Protokoll der Sitzung vom 16.11.2010

in seiner Stellungnahme vom 12. November 2004 zu dem Gesetzentwurf in Nordrhein-Westfalen ausdrücklich angemerkt hat, dass man sich bei der Gesetzgebung auf die Korruptionstatbestände reduzieren und beschränken soll.

Herr Kollege Schork, Sie müssen zum Schluss kommen. Die Redezeit ist um.

Noch zwei Bemerkungen. Die Frage ist, ob § 4 abschließend alles regelt. Ich weise auch noch auf § 4 Abs. 3 hin, der etwas unpräzise ist.

Die wenigen Bemerkungen zu dem Gesetzentwurf sollen deutlich machen, dass es neben der grundsätzlichen Frage: „Wie regeln wir es?“ Diskussions- und Erörterungsbedarf in den Ausschüssen gibt. Ich denke, das tun wir gemeinsam,um zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Schork. – Als Nächster spricht Herr Dr. Blechschmidt, FDP, zu uns.

(Günter Rudolph (SPD): Wollen wir schauen, ob der Koalitionspartner das auch so sieht! Er schüttelt schon das Haupt! Schade! – Thorsten SchäferGümbel (SPD): Dabei weiß er es besser! – Günter Rudolph (SPD): Und er hat auch Ahnung!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Kollege Rudolph, nichts ist kalkulierbarer als Ihre Zwischenrufe. Deshalb schüttele ich das Haupt und sage: Die FDP sieht das genauso. Ich bin dem Kollegen Schork sehr dankbar, wie er es eben auf den Punkt gebracht hat.

(Zuruf von der SPD: Er hat doch nur gefragt!)

Der Herr Rudolph regt sich gar nicht auf.Warum regen Sie sich dann auf? Hören Sie doch bitte einfach zu. – Herr Schork hat die Istsituation so geschildert, wie das von der SPD, von Ihnen, Frau Faeser, dargestellt wurde. Er hat dies ergänzt, die Situation in Hessen beschrieben und auch das, was mit der Geschichte dieses Gesetzentwurfs einhergeht, auf den Punkt gebracht. Die Diskussion in den Parlamenten ist nicht neu. Bezeichnenderweise haben nur zwei Bundesländer – eines hat den Rückzug gemacht – das in der Landesgesetzgebung geregelt. Unisono wird gesagt, dass es eine Bundesregelung werden soll und in den Bundestag hineingehört.

Der Kollege Schork hat auch deutlich gemacht,dass in der Großen Koalition ein Gesetzentwurf gegeben war, und hat das wunderbar auf den Punkt gebracht. Ich könnte Ihnen zum Nachlesen sogar noch die Bundestagsdrucksache geben. Dieser Entwurf wurde von drei Fraktionen mit guten Argumenten – auch die FDP hat damals mit der Großen Koalition gestimmt – abgewiesen. Das hat – auch das ist alles nachlesbar – alles Hand und Fuß. Der Kollege Schork hat versucht, das auf den Punkt zu bringen. Ich glaube,er hat das auch sehr gut gemacht.Deshalb schließe ich mich und schließt sich die FDP diesen Ausführungen an.

Diese Sache ist auch nicht neu. Wer recherchiert und die Geschichte dieses Gesetzentwurfs nachliest, kommt automatisch zu dem Beschluss der Ständigen Konferenz der

Innenminister und -senatoren der Länder vom 16.12.2002 und kann die Berichte zur Kenntnis nehmen. Man kommt dann immer wieder auf den Punkt, dass in den Ländern unisono und von all denjenigen,die es geregelt haben wollen, deutlich wird, dass eine bundeseinheitliche Lösung das Richtige ist. Das wird in den Länderparlamenten diskutiert. Nichts anderes ist in Hessen der Fall.

Auch dass wir gleichwohl gut aufgehoben sind, hat der Kollege Schork auf den Punkt gebracht.Wir haben keinen rechtsfreien Raum, sondern wir haben eine Regelung – auch da schließe ich mich den Ausführungen des Vorredners an –, die die entsprechenden Instrumentarien bietet, um dem – ich will es so bezeichnen – Gift der Korruption in Hessen entgegenzutreten. Gleichwohl ist eine bundeseinheitliche Lösung geboten.

Ich möchte noch einmal deutlich machen – da hat Herr Schork aufgehört, weil die Zeit zu Ende gegangen ist –: Wir als Liberale sagen, Ihr Entwurf, über den wir im Ausschuss noch zu beraten haben, ist auch unter Rechtmäßigkeits- und Verfassungsmäßigkeitsgrundsätzen nicht haltbar.Herr Kollege Schork hat § 4 dargelegt.Wir sehen,dass der Entwurf der SPD in diesem § 4 Abs. 2 nicht verfassungsgemäß ist und eine Umkehrung der Unschuldsvermutung beinhaltet.

(Beifall bei der FDP)

Das wird von uns Liberalen sehr ernst genommen und hochgehalten. Darauf werden wir in der Ausschussberatung noch einmal eingehen.

Wer nicht nur eine strafrechtliche Verurteilung in das Register aufnehmen will, sondern schon die Zulassung der Anklage, den Erlass eines Strafbefehls, die Einstellung eines Verfahrens und die gerichtliche Feststellung eines dringenden Tatverdachtes, überreizt das, was für uns Liberale wichtig ist, nämlich dass ein entsprechender Entwurf auch verhältnismäßig und verfassungsmäßig sein muss. Das jedoch ist eine klassische Umkehrung der Unschuldsvermutung. Wir werden in der Ausschussberatung noch einmal den Finger in die Wunde legen: so nicht.

