Hier steht vor allem der Ökopunktehandel für eine funktionierende Eingriffs- und Ausgleichsplanung im Mittelpunkt. Dies ist ein gutes und richtiges Instrument, um Natur- und Artenschutz z. B. mit Infrastrukturprojekten vereinbaren zu können. Durch einen funktionierenden Ökopunktehandel können Flächen geschont, Naturschutz optimiert und dabei Land- und Forstwirte entlastet werden.
Leider gestaltet sich die Umsetzung schwieriger als erhofft. Wenn z. B. in Nordhessen 11 Millionen Ökopunkte im Pool sind, jährlich aber nur 600.000 als Kompensation herangezogen und stattdessen immer weitere Flächen in Beschlag genommen werden, ist das nicht zielführend. Man wird sich hier noch darüber unterhalten müssen, wie der Vollzug nach dem Grundsatz Kooperation statt Konfrontation optimiert werden kann.
Darüber kann in der Verbandsanhörung und der Diskussion im Ausschuss noch gesprochen werden. Es muss und wird uns gelingen, den Ökopunktehandel signifikant zu stärken.
Lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Der Gesetzentwurf verankert die bewährten Regeln des hessischen Naturschutzes im neuen Rechtsrahmen und passt Einzelheiten den realen Gegebenheiten vor Ort an. Damit erreichen wir Kontinuität und Stabilität, Rechtssicherheit und eine weitere Verbesserung der hohen hessischen Naturschutzstandards. – Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Novelle des Hessischen Naturschutzgesetzes von 2006 war ein Frontalangriff auf das Naturschutzrecht. Das reichte den Wirtschaftslobbyisten offensichtlich nicht; denn bereits in der Begründung des Entwurfs zur Novelle kündigt die Landesregierung an, dass sie im Interesse einer gedeihlichen wirtschaftlichen Entwicklung weiter gehende Vereinfachungen und Entschärfungen des Naturschutzrechts für geboten hält. „Wir wollen die Kosten für Infrastrukturvorhaben senken und den Natur- und Umweltschutz auf ein volkswirtschaftlich akzeptables Niveau bringen“, sagte Herr Posch und unterstrich damit unlängst nochmals die Position der Landesregierung.
Weiter schlug der Minister vor, die Vorschriften zumindest für die Zeit der Krise auszusetzen und die Entscheidung, ob öffentliches Interesse oder Artenschutz vorgehe, politisch zu treffen.
Wo sind wir nicht? – Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Entscheidung politisch bereits getroffen ist; denn der Naturschutz hat in Hessen Verfassungsrang. Mit der Forderung, entsprechende Naturschutzvorschriften zumindest für die Zeit der Krise auszusetzen, verlässt Herr Minister Posch den Rahmen der Verfassung.
Mit Aussagen wie, dass der Bau der A 44 zum Schutz der Kammmolche um 50 Millionen c teurer geworden sei und der Steuerzahler nun für jeden Lurch rund 10.000 c zahlen müsse, verbreitet Minister Posch die Botschaft:
(Zurufe der Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) und Clemens Reif (CDU) – Peter Stephan (CDU): Teure Lurche!)
Dieser Beifall zeigt deutlich, wo Sie beim Naturschutz stehen. Das ist Ihr Grundverständnis von Naturschutzgesetzgebung.
Der Schutz von Arten setzt zwingend den Erhalt ihrer Lebensräume voraus. Artenschutz ohne Biotopschutz ist in der Sammlung ausgestopfter Tiere im Frankfurter Senckenbergmuseum zu finden. Arten- und Biotopschutz ist zentral für die Aufrechterhaltung der Gesamtheit der Leistungen ökologischer Gefüge. Damit reicht er weit über den Schutz der einzelnen Spezies hinaus. Ich verstehe nicht, warum Sie das nicht begreifen können.
Die Gesetzgebung zum Schutz unserer Lebensgrundlagen ist kein Luxus für bessere Zeiten, und entsprechende Vorschriften dürfen nicht außer Kraft gesetzt werden, auch wenn Banker mit hoch riskanten Finanztransaktionen uns in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt haben.
Frau Ministerin Puttrich, die LINKE-Fraktion erwartet von Ihnen als Umweltministerin ein entschiedenes Eintreten für einen umfassenden Natur- und Umweltschutz, der in der Lage ist, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten.
Der Flächenverbrauch für Siedlungen und Verkehr steigt jeden Tag um ca. 104 ha – und das bei schrumpfenden Be
völkerungszahlen. Nationales Nachhaltigkeitsziel ist, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 3.000 ha pro Tag zu senken.
