Protokoll der Sitzung vom 07.09.2010

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ja, ich glaube, dass sich die liberalen Ministerien dadurch kennzeichnen, dass sie unideologisch zielgerichtet die Probleme in unserem Land angehen, und das sind eben auch große gesellschaftliche Themen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Über all diesen Fragen steht aber natürlich, wie wir das Ganze finanzieren. Ich glaube, das ist auch der Grund dafür, warum die Initiative von CDU und FDP, in Hessen eine Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern und die Menschen über diese Frage abstimmen zu lassen – nur so können die Menschen an dieser Frage teilnehmen –, in den letzten Tagen jedenfalls in Kommentaren der Presse

so viel Unterstützung findet: weil die Bevölkerung weiß, dass nur, wenn sich die Politik selbst Handschellen anlegt und sie sich selbst bindet, keine Schulden mehr zu machen, dieses Thema erfolgreich sein kann.

Wir erleben doch, was passiert, wenn Politiker immer nur versprechen. Ich komme gleich noch zu Rheinland-Pfalz. Es ist ein abendfüllendes Thema, wenn man sich mit dem Bundesland beschäftigt. Aber klar ist doch, dass eine Schuldenbremse zunächst einmal das Bewusstsein schärft, dass wir nicht so weitermachen können.

Diese Landesregierung, beide Fraktionen wollen beispielsweise in Bildung investieren. Aber das können wir langfristig nicht, wenn wir ein Drittel unseres Etats für Zinsen und Tilgung verwenden.Das kann doch nicht wahr sein. Dieses Land hat doch keinen Spielraum mehr, wenn wir weiter so in die Verschuldung gehen.

Deshalb werbe ich noch einmal dafür, Kollege Al-Wazir, Kollege Schäfer-Gümbel, gerade mit dem, was der Ministerpräsident heute über die Finanzsituation der Kommunen und den sogenannten Rettungsschirm, diesen Zukunftspakt für die Kommunen,ausgeführt hat:Ja,wir werden die Kommunen durch diese Regelung nicht im Stich lassen. Es muss auch für die Kommunen einen Anreiz geben, sich endlich kostenbewusst zu verhalten. Ich sage aber auch: Nicht jede Kommune, die ich in Hessen erlebe, hat in den letzten Jahren das Zeichen der Zeit erkannt. Auch das gehört zur Wahrheit hinzu, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich werbe dafür, dass Sie bei dieser Verfassungsänderung mitmachen. Stellen Sie sich einmal vor, es tritt der schlimmste Fall ein: Schleswig-Holstein hat mit seiner Klage gegen die Bundesschuldenbremse Erfolg, und eine solche Regelung gilt in Hessen nicht mehr, weil sie nirgendwo mehr gilt.Dann müssen wir,verehrte Kolleginnen und Kollegen, gewappnet sein. Wir sollten es nicht dazu kommen lassen, keine eigene Regelung zu haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wie wäre es mit politischem Handeln?)

Deshalb wäre es schade, Herr Schäfer-Gümbel, wenn Sie bei den Linksegoisten des Deutschen Gewerkschaftsbundes mitmachen würden, die zurzeit nur an ihre eigene Generation denken und sich um die künftigen Generationen in keiner Weise scheren.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU)

Diesen Linksegoismus finde ich beachtlich; denn man hört sonst auch von vielen schriftlichen Publikationen, wie wichtig Generationengerechtigkeit ist. Aber wenn es einmal darum geht, Generationengerechtigkeit zu behaupten, sie kodifiziert in eine Verfassung zu übernehmen, dann kommen Vorschläge, dass das alles gar nicht so ernst gemeint war. Ich muss sagen, das bedauere ich.

Ich fände es schade, wenn die Sozialdemokraten und die GRÜNEN anders als auf Bundesebene, wo sie gemeinsam mit Christdemokraten und Liberalen diesen Weg gegangen sind, das in Hessen nicht gemeinsam mit uns machen würden. Das wäre bedauerlich, weil es auch kein gutes Zeichen für die Generationengerechtigkeit wäre, wenn sich zwei demokratische Parteien dort einfach ausnehmen würden. Ich würde das sehr bedauern.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zur Verfassungsänderung gehört genauso die Konsolidierung des Haushalts. 400 Millionen c sind kein Pappenstiel. Das haben wir beim vergangenen Haushalt bewiesen. Jeder Minister, jede Ministerin, aber natürlich auch jeder Abgeordnete hat daran mitgearbeitet, dass wir dort knapp 400 Millionen c eingespart haben. Das ist ein großer Erfolg gewesen.