Deshalb vertreten wir die Auffassung, dass dieser Komplex bundeseinheitlich zu regeln ist und nicht durch Ländergesetzgebung. Hessen ist gut aufgestellt. Wenn Handlungsbedarf besteht, dann richtig, aber dann auf Bundesebene. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Dr. Blechschmidt. – Ich darf Frau Wissler für die Fraktion DIE LINKE das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat vor einiger Zeit eine Broschüre zur Korruptionsprävention bei der öffentlichen Vergabe herausgegeben. Darin ist nachzulesen – ich zitiere –, „dass sich die Ausbreitung der Korruption insbesondere in den letzten Jahren zu einem gravierenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und auch politischen Problem entwickelt hat“.

Es wird empfohlen, dass die Städte und Gemeinden zur Verhinderung von Manipulationen und zur Bekämpfung von Korruption offensiv eigene Antikorruptionsstrate

gien entwickeln. Ich denke, das hat auch seine Berechtigung; denn die öffentliche Hand ist der größte Auftraggeber in Deutschland mit einem geschätzten Auftragsvolumen von 360 Milliarden c im Jahr. Das entspricht etwa 17 % des Bruttoinlandprodukts.

Meine Damen und Herren, bei der öffentlichen Vergabe werden Standards für das gesamte Wirtschaftsleben gesetzt. Deshalb liegt hier eine ganz besondere Verantwortung. Die öffentliche Vergabepraxis muss berücksichtigen, ob Umweltstandards eingehalten werden, ob vernünftige Löhne gezahlt werden, vor allem aber muss das Verfahren transparent und nachvollziehbar sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben bereits vor über einem Jahr ein Vergabegesetz in den Landtag eingebracht, das die Landesregierung dazu verpflichten soll, soziale und ökologische Kriterien bei der Vergabe zu berücksichtigen.Aber ich muss ehrlich sagen,dass wir in den vergangenen Wochen schon froh gewesen wären, wenn sich die Landesregierung bei der Vergabe an die bereits existierenden Regelungen gehalten hätte. Dann müssten wir uns nämlich nicht mit Unregelmäßigkeiten bei der Beschaffung im IT-Bereich beschäftigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Deutschland nimmt auf dem aktuellen Korruptionsindex von Transparency International den 15. Platz ein; im Jahr davor war es noch der 14.Allein das zeigt, dass Korruption auch in Deutschland, auch in Hessen, ein Thema ist. Korruption – da möchte ich die Kolleginnen und Kollegen von der SPD ergänzen – ist nicht nur deshalb ein Problem, weil sie den freien Wettbewerb einschränkt und das Ansehen staatlicher Institutionen schmälert. Korruption ist vor allem die Verselbstständigung von Macht. Bei Korruption geht es darum, dass Menschen Befugnisse und Ressourcen, die ihnen zur Verwaltung zum Wohle der Allgemeinheit anvertraut werden, zu ihrem persönlichen Nutzen gebrauchen und daher missbrauchen. Menschen, die Steuern zahlen und sich auf die öffentliche Verwaltung verlassen, werden betrogen, und ihr Geld wird veruntreut.

Aber ich muss sagen, ich kann der Begründung der SPD in einem Punkt nicht ganz folgen, wenn es da heißt, es sei „sicherzustellen, dass Entscheidungen ausgeschlossen werden, die nicht auf betriebswirtschaftlicher Basis getroffen wurden“. Vielleicht ist es nur eine unglückliche Formulierung; denn selbst nach dem Rüffert-Urteil ist es EU-rechtlich möglich und erlaubt, die Vergabe an nicht nur rein betriebswirtschaftliche Ziele zu koppeln,sondern mit der Vergabe öffentlicher Aufträge auch zu verfolgen, dass z. B. volkswirtschaftliche, soziale und ökologische Kriterien eingehalten werden. Deshalb setzen wir uns auch dafür ein, dass von diesen Möglichkeiten nach dem Rüffert-Urteil Gebrauch gemacht wird. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es in Sinne der SPD ist, diese Möglichkeit wieder einzuschränken und die Auftragsvergabe auf rein betriebswirtschaftliche Aspekte zu beschränken.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das wirtschaftliche Problem bei der Korruption ist, dass Geld ohne entsprechende Gegenleistung verausgabt wird. Durch Absprachen und Bestechung gelangen Bieter an Aufträge. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man mehr bezahlt, um sicherzustellen, dass bei der Auftragserfüllung Tariflöhne gezahlt werden,keine Kinderarbeit verrichtet oder kein geschütz

tes Tropenholz eingesetzt wird. Das ist ein sinnvoller Mitteleinsatz zur Erreichung wichtiger gesellschaftlicher Ziele. Das andere hingegen ist eine Verschwendung öffentlicher Mittel und private Bereicherung.

Meine Damen und Herren, dass solche Vorgänge auch Auswirkungen auf das Ansehen der gesamten öffentlichen Verwaltung und gewählter Mandatsträger haben, liegt natürlich auf der Hand. Insbesondere im Baugewerbe haben wir das Problem, dass es immer wieder zu illegalen Machenschaften bei der Auftragsvergabe kommt, dass Bestechung, Preisabsprachen, aber auch das Unterlaufen des Arbeitsgesetzbuches leider häufige Begleiterscheinungen des Geschäfts zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