Gegenüber 1975 ist die Artenzahl in Deutschland auf ein Niveau von 69 % geschrumpft. Nationales Nachhaltigkeitsziel ist eine Trendumkehr.Von beiden Zielen sind wir weit entfernt. Das ist die bittere Realität. Die können auch Sie nicht leugnen. Flächenverbrauch und Artenzahl sind die Nagelprobe für die Wirksamkeit eines Naturschutzes.
Bemerkenswert ist – da bin ich ganz bei meiner Vorrednerin –, dass der Gesetzentwurf immer nur nach unten abweicht, also Standards senkt und nie eine gute naturschutzfachliche Praxis erreicht. So ist es im Vertragsnaturschutz. Grundsätzlich kann Vertragsnaturschutz den ordnungsrechtlichen Naturschutz gut ergänzen. Für DIE LINKE bleibt Naturschutz aufgrund seiner erheblichen Bedeutung für den Schutz unserer Lebensgrundlagen eine öffentliche Aufgabe und darf nicht größtenteils über privatwirtschaftliche Verträge geregelt werden, wie die Landesregierung es anstrebt. Besonders gravierend fällt die Abweichung nach unten bei der Beteiligung von Verbänden ins Gewicht.
Abschließend möchte ich noch festhalten, dass der hessische Gesetzentwurf schlicht unlesbar ist. Die europäische Naturschutzgesetzgebung bildet mit der des Bundes und der Länder einen derart komplexen Verweisungszusammenhang, dass das Gesetz nur noch Spezialisten verstehen. Aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz sehen Expertinnen und Experten im Planungsrecht eine Flut von Verfahren um jedes größere Bauvorhaben auf uns zurollen. In dieser Situation wirken die sogenannten Vereinfachungen,die im hessischen Gesetzentwurf vorgeschlagen werden, nur kontraproduktiv.
Die Änderungen, die nötig wären, um aus dem vorliegenden Entwurf ein Natur s c h u t z gesetz zu machen, wären so umfangreich, dass es nur schwer vorstellbar ist, sie in diesem Gesetzgebungsverfahren zu realisieren. Überdies ist die Beratungsresistenz der Landesregierung in diesem Bereich legendär. Das kann man an Ihrem Beifallklatschen sehen. Wir werden diesem Gesetzentwurf deshalb auf keinen Fall zustimmen.
Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es bedauerlich, dass am Ende der Ausführungen von Frau Schott stand, dass sie dem Gesetzentwurf auf keinen Fall zustimmen werde. Ich habe gedacht, wir üben jetzt einen neuen Stil, einen neuen Landtag, und wir gehen offen in die Anhörung zu der Naturschutzgesetzgebung,
(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Den haben Sie gerade unter Beweis gestellt! – Günter Rudolph (SPD): Ihr macht aber die alte Politik!)
Darum geht es. Naturschutz gegen die Menschen zu machen, das wird nicht möglich sein. Ich habe es an diesem Pult schon des Öfteren gesagt: Wir müssen den Naturschutz in den Köpfen der Menschen verankern. Das muss das Ziel einer Naturschutzgesetzgebung sein.
Wenn die Menschen mitmachen, können wir den Naturschutz auch umsetzen. Ich will es Ihnen an ein paar Beispielen deutlich machen.
Die Ministerin hat eben ausgeführt, dass es die EU-Gesetzgebung und bundesgesetzliche Regelungen zur Föderalismusreform gibt. All das wirkt hierauf ein. Herr Kollege Görig, aber in diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung – deshalb vorhin auch mein Beifall –,
auch wenn er von der Großen Koalition war,finden wir einiges wieder,was wir im Hessischen Naturschutzgesetz im Jahre 2006 verankert haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen sollten wir auch darangehen,das fortzuführen,was sich in diesen Jahren als praktikabel und umsetzbar erwiesen hat. Das, was wir den Menschen nicht verdeutlichen können, sorgt dafür, dass die Menschen den Naturschutz nicht ernst nehmen und ihn nicht fördern, sondern sich abwehrend verhalten. Dazu gehört auch, was Frau Schott als Beispiel angesprochen hat, dass wir es den Menschen nicht verdeutlichen können, dass für einen Kammmolch 10.000 c ausgegeben werden müssen, wenn es denn so ist, wie es Herr Minister Posch darstellt. Deshalb ist hier schon mehrfach die Aufforderung erwähnt worden: praktikablen und umsetzbaren Naturschutz und Kooperation statt Konfrontation.