Es ist aber klar, wir müssen auch über Einnahmen reden. Wenn es um Einnahmen geht, dann höre ich gerade auch von den Kollegen der GRÜNEN häufig: Wie können wir Gebühren,Abgaben oder Steuern erhöhen? – Ich glaube, dass man in einem Land,das eine so hohe Steuer- und Abgabenquote, wenn man beides zusammen sieht, hat wie die Bundesrepublik Deutschland, nicht darüber reden muss,wie man den Menschen,die jeden Tag zur Arbeit gehen, noch mehr wegnehmen kann. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das muss nicht unbedingt der Weg sein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist doch so. – Wir reden in diesem Landtag heute wieder – die Schülerbeförderung wird in dieser Woche noch eine Rolle spielen – über die Frage, und das ist auch gerecht: Wie kann man Menschen helfen, die keinen glücklichen Start ins Leben hatten?

Ich würde mir wünschen, wir würden auch einmal eine Debatte über die Eltern führen, die jeden Tag mit ihrem eigenen Auto, das sie teuer bezahlen, ihre Kinder zur Schule bringen. Die spielen in diesem Landtag leider nur eine untergeordnete Rolle, weil sich die ganzen sozialpolitischen Anliegen letztlich immer nur an bestimmte Gruppen richten und nicht an den normalen Steuerzahler. Das bedauere ich sehr.

Das Thema Einnahmenstabilisierung ist wichtig. Deswegen will ich Sie, Herr Kollege Schäfer-Gümbel, konkret und namentlich ansprechen. Ich finde es beachtlich, was passiert,wenn Fraktionen in diesem Hause über die Frage diskutieren, wie ein Länderfinanzausgleich organisiert ist. Dieses Instrument war einmal dazu gedacht, Bundesländern, die Strukturnachteile haben,auf eigene Füße zu helfen, damit sie irgendwann nicht mehr – ich sage es umgangssprachlich – von der Stütze aus anderen Bundesländern abhängig sind. Das war einmal die Grundidee.

Jetzt sorgt Rheinland-Pfalz beispielsweise dafür, dass dort noch mehr Kinderbetreuung kostenlos ist. Außerdem steckt es 800.000 c in das sogenannte Willy-Brandt-Forum. Ich habe nichts gegen Willy Brandt. Das will ich hier noch einmal unterstreichen. Aber wenn Rheinland-Pfalz 800.000 c Steuergelder in das Willy-Brandt-Forum steckt, dann finde ich es beachtlich, dass Sie nicht auf unserer Seite für hessische Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kämpfen, sondern den Schritt über den Rhein machen und mit Kurt Beck eine gute Figur abgeben wollen.

Das kann nicht der richtige Weg sein. Aber das war noch nicht einmal der Gipfel der Veranstaltung. Sie haben sich überlegt, wie man das Ganze noch pervertieren könnte, und haben in der letzten Woche mit der Generalsekretärin der SPD ein Plakat an der Theodor-Heuss-Brücke veröffentlicht – das ist die Brücke, die Wiesbaden und Mainz verbindet –, auf dem steht: Liebe Hessen, Sie verlassen das Land der gebührenfreien Bildung.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau!)

Wissen Sie, was viele Hessen da glauben? Dass sie sich von der SPD nicht veräppeln lassen wollen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Menschen in unserem Bundesland erwirtschaften erst die vielen Wohltaten, die von Kurt Beck in RheinlandPfalz versprochen worden sind.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Diese Menschen zahlen Steuern, und ihr Geld geht in den Länderfinanzausgleich. Sie können es sich nicht aussuchen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Bar jeder Sachkenntnis! Neid ist das Einzige, was die FDP noch kann! Das ist unerträglich!)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, die Hessinnen und Hessen dann noch zu veräppeln, das ist die Krone dieser Veranstaltung.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist Populismus bar jeder Kenntnis!)

