Ich habe mich aus zwei Gründen zu Wort gemeldet, um zwei Punkte sehr klarzustellen. Der erste betrifft Herrn Dr.Wilken, der es in der Tat geschafft hat, mich zu provozieren, und dann meinte, er würde sich von mir das Recht zur freien Rede nicht nehmen lassen. Herr Kollege Dr. Wilken, ich sage Ihnen, in mir werden Sie jemanden finden, der auch Ihre Redefreiheit immer verteidigen wird, auch wenn Sie das Gegenteil von dem sagen, was hinnehmbar und akzeptabel ist. Aber Sie müssen es einem Freund der Freiheit zugestehen, dass er sich empört, wenn solche Aussagen getätigt werden, wie Sie sie hier getätigt haben.
Meine Damen und Herren, ich hebe hervor, es ist nicht nur das Recht eines Freundes der Freiheit, sich dann zu empören, sondern es ist geradezu Bürgerpflicht, dies zu tun, wenn sich hier ein Vertreter einer Partei hinstellt und erklärt, dass Unrechtsjustiz in der DDR ein bürgerfreundliches System gewesen sei.
Der zweite Punkt. Herr Kollege Rudolph, ich hatte es schon gesagt: Der Tag begann versöhnlich. – Ich hatte allerdings schon eine Ahnung, dass sich das in eine
schlechte Richtung entwickelt, als ich den Antrag der SPD-Fraktion las, der davon gekennzeichnet ist, dass man über weite Strecken das abgeschrieben hat,was im Antrag von Union und FDP niedergelegt ist,und ein bisschen was dazugeschrieben hat. Ich habe nicht vom Rednerpult, nicht in einer begründbaren Debatte, sondern in einem kurzen Ruf quer durchs Plenum zu Ihnen gesagt, der Rest sei Mist.Der Begriff,das räume ich Ihnen ein,trifft es vielleicht nicht richtig.
(Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nicht alles, was dort steht, ist absoluter Müll. Aber das, was erkennbar ist, ist die Absicht, die hinter diesem Antrag der SPD steht. Es ist die Absicht, nicht zu einen,
sondern zu spalten. Ich darf nur zwei Beispiele aus der Nr. 2 Ihres Antrages nennen. Sie schreiben dort etwas von der zunehmenden sozialen Spaltung der Gesellschaft. Darüber können wir gerne diskutieren.Aber dann tun wir das dort, wo es hingehört, und nicht in der Frage des Gedenkens an die deutsche Einheit.
Wenn Sie behaupten oder unterstellen, dass „solidarische Grundwerte in Deutschland politisch nicht gestaltet“ würden – meine Damen und Herren, da ist die Absicht, irgendetwas aufzuschreiben, dem wir nicht zustimmen können. Die Rechnung geht auf. Diesen Kram werden wir ablehnen.
Ich will positiv hervorheben: Die GRÜNEN haben einen Änderungsantrag in Kenntnis dessen gestellt,dass es auch schwierige Themen in diesem Hause gibt. Das betrifft die Nr. 2 des GRÜNEN-Antrages. Man hat darin wortwörtlich übernommen, was wir ungefähr vor einem Jahr mühsam miteinander ausgehandelt haben.Das ist okay.Was in dem SPD-Antrag steht, geht bewusst von dieser Einigung ab,
eben nicht um zu einigen, sondern um zu spalten. Deswegen ist dieser SPD-Antrag weitgehend abgeschrieben und ansonsten so in dieser Form und an dieser Stelle nicht akzeptabel.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es heute tatsächlich geschafft, aus einem würdigen und feierlichen Anlass eine politische Schlammschlacht werden zu lassen.
Es hätte uns gut angestanden, in der heutigen Debatte nicht nur das Geschenk der deutschen Einheit zu feiern,
sondern auch darauf zu verweisen,wer die Hauptverdienste hat. Das Hauptverdienst an der deutschen Einheit haben die Männer und Frauen, die in einer für sie nicht einfachen Situation in der ehemaligen DDR für Freiheit und Demokratie, für soziale Grundrechte und am Ende auch für die deutsche Einheit auf die Straße gegangen sind.
Es war nicht das Verdienst der westdeutschen Politik. Es waren genau diese Männer und Frauen, die den Grundstein dafür gelegt haben,
dass anschließend im Einigungsprozess durch viele kluge Entscheidungen, unter anderem damals durch die Bundesregierung unter Führung von Helmut Kohl – gestern Abend gab es dazu eine sehr beeindruckende Dokumentation –, die Weichen in einem auch diplomatisch nicht einfachen Umfeld so gestaltet wurden, dass es zur deutschen Einheit kommen konnte.
Michail Gorbatschow und andere haben den Weg freigemacht. Sie haben das begleitet. Sie haben das unterstützt. Ohne die wäre das gar nicht möglich gewesen.Aber es gab eben auch eine Vorgeschichte, eine Vorgeschichte der Entspannungspolitik, die überhaupt ein Debattenklima ermöglicht hat,um diese diplomatischen Erfolge zu legen.
Herr Greilich, darauf legen wir in unserem Antrag großen Wert: Das ist das Vermächtnis und auch der Beitrag von Willy Brandt,von Helmut Schmidt,von Walter Scheel und vielen anderen. Das als Mist abzuqualifizieren ist respektlos, Herr Greilich.
Der Beitrag von Herrn Wagner setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Das wäre alles möglich gewesen – –
Herr Dr. Wagner, Entschuldigung. Herr Rudolph hat darauf verwiesen, dass ein Zwischenruf, das sei Mist, in einer solchen Debatte nicht akzeptabel ist.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ich habe den Landesparteitag zitiert! Sie wollten die Wiedervereinigung damals nicht!)
Herr Wagner, ich komme darauf. – Darauf mit einem Zwischenruf zu reagieren, das sei alles Mist, ist nicht angemessen. Es waren acht Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die in einem Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht den Einigungsvertrag stoppen wollten. Es waren keine sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten, Herr Wagner.
Es war Frau Steinbach,die in der letzten Woche von Ihnen noch gewürdigt wurde, auch vom Ministerpräsidenten in seiner Funktion als CDU-Landesvorsitzender – obwohl sie gegen die Grenzziehung im Zwei-plus-Vier-Vertrag im Deutschen Bundestag opponiert hat.
Dann kommen wir zum wirklich infamsten Teil, den Sie anzulegen versucht haben, auch in Ihrem Antrag. Ich bedauere es sehr, dass weder Sie, Herr Wagner – und das ist der neue Stil –, noch die FDP die Kraft und den Willen zu einem gemeinsamen Antrag hatten. Es gab von Ihnen dazu keine Initiative.
Herr Wagner, daraufhin hier eine Debatte anzufangen nach dem Motto, der Beitritt zur Ost-CDU sei ein Ausdruck von Widerstand gewesen,
Herr Wagner, unsere strukturelle politische Schwäche, die wir im Osten Deutschlands immer noch haben, resultiert aus einer sehr klaren politischen Entscheidung, zu der Sie als Union nicht den Mut hatten.