Ich kann bei Herrn Scholz leider immer nur feststellen, dass dies nicht die zentrale Botschaft seiner Politik ist. Ich glaube,das ist auch eine Ursache für das große Misstrauen bei den Kommunen und anderen politischen Vertretern. Hier könnte Herr Scholz wirklich einmal deutliche Vertrauenssignale senden. Wir müssen von einer weiteren Zentralisierung der Aufgaben bei der BA wegkommen. Die Kommunen sind für diese Aufgaben besser geeignet, da sie viele soziale Dienste wie Schuldnerberatung oder Familien- und Suchtberatung anbieten, um die Ursachen und Begleiterscheinungen von Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Wir fordern, dass die bestehenden 69 Optionskommunen verfassungsmäßig abgesichert werden. Wir wollen, dass mehr Optionskommunen zugelassen werden. Das ist unser Ziel.
Der Main-Kinzig-Kreis und der Hochtaunuskreis kümmern sich als Optionskommunen bereits sehr erfolgreich in eigener Verantwortung um die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen. Die Optionsidee ist fast durchgängig erfolgreich und zeigt, dass die Kommunalisierung der richtige Weg ist. Durch das sogenannte Optionsmodell ist die kommunale Verantwortung im Bereich der Arbeitsmarktpolitik endlich sinnvoll durchgesetzt worden. Es ist höchste Zeit,dass der Bund von seiner zentralistischen Sicht abrückt und endlich dezentrale Handlungsspielräume – auch für Arbeitsgemeinschaften – einräumt, um mehr regionale Flexibilität und Unabhängigkeit zu ermöglichen. Ich glaube, auch das haben wir – Frau Fuhrmann – nicht einmal kritisch diskutiert, das entspricht der Haltung in diesem Plenum.Wir bedauern, dass der von Bundesminister Scholz und den Ministerpräsidenten Rüttgers und Beck ausgehandelte Kompromiss nur ein Festhalten an den bestehenden 69 Optionskommunen und keine Ausweitung des Optionsmodells vorsieht.
Herr Scholz weigert sich, diesen Wunsch der Kommunen anzuerkennen – es ist kein Wunsch aller, das ist unbestritten, doch derer, die sich eben dem Optionsmodell anzuschließen. Die FDP hat in der Vergangenheit immer gefordert,dass jede Kommune die Möglichkeit erhalten soll, sich für das Optionsmodell zu entscheiden. Die volle Wahlfreiheit wäre da optimal. Das sehen die meisten Kommunen genauso.
Die besten Erfolgsaussichten zur Integration in den Arbeitsmarkt haben Langzeitarbeitslose, wenn Betreuung und Vermittlung in Beschäftigung zur Sicherung des Lebensunterhalts aus einer Hand erfolgen. So können Synergieeffekte genutzt und individuelle Lösungen gefunden werden. Das können die Kommunen eher leisten als eine zentralistisch organisierte Bundesagentur für Arbeit oder als eine Bundesagentur für Arbeit – hier scheint man sich auf den Weg zu machen –,die vielleicht noch zu einem Bundessozialamt ausgebaut werden soll. Die Versuche, die gesamte Sozialpolitik in Deutschland zu zentralisieren, lehnen wir absolut ab.
Die Optionskommunen führen aus unserer Sicht – natürlich nur, wenn es gut gemacht ist – zum Bürokratieabbau und gleichzeitig zur Stärkung der Kommunen im Interesse der Arbeitsuchenden. Das ist die zentrale Aufgabe; und daher ist die Option der richtige Weg.
Frau Fuhrmann,ich kann nicht ganz nachvollziehen,warum die SPD diesen Setzpunkt gewählt hat, weil Sie damit offenbaren, dass der Arbeits- und Sozialminister nicht die Fähigkeit hat, ein Problem zu lösen, das für die Arbeitsuchenden in diesem Land sehr ernst ist.
Dass Sie heute dieses Thema, das in der Bundesregierung zum ureigensten Aufgabengebiet Ihrer Partei gehört, aufgreifen, offenbart, dass Sie unfähig sind, eine Lösung zu finden. Es zeigt, dass Sie dieses Chaos in Berlin endlich beenden und eine vernünftige und tragfähige Lösung vorschlagen müssen, die eine Mehrheit findet. Es ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Sie dies heute zum Thema machen.
Ich will auch noch einmal darauf eingehen, woher das Misstrauen der anderen Fraktionen Ihrem Arbeitsminister gegenüber kommt. Wenn er sagt: „Auch der Wunsch, die bestehenden 69 Optionskommunen rechtlich optimal abzusichern, ist keine unüberwindliche Hürde“, dann ist das etwas anderes als: Ich setze mich dafür ein. – Mehr Konjunktiv geht kaum noch. An der Stelle ist Misstrauen wohl das Allermindeste, was man erwarten kann, auch von einem Koalitionspartner. Bringen Sie endlich einen vernünftigen Vorschlag. Dann bekommen Sie auch eine breite Zustimmung.
Das Schlimmste – das habe ich vorhin schon gesagt –, was Sie getan haben: Ihr nachlässiges Handeln und Ihre Zeitverschwendung haben dazu geführt, dass dieses Thema jetzt ein Wahlkampfthema wird. Ich befürchte, dass es dann erst recht keine vernünftige Lösung für die Menschen gibt, dass wir noch bis zum 27. September darüber diskutieren. Ich hoffe, dass wir dann mit einer anderen Mehrheit in Berlin eine vernünftige Lösung finden. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Nächster Redner ist Herr Kollege Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die rätselhaften Blicke meiner Kollegen und Kolleginnen haben minütlich zugenommen. Sie haben sich gefragt, worum es bei diesem Setzpunkt der Sozialdemokraten eigentlich geht. Ich kann das gut verstehen. Wenn wir die Probleme der Großen Koalition in jeder Plenarsitzung behandeln würden, hätten wir nichts anderes mehr zu tun.