Was sollen wir mit diesem Plakat machen? Sollen wir auf unserer Seite vielleicht auch ein Plakat aufstellen: „Hallo, Herr Beck, wann zahlen Sie Ihre Schulden zurück?“

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Unglaublich!)

Oder: „Hallo, liebe Rheinland-Pfälzer, willkommen in Hessen, wir zahlen Ihre Wahlgeschenke“? Das macht doch keinen Sinn.Herr Kollege Schäfer-Gümbel,Sie müssen sich entscheiden – zwischen Wiesbaden und Mainz fließt der Rhein –, auf welcher Seite des Rheins Sie Politik machen wollen.Wenn Sie sich für hessische Interessen einsetzen, dann wären Sie gut beraten, sich für einen Länderfinanzausgleich einzusetzen, der Hessen nicht benachteiligt.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ein niveauloses Geschwätz hier!)

Ich bin froh, dass die Fraktion der FDP in RheinlandPfalz das mittlerweile kritisch sieht und dass die Fraktionsvorsitzenden in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, das dieser Veranstaltung hoffentlich bald ein Ende macht. Denn dieser Länderfinanzausgleich kann so nicht sein.

Der Ministerpräsident hat es vorhin vorgerechnet.Unsere Schuldensituation wäre überhaupt nicht so, wenn wir diesen Länderfinanzausgleich nicht hätten.Klar ist auch,dass wir natürlich erst einmal in Verhandlungen eintreten müssen. Das halte ich auch für richtig. Aber ich gebe zu, dass das Plakat von Herrn Beck irgendwie dazu motiviert, direkt nach Karlsruhe zu gehen. Denn wer es nicht verstehen will, muss es sich dann halt durch Gerichte erklären lassen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir müssen auch diese Probleme gelöst bekommen, und dafür stehen CDU und FDP. Auch die Landesregierung hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Deswegen werden wir die Klage oder wenigstens eine Neuverhandlung zu diesem Thema vorbereiten und auch durchsetzen. Dafür muss das nächste Jahr dienen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Dann werden wir auch die Finanzsituation an einer ganz entscheidenden Stelle hoffentlich zum Positiven verändert haben.

Ich komme zu meinem letzten Punkt. Ich glaube, dass wir in diesem Bundesland damit weitermachen müssen, mutige Politik zu gestalten.Wir haben in Hessen ein Bundesland, das wirtschaftsstark ist, das im Rahmen der Bildung unglaublich aufgeholt hat. Allein die Zahl von knapp 7.000 eingestellten Lehrern in zehn Jahren ist unglaublich, wenn man sieht, was wir dort investiert haben.Wir haben in unsere Hochschulen investiert. Wir haben motivierte Bürgerinnen und Bürger. Wir haben ein Pro-Kopf-Einkommen, das höher ist als in vielen anderen Ländern. Die Hessen sind eben auch ein fleißiges Volk.

Deshalb glaube ich, meine Damen und Herren: Dieses Bundesland hat alle Chancen – alle Chancen.Wir können mit unserem Konsolidierungskurs fortfahren; das ist mutig und richtig. Wir werden weiterhin Prioritäten für Bildung setzen; auch das ist richtig.

Meine Damen und Herren, wir müssen auch gelegentlich den Mut haben, nicht dem Mainstream der Gutmenschen immer noch hinterherzulaufen,dem wir häufig unterlegen sind, wenn wir medial diskutieren.

Deshalb will ich zum Abschluss sagen: Dieses Bundesland muss weiterhin Mut haben, sich auch bei seinen Ausgaben für Bereiche einzusetzen, die möglicherweise dazu führen, dass wir ein Stück besser sind als andere. Da ist z. B. Schloss Hansenberg im Rheingau, das eine Schule für Menschen mit Hochbegabung ist. Gott sei Dank haben wir dieses Internat. Es ist eine der ganz zentralen Säulen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Aber ich sage auch, dass es nicht schadet, eine Universität wie die EBS zu haben,die möglicherweise auch Studenten nach Hessen holt, die in vielen Fällen irgendwann einmal Führungspositionen in der Wirtschaft übernehmen. Was soll daran schlecht sein?

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nein, wer Schwache fördert, Herr Al-Wazir, der darf auch Starke fördern. Da müssen wir uns von Ihnen nichts vorschreiben lassen.

(Beifall bei der FDP)