Protokoll der Sitzung vom 05.03.2009

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Ich glaube,die Diskussion hat deutlich gemacht, dass vieles darunter leidet, dass nationale Möglichkeiten im Verhältnis zu internationalen Notwendigkeiten hier singulär diskutiert werden und man eigentlich mit diesen Lösungsansätzen nur sehr begrenzt weiterkommt.Zum Zweiten spielt natürlich die Frage von Emotionen, von Neid, von irgendwie gearteten Ressentiments mit hinein und wird sozusagen bei der Gelegenheit das eine oder andere mit hineingewurstelt, was man schon immer im Hinblick auf diejenigen sagen wollte, die verantwortliche Positionen haben oder die viel Geld verdienen, um das dann zum Thema zu machen und daraus möglicherweise durch Lösungen, die uns

keinen Millimeter weiterbringen, dann doch parteipolitisch Kapital schlagen zu können.

Lassen Sie mich daher in diesen kurzen fünf Minuten nur einige wenige Bemerkungen machen. Es ist sicher klug, wenn wir uns bei Gelegenheit auch in den Ausschüssen intensiv über dieses Thema unterhalten.

Zunächst das Wichtigste. Die internationale Gemeinschaft ist mittlerweile aufgewacht und hat gemerkt, dass der in den letzten Jahren stattgefundene Wettkampf um die „günstigsten Standortbedingungen“ – und dafür ein Höchstmaß an Deregulierungsmaßnahmen werbewirksam einzusetzen – vorbei ist. Derzeit befindet sich die internationale Staatengemeinschaft hier auf einem guten Weg.

Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer G 20 haben am 15.11.2008 auf dem Weltfinanzgipfel in Washington den Aktionsplan beschlossen, der schlagwortartig – mehr kann ich hier nicht leisten – wie folgt zu beschreiben ist: mehr Transparenz und Verantwortlichkeit, Ausbau soliderer Regulierung, Integrität der Finanzmärkte,Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und Reformierung der internationalen Finanzinstitute.

Das ist ein sehr ehrgeiziges Aufgabenfeld. Gott sei Dank gibt es dazu jetzt auch Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft. Die Staats- und Regierungschefs der europäischen Teilnehmerstaaten haben sich im Februar darauf verständigt, auf dem G-20-Folgegipfel am 02.04.2009, auf dem die Konkretisierung dieser internationalen Ziele erfolgen soll, bestimmte zusätzliche Eckpunkte mit einzubringen, die aus der Sicht der Europäer wichtig sind und bei denen man sagt, dass dadurch ein Quantensprung bei der internationalen Kontrolle der Finanz- und Kapitalmärkte erfolgen könnte.

Auch hierzu nur wenige Stichworte, damit Sie sehen, wie komplex diese Frage ist. Der IWF und das Forum für Finanzstabilität, FSF, sollen für die Umsetzung dieser Planungen eingesetzt werden.

Das hört sich alles sehr einfach an, ist aber tatsächlich etwas, was es bisher in dieser Form international noch nicht gegeben hat: die Optimierung der Aufsichtsgremien für grenzüberschreitend tätige Finanzinstitutionen.

Meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich mit einem auch hier gelegentlich durchscheinenden Vorurteil aufräumen, wonach die Finanzkrise, so, wie wir sie jetzt haben, durch bessere Regulierungen auf nationaler Ebene in den Griff zu bekommen gewesen wäre.Diese Illusion muss man sich abschminken.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Man muss auf internationaler Ebene regulieren!)

Sie können sehen, auch in Deutschland sind die Probleme der öffentlichen Institute, auch im öffentlichen Bankensektor, bei Landesbanken, die Verluste bzw. die riskanten Geschäfte nicht unter der Aufsicht von BaFin und Bundesbank entstanden, sondern im internationalen Umfeld, wo es keine entsprechende Überwachung und Regulierung gab.

(Janine Wissler (DIE LINKE):Deswegen brauchen wir internationale Regulierung!)

Deshalb ist gerade die internationale Aufsicht von außerordentlicher Bedeutung.

In dieser Frage brauchen wir uns wechselseitig gar keine Vorwürfe zu machen.Tatsache ist: Bisher war die Staatengemeinschaft nicht bereit, solche international tätigen Aufsichtsgremien zu legitimieren und eine solche Aufsicht durchzusetzen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das geht einher mit einer besseren Ressourcenausstattung dieser internationalen Institutionen, damit die Finanzmärkte, Produkt- und Marktteilnehmer, von denen systemische Risiken ausgehen können, lückenlos und unabhängig von ihrem Sitz einer angemessenen Aufsicht und Regulierung unterstellt werden. Gegen Steueroasen soll vorgegangen werden – ein äußerst attraktives öffentliches Thema, der Sache nach extrem kompliziert.

Auch das Regelwerk Basel II wird ausdrücklich angesprochen.Hierzu möchte ich eine persönliche Bemerkung machen. Bei öffentlichen Veranstaltungen der letzten Jahre habe ich als Finanzminister schon mehrfach gesagt: Im Grundsatz ist Basel II sicherlich eine richtige Überlegung, scheitert aber an Übertreibungen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir müssen national ein höheres Selbstbewusstsein haben und dürfen nicht alles mitmachen, was aus dem angelsächsischen Raum kommt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

Wir müssen die guten Mechanismen, die wir haben, schützen und uns kämpferisch dafür einsetzen.

Herr Minister Weimar, seien Sie so lieb und denken an die Redezeit.

Ja, ich denke dran, aber ich denke nicht daran, jetzt aufzuhören.

(Heiterkeit)

Herr Staatsminister Weimar, ich bitte Sie herzlich darum. Die Redezeit von fünf Minuten ist bereits überschritten. Sie können hier natürlich unbeschränkt sprechen. Sie wissen, was das bedeutet – danach können wieder andere sprechen.

Von mir aus können Sie machen, was Sie wollen; ich wollte Sie nur freundschaftlich darauf hinweisen.

(Heiterkeit und Beifall)

Danke schön. Ich möchte gerne diese Bemerkung zu Basel II und IFRS zum Abschluss bringen.

Basel II hat zu großer Unzufriedenheit, auch subjektiv, darüber geführt, dass auf der einen Seite Banken jahrelang über Milliardenbeträge disponieren und Geschäfte machen konnten, bei denen riesige Verluste aufliefen, auf der anderen Seite aber ein mittelständischer Unternehmer, der Geld bei einer Kreissparkasse oder einer Volksbank holen wollte,diesen Kredit nicht bekommen konnte,

weil Basel II Kreditvoraussetzungen geschaffen hat, unter denen er das Geld nicht bekommen konnte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Meine Damen und Herren, an anderer Stelle habe ich vor prominenten Bankern gesagt, nach meiner festen Überzeugung würden wir noch immer gelegentlich Backsteine aus Ruinen heraussuchen, um damit neue Häuser zu bauen, und die Bundesrepublik Deutschland wäre nicht so weit, wie sie jetzt ist, wenn wir 1948 oder 1950 mit Basel II begonnen hätten.

Darüber hinaus wird auch IFRS angesprochen. Auch an diesem Punkt muss man einmal sagen: Bis hierhin und nicht weiter. Man ist nicht unmodern, wenn man das nicht akzeptiert.

Auch hier nehme ich für mich in Anspruch, das viele Male gesagt zu haben. Hier haben sich Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusammengesetzt und sich ein neues Geschäftsfeld eröffnet.

Die angelsächsischen Staaten haben dieses System unter dem Gesichtspunkt übernommen, dadurch würde mehr Transparenz geschaffen werden.Tatsächlich aber wird dadurch nicht mehr Transparenz hergestellt, sondern es kostet mehr – für viele Firmen ist das ein unglaublicher Belastungsfaktor. In der Krise hat sich gezeigt, dass die Bilanzierung nach IFRS systemisch alles nach unten treibt. Mit dem deutschen Handelsgesetzbuch wäre ein beachtlicher Teil dieser internationalen Finanzkrise gar nicht aufgetreten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das muss man bei Gelegenheit deutlich sagen. Ich rufe alle Beteiligten dazu auf, an dieser Stelle Selbstbewusstsein zu zeigen und im Bankensystem für diese deutschen Wertmaßstäbe zu kämpfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das kann international sehr hilfreich sein. Ich habe das getan und werde das auch weiterhin tun – auch wenn man damit gelegentlich bei großen Konferenzen Verwunderung auslöst und gesagt wird, man sei von gestern. Manchmal kann man bei diesem Thema von gestern sein – dann hat man das Morgen gesichert.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Recht herzlichen Dank, Herr Staatsminister Weimar. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Zur Abstimmung rufe ich den Dringlichen Entschließungsantrag der F raktion DIE LINKE betr effend nach der Finanz- nun die Wirtschaftskrise: „Wir zahlen nicht für eure Krise“, Drucks. 18/155, auf. Wer ist dafür? – Das ist DIE LINKE.Wer ist dagegen? – Das übrige Haus. Dieser Dringliche Entschließungsantrag ist offensichtlich mit klarer Mehrheit abgelehnt.

Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Antrag der F raktion der CDU betr effend eine Aktuelle Stunde (Grünes Licht für Kassel-Calden – neue Arbeits- plätze für Nordhessen) – Drucks. 18/110 –

Anschließend werden wir den Dringlichen Entschließungsantrag, Drucks. 18/136, ohne Aussprache zur Abstimmung stellen.

Das Wort hat der Kollege Dr.Arnold, CDU-Fraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Gibt es eigentlich keine nordhessischen CDU-Abgeordneten mehr? – Gegenruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das müssen gerade Sie sagen! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anlass dieser Aktuellen Stunde ist eine Entscheidung der EU-Kommission, die deutlich gemacht hat, dass sie keine Einwände gegen die Unterstützung des Landes Hessen für den Ausbau von Kassel-Calden zu einem Regionalflughafen hat.

Das ist ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung hin zu einer bedeutsamen Infrastrukturentscheidung in Hessen für die Region Kassel, für die dortige Wirtschaft und für die Menschen in Nordhessen. Meine Damen und Herren, das ist eine gute Botschaft.

(Beifall bei der CDU)