Protokoll der Sitzung vom 23.06.2010

Deswegen ist der Weg, den die Bundesregierung jetzt beschritten hat, unumgänglich.

Herr Kollege, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, Herr Präsident. Herr Kollege Schmitt hatte zehn Minuten lang Zeit. Er hat sie nicht genutzt. Ich habe insofern auch keine Lust, ihm meine Redezeit zu opfern.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Insofern ist der Weg, den die Bundesregierung eingeschlagen hat, ohne Alternative. Es ist das größte Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, und es ist ohne Alternative, weil nur der finanziell gesunde Staat ein handlungsfähiger Staat – auch ein handlungsfähiger Sozialstaat – sein kann. Deswegen ist es unumgänglich, dass wir Wege beschreiten, diesen Staat wieder finanziell zu gesunden.

Herr Kollege Schmitt, die SPD hat in zehn Jahren Regierungsverantwortung, in der sie auch den Finanzminister

gestellt hat, nun wahrlich nichts dazu beigetragen, diesen Staat auf den Weg der finanziellen Gesundung zurückzuführen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD)

Sie hatten in den vergangenen zehn Jahren teilweise reale Einnahmezuwächse von über 50 Milliarden c pro Jahr. Herr Kollege Schmitt, an der Stelle frage ich mich schon: Wo ist denn das ganze Geld geblieben? Was haben Sie denn mit dem ganzen Geld gemacht? In den Abbau der Verschuldung haben Sie das Geld jedenfalls nicht gesteckt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Florian Rentsch (FDP): Ja, das frage ich mich auch!)

Wenn es um diese Frage geht, sind Sie mit Sicherheit ein schlechter Ratgeber.

Das Sparpaket der Bundesregierung in einer ersten Stufe von 13,2 Milliarden c ist der unumgängliche Einstieg in eine nachhaltige Konsolidierung des Bundeshaushalts, und es ist ein auf vier Säulen fußendes, ausgewogenes Paket, das Ausgabensenkungen beinhaltet, die unumgänglich sind, das Subventionsabbau beinhaltet, der ebenfalls unumgänglich ist, das sich mit Strukturverbesserungen befasst, die ebenfalls – da bin ich bei Herrn Kollegen Bocklet – unvermeidlich sind, wenn wir das strukturelle Defizit dauerhaft in den Griff bekommen sollen. Es beinhaltet eben auch zweckgerichtete Einnahmeverbesserungen und -steigerungen, die an den Stellen, wo sie vorgenommen worden sind und werden sollen, vernünftig und richtig sind. Es ist alles in allem ein ausgewogenes, natürlich in der Summe und im Gesamtvolumen vielfältige Teile der Gesellschaft berührendes, aber die soziale Balance wahrendes Paket.

Wenn Sie sich vor Augen führen – diese Kritik ist hier mehrfach gekommen, und natürlich führt das unter Umständen zu einem Protest von denen, die betroffen sind –, dass 35 % dieser 13,2 Milliarden c Einsparungen das tangieren, was wir im weitesten Sinne den Sozialbereich nennen, müssen wir doch auch einmal feststellen, dass der Sozialhaushalt des Bundes 55 % des gesamten Bundeshaushalts ausmacht, sodass wir hier ganz deutlich unterproportional im Verhältnis zu den Gesamtausgaben sparen, und das ist auch richtig.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie glauben doch selbst nicht, dass es möglich ist, dass dieser Bereich ausgeklammert wird. Ich sage Ihnen an der Stelle noch einmal ganz deutlich: Selbst nach diesen Einsparungen sind der Sozialetat und das Niveau der sozialen Ausgaben höher, als sie unter Rot-Grün jemals gewesen sind. Insoweit ist der Vorwurf einer unsozialen Politik hier vollkommen ungerechtfertigt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich sage Ihnen an dieser Stelle auch noch einmal ganz deutlich: Es muss doch aus Ihrer Sicht schon fast ein Treppenwitz der Geschichte sein, dass eine schwarz-gelbe Bundesregierung in die Verantwortung kommen muss, damit endlich das Schonvermögen von Hartz-IV-Empfängern angemessen erhöht wird, damit endlich eine Besserstellung derjenigen erfolgt, die durch Ferienjobs etwas hinzuverdienen müssen, und damit das Kindergeld endlich erhöht wird.Auch an der Stelle haben Sie doch jahrelang Zeit gehabt; und Sie haben kläglich versagt, hier wirklich für einen weiteren sozialen Ausgleich zu sorgen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich will noch auf einige Elemente eingehen, die dieses Paket enthält: Wir haben die Einführung einer Brennelementesteuer – und ich halte das für richtig –, weil wir von Beginn an gesagt haben, dass allein die Verhandlungen über die Frage verlängerter Laufzeiten bei Kernkraftwerken selbstverständlich dazu führen müssen, dass diejenigen, die davon profitieren, diese Gewinne zumindest in wesentlichen Teilen an die Allgemeinheit und an die Volkswirtschaft zurückgeben. Deswegen ist das ein richtiger Schritt.Es ist sicherlich auch ein richtiger und aus vielfältigen Gründen vernünftiger Schritt, wenn die Bundesregierung – ich glaube, wenn wir Hessen das sagen, dann ist das durchaus mit einigem Gewicht zu versehen – über eine ökologische nationale Luftverkehrsabgabe nachdenkt. Das ist sicherlich für einen Standort wie Hessen keine einfache Entscheidung, aber es ist eben Teil eines Gesamtpaketes, das unumgänglich ist, wenn wir die Staatsfinanzen auf solide Füße stellen wollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich nehme sehr wohl zur Kenntnis und begrüße es sehr, dass wir eine ernsthafte Diskussion über eine Strukturreform im Bereich der Streitkräfte führen. Ich weiß, dass einigen Kolleginnen und Kollegen das nicht leichtfällt.Aber auch hier zeigt sich, dass die Koalition die Kraft und den Willen hat, in Kernfragen dessen, was unter Umständen ihr politisches Markenzeichen ist, in eine offene Diskussion über die Frage einzutreten, was notwendig ist, um die Konsolidierungsziele zu erreichen.

(Günter Rudolph (SPD): In Berlin oder in Wiesbaden?)

Das Mindestelterngeld bleibt unangetastet, und es gibt in diesem Bundeshaushalt und im Sparpaket keine Kürzungen im Bereich von Forschung und Bildung und insoweit keine Kürzungen bei den Investitionen der öffentlichen Hand, die wichtig sind, um unser Land und unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten. Auch das ist eine Schwerpunksetzung, die ganz klar die Handschrift einer schwarz-gelben Koalition trägt. Sie haben das in den zehn Jahren Ihrer Regierungsbeteiligung – ich meine insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der SPD – offensichtlich nicht hinbekommen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will zum Schluss auf die Frage des Spitzensteuersatzes eingehen, weil Kollege Bocklet darauf hingewiesen hat, dass wir diese Diskussion gerne führen können und auch führen müssen. Führen Sie sich vor Augen, dass der Spitzensteuersatz ab einem Einkommen von 52.800 c greift. Sie reden bei der Frage der Anhebung des Spitzensteuersatzes über den durchschnittlich gut verdienenden, qualifizierten Facharbeiter,nicht über Menschen,die Millionen Euro verdienen oder ins Ausland schaffen. Sie reden also beim Spitzensteuersatz schon heute über die Mitte der Gesellschaft, über die, die ohnehin schon den Hauptanteil dazu beitragen, dass dieser Staat finanziell noch handlungsfähig ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Das ist eine Diskussion, die vollkommen an den Realitäten vorbeiführt. Sie ist deshalb mit der FDP nicht zu führen.Wir wollen die Wachstumskräfte in diesem Lande fördern.

(Zurufe von der SPD)

Wir wollen weg von einer Politik, die Sie zehn Jahre lang betrieben haben, die die Sozialpolitik insbesondere so verstanden hat, dass immer mehr Geld in ein System gepumpt wird, ohne dass es zu wirklichen Verbesserungen für die Menschen gekommen ist. Sie haben eine unglaubliche Verteilungsmaschinerie geschaffen, die überhaupt keine Vorteile für die Menschen bringt, die wirklich betroffen sind.Wir bleiben dabei: Die beste soziale Absicherung in diesem Land ist ein Arbeitsplatz. Deswegen müssen wir die Kräfte stärken und die Maßnahmen ergreifen, die Menschen in Arbeit bringen,anstatt immer mehr Geld in ein System zu stecken, das die Abhängigkeit der Menschen von Transferleistungen und von staatlicher Bevormundung fördert.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Vor diesem Hintergrund ist das Sparpaket ein ambitionierter, aber auch unumgänglicher erster Schritt auf dem Weg zur Konsolidierung der Staatsfinanzen.

(Manfred Görig (SPD): Eine Luftnummer!)

Wir werden alles dafür tun und auch die Bundesregierung darin bestärken, diesen Weg konsequent weiterzugehen – im Interesse künftiger Generationen und im Interesse der Menschen in unserem Land.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Blum. – Es gibt zwei Wünsche auf Kurzinterventionen. Zuerst Herr Schmitt, dann Frau Schott. Bitte schön, Herr Schmitt.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte meine Anmerkungen gern in einer Zwischenfrage untergebracht, aber da Sie sie nicht zugelassen haben, habe ich mich zu einer Kurzintervention gemeldet.

Herr Blum,ich frage mich,wie Ihre blumigen Worte zur finanziellen Gesundung dieses Staates dazu passen, dass der finanzpolitische Sprecher der FDP, Daniel Volk, heute gesagt hat, nachdem es Zeichen gebe, dass die Nettoneuverschuldung „nur“ 60 Milliarden c betrage, sei die versprochene Steuererleichterung in Höhe von 16 Milliarden c gut finanzierbar.Das hat auch Herr Brüderle schon behauptet. Wie passt es zusammen, hier zu sagen, es sei notwendig – –

(Florian Rentsch (FDP):Wer hat das gesagt?)

Das hat Daniel Volk gesagt, der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion. Sie können es im Internet finden.

Wie passt es zusammen, dass Sie hier große Reden über die finanzielle Gesundung halten und sagen, alle Sozialhilfeempfänger, die Ärmsten der Armen, müssen sparen – beispielsweise wird das Elterngeld gestrichen –, gleichzeitig aber eine Steuerentlastung in Höhe von 16 Milliarden c in die Diskussion bringen? Wie passt das zu der berühmten Entlastung der Hoteliers, die Sie ebenfalls auf den Weg gebracht haben? Das passt eben nicht zusammen.

Deswegen sollten Sie die Sprüche von der Gesundung der Staatsfinanzen, die von der FDP durch dieses Sparpaket eingeleitet wird, endlich sein lassen. Das ist großer Quatsch,wenn Sie gleichzeitig wieder vorhaben,mit Steuerermäßigungen die Verschuldung nach oben zu treiben. Die Entlastung um 16 Milliarden c müssten Sie ja auf Pump finanzieren. Damit würde die Nettoneuverschuldung von 60 Milliarden c auf 76 Milliarden c steigen. 16 Milliarden c würden eine Zinsbelastung in Höhe von mindestens 1 Milliarde c bedeuten, die Sie jährlich draufpacken müssten. Das macht doch deutlich, wie irreal Sie diskutieren und dass die FDP immer noch nicht verstanden hat, dass für Steuererleichterungen in dieser Gesellschaft überhaupt kein Raum ist. Das Gegenteil ist notwendig, nämlich die, die gut verdienen, endlich stärker zu belasten und ihren Anteil an der Finanzierung staatlicher Leistungen zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der FDP)

Wir hatten uns auf eine Redezeit von zwei Minuten pro Kurzintervention geeinigt.

(Günter Rudolph (SPD): Das steht so in der Geschäftsordnung!)

Frau Schott, Sie haben das Wort.

Herr Blum,wissen Sie,was mich an Ihrer Rede tatsächlich richtig geärgert hat? Die Worte „unvermeidbar“ und „alternativlos“. Das heißt, Sie haben den Stein der Weisen gefunden, rechts und links daneben geht nichts. Sie haben Recht: Es gibt keine andere Lösung – jedenfalls in Ihrem Weltbild nicht. Man kann die Steuern für Hoteliers senken, man braucht die Erbschaftsteuer nicht zu erhöhen, man braucht keine Reichensteuer, man braucht die Spitzensteuersätze nicht anzuheben. All das gibt es in Ihrer Wertewelt überhaupt nicht. Daher ist das für Sie „alternativlos“ und „unvermeidbar“.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sagen Sie das bitte den Eltern kleiner Kindern, denen Sie die Hartz-IV-Sätze nicht erhöhen wollen.

(Clemens Reif (CDU): Mit Hungerlöhnen speisen Sie Ihre Mitarbeiter ab! Sie persönlich!)

Sagen Sie das diesen Menschen. Sie reden davon, dass man den Spitzensteuersatz schon beim Mittelstand ansetze.Welches Gesetz der Welt schreibt denn vor,

(Clemens Reif (CDU): So schlecht hat noch nie jemand bezahlt wie Sie!)