Es geht um ein Problem, das die Große Koalition in Berlin nicht gelöst bekommt. Da verhalten sich zwei Partner wie zwei Kinder im Sandkasten und schieben sich gegenseitig die Schuld zu, wem nun – –
Herr Dr.Spies,ein paar Tage bin ich auch schon da.– Die Große Koalition benimmt sich wie zwei Kinder im Sand
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))
Herr Dr. Spies, in so einem Fall – da kennen Sie sich vielleicht ein bisschen besser aus – empfehlen wir GRÜNE eine Paartherapie. Das würde Ihnen wahrscheinlich weiterhelfen.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Kartmann (CDU))
Es sind auch ein paar Zuschauerinnen und Zuschauer da, die gerne wissen wollen, worum es eigentlich geht. Vielleicht hätte man das noch einmal in Erinnerung rufen sollen. Seit gestern Abend steht fest: Die Große Koalition in Berlin konnte sich in der letzten Nacht nicht auf eine Lösung der Zukunft der Jobcenter einigen. Das ist der Tatbestand. Der CSU-Landesgruppenchef Ramsauer sagte: Das Ende der Koalition wirft seine Schatten voraus.
Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage: Die Große Koalition ist am Ende, sie ist gescheitert, und die dringend notwendige Reform der Arbeitsmarktpolitik wird nicht kommen. Das ist das Bedauerliche.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))
Für eine fristgerechte Umsetzung bis Ende 2010 hätte das Gesetzgebungsverfahren aufgrund der Bundestagswahl und des notwendigen Vorlaufs vor Ort vernünftigerweise bis zur Sommerpause abgeschlossen sein müssen. Angesichts der schnell steigenden Arbeitslosenzahlen infolge der Konjunkturkrise wäre eine zügige Lösung dringend notwendig gewesen. Jetzt wird die Lösung auf die lange Bank geschoben. Angesichts der unsicheren Perspektiven werden die bisherigen Mitarbeiter der Argen die Argen verlassen.Auch das passiert schon jetzt. In vielen Arbeitsgemeinschaften gibt es eine unglaublich hohe Fluktuation.Offene Stellen werden nicht neu besetzt werden können. Ich kann hinzufügen: Viele Argen, z. B. im Werra-Meißner-Kreis – darüber haben wir erst gestern gesprochen –, stehen vor dem Problem, dass die Verträge zwischen den Kooperationspartnern auslaufen. Das Ganze schadet der Sache. Die arbeitslosen Menschen, die auf eine Grundsicherung angewiesen sind, werden die Leidtragenden sein.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Unrechtmäßigkeit der aktuellen Konstruktion der Argen haben wir GRÜNE unmissverständlich eine Grundgesetzänderung gefordert, die es ermöglicht, dass auch in Zukunft Hilfen für Langzeitarbeitslose aus einer Hand und unter einem Dach möglich sind. Wir haben erklärt, dass wir auch eine Stärkung der kommunalen Verantwortung wollen, damit ein Zurückdrängen unter anderem des Ein
flusses der Bundesagentur aus Nürnberg, und dass wir auch eine stärkere Öffnungsklausel – Achtung, FDP und CDU – für mehr Optierer für richtig halten, wenn die Kommunen vor Ort das wollen.
Der Antrag, den Sie eingebracht haben, ist bei uns zwar noch nicht diskutiert.Aber ich kann Ihnen sagen: Sie stoßen mit Ihren inhaltlichen Forderungen auf große Sympathie.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung lag nun vor. Er lag vor, ausgehandelt von zwei Ministerpräsidenten und dem Bundesarbeitsminister. Man hätte jetzt die Diskussion im Gesetzgebungsverfahren um die besten Lösungsansätze beginnen können, darüber, was die besten Lösungen für Langzeitarbeitslose sind, wie Langzeitarbeitslose Hilfen aus einer Hand bekommen,wie Hilfen unter einem Dach besser organisiert werden können, wie ihnen unbürokratischer, schneller und effektiv geholfen werden kann. Diese Lösungen werden vor der Bundestagswahl nicht mehr zustande kommen. Das ist für die Sache in hohem Maße schädlich.
Ich komme noch einmal auf das zuerst Gesagte zurück. Darum ging es der hessischen SPD in diesem Fall ja nun auch offensichtlich nicht. Der Antrag der SPD zielt unzweideutig auf die CDU in Berlin, die in letzter Minute den ausgehandelten Kompromiss zwischen Rüttgers, Beck und Scholz hat scheitern lassen. Die SPD will damit in Hessen Wahlkampf machen. Das ist vielleicht nicht illegitim, nach dem Motto: Schaut her, die CDU blockiert etwas. – Aber die gestrige Nacht ist ein Bild des Desasters für die Große Koalition. Sie hat 16 Punkte nicht durchbekommen, nicht zu Ende verhandelt und sich nicht einigen können. Wenn wir das jedes Mal hier aufrufen – ich habe das schon zu Beginn gesagt –, dann haben wir nichts anderes mehr zu tun. Ich möchte dringend davon abraten, dass wir uns mit den Problemen der Großen Koalition von CDU und SPD beschäftigen.
Ich habe mir den Spaß gemacht:Was bedeutet eigentlich, dass wir uns um die Langzeitarbeitslosen kümmern?