicht ausgehen, wenn Biblis A und B, wie es im Vertrag eigentlich festgelegt ist, dieses Jahr bzw. im nächsten Jahr vom Netz gehen.

(Zuruf von der CDU)

Wir haben es in den letzten Monaten und Jahren mehrfach erlebt, dass mit allen möglichen Tricksereien, Stilllegungen und Betriebsprüfungen versucht wurde, über Wahltermine hinwegzukommen, damit man möglichst, auf eine neue Koalition bauend, aus dem Atomausstieg wieder aussteigen kann.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Vertragsbrüche!)

Ich sage Ihnen: Die Kungeleien zwischen der Regierung und den Energieversorgern müssen beendet werden. Wir müssen die Verhandlungen aus den Hinterzimmern herausholen, und wir erwarten von den Energieversorgern, dass sie vertragstreu zum Atomausstieg stehen.

Die zentralen Fragen der Atomenergie sind nicht gelöst. Das Sicherheitsrisiko habe ich bereits benannt. Die Entsorgungsfrage ist bis heute nicht geklärt, und Sie müssten doch spätestens in Erkenntnis und Wahrnehmung der Vorfälle – das müsste selbst Ihnen möglich sein, Herr Sürmann –, die wir jetzt in der Asse haben, sehen, dass wir ein Problem haben. 125.000 Fässer, die für eine Ewigkeit gelagert werden sollten, sind nach dem, was wir heute wissen, nach wenigen Jahren nicht mehr lagerfähig. Die Asse muss geräumt werden.

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

6 Milliarden c Entsorgungskosten – ohne dass wir wissen, wohin das soll – sind unverantwortlich. Deswegen muss es zum Ausstieg kommen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, einmal ganz abgesehen davon, dass diese 6 Milliarden c nicht von den Energieversorgern getragen werden, sondern von der Allgemeinheit.

(Petra Fuhrmann (SPD): Unglaublich!)

Das halte ich für inakzeptabel.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich erwarte, dass sich die Energieversorger an der Beseitigung dieses Drecks nicht nur mit klugen Sprüchen beteiligen, sondern dass sie die Entsorgung auch bezahlen, weil sie auch die Rendite gehabt haben.

Es gibt aber zwei weitere Themen, die Sie wie ein Mantra vor sich hertragen – allerdings nicht in Ihrem Beitrag, Herr Sürmann, denn diesen habe ich nun wirklich nicht verstanden. Das sind erstens die Arbeitsplätze, und das ist auch auf der Demonstration sehr deutlich gesagt worden, in den letzten Monaten immer wieder. In Biblis A und B muss für die nächsten Jahre, und zwar sehr viele Jahre lang, kein – –

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seyffardt?

Ich habe noch 40 Sekunden, da erlaube ich keine Zwischenfrage. Ich komme gern nach der Ministerin noch einmal.

(Heiterkeit bei der SPD – Günter Rudolph (SPD): Und wenn sie länger redet?)

Nein, das geht in der Aktuellen Stunde nicht. – Aber bitte, ich kann es nicht ändern.

Diese Arbeitsplätze werden viele Jahre nicht wegfallen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kraftwerken werden noch für viele Jahre Arbeit haben. Was Sie völlig ignorieren, ist, dass mit dem Einstieg in die Energiewende, mit dem Energieeinspeisegesetz, Hunderttausende neuer Arbeitsplätze geschaffen werden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Mit dem Festhalten an der Atomtechnologie verhindern und blockieren Sie den Einstieg in zukunftsfähige Arbeit, in eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Deswegen sage ich Ihnen noch einmal: Die Atomenergie ist eine Sackgassentechnologie. Haben Sie die Kraft – auch im Interesse der nachfolgenden Generationen –, auf diesem Weg umzukehren und den Einstieg in erneuerbare Energien zu wählen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Lautenschläger. Frau Staatsministerin.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der achte Versuch eines Energiekonzepts!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir nehmen auch bei der Kernenergie die Sorgen der Menschen sehr ernst.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann müssen Sie aussteigen!)

Wir haben sie in Wahlkämpfen – auch im Bundestagswahlkampf und in den vergangenen Jahren – immer offen diskutiert, so wie die Frage: Geht es mit der Kernenergie weiter? Wollen wir einen Ausstieg aus dem Ausstieg, und werden wir dafür auch eine Mehrheit erhalten? Sie können an den Umfragen sehr genau absehen, dass die Zustimmung zur Kernenergie in der Vergangenheit wieder gewachsen ist, gerade weil festgestellt wurde, dass es nicht nur darauf ankommt, wie viel Strom in einem Land erzeugt wird, sondern woher er kommt und wie unabhängig man selbst in der Energieversorgung ist. Deswegen ist es auch schlichtweg falsch, zu sagen, es komme nur darauf an, dass der Strom – egal woher er kommt, auch wenn ein Kernkraftwerk ab und zu stillsteht, weil es eben erneuert, nachgerüstet und auf den neuesten Stand der Technik angepasst wird – nicht aus einem Atomkraftwerk stammt.

Die Voraussetzungen, die wir verfolgen, sind, dass wir auf der einen Seite zu den erneuerbaren Energien stehen

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, wann kommt denn Ihr Gesetz? – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Sie stehen dabei sogar still!)

und dafür sowohl in Hessen als auch auf Bundesebene unsere Ziele haben.Wir haben – –

Frau Ministerin, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nicht bei dem kurzen Bereich.

Lassen wir das also.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich wollte eigentlich nur wissen, wann ihr Gesetz kommt!)

Wir haben einen Einspeisevorrang für erneuerbare Energien. Es ist aber genauso wichtig, dass wir in Deutschland nicht auf Dauer vom Ausland abhängig sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD)

Da wir die Ziele erreichen wollen, sind wir auch nicht dazu bereit, schlichtweg auszublenden, dass immer mehr erneuerbare Energien in unsere Netze kommen, was wir ausdrücklich wollen. Dadurch haben wir in den Netzen Volatilität, und wir müssen sehr schnell reagieren – mit bestehenden Kraftwerken, auch mit der Kernenergie, gerade wegen der CO2-armen Energieerzeugung –, um damit dafür zu sorgen, dass Schwankungen in den Netzen zu jeder Zeit tatsächlich ausgeglichen werden können.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will auch noch einmal klarstellen: Es geht zum einen um die Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit vom Ausland, und es geht selbstverständlich zum anderen um Sicherheit.

(Gernot Grumbach (SPD): Ehrlich, wo denn?)

Deswegen geht es auf der einen Seite um Nachrüstungen in Kernkraftwerken, hin zu einem immer neueren Stand. Auf der anderen Seite geht es uns vor allem darum, dass nicht woanders unsicherere Kraftwerke laufen und aus diesen Strom in die deutschen Netze eingespeist wird. Daran haben wir kein Interesse.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Liebe Frau Wissler, es wird nicht dadurch besser, dass Sie hier am Rednerpult jedes Mal behaupten, dass die Kernkraftwerke in Deutschland die störfallanfälligsten Kraftwerke seien.

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Natürlich ist das der Fall! – Janine Wissler (DIE LINKE):Was ist mit Biblis?)

Sie haben das auf Biblis bezogen. Ich mache es sehr deutlich: Was Sie als Störfälle bezeichnen, sind meldepflichtige Ereignisse,

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es!)

weil wir bei uns in Deutschland ganz bewusst dafür gesorgt haben, eine hohe Transparenz zu schaffen, dass sich Behörden über alles, was passiert, sofort gegenseitig informieren müssen,um Störfälle eben genau zu vermeiden.

Das ist ein richtiger Weg. Es ist auch ein wichtiger Weg, höchstmögliche Transparenz bei Kraftwerken zu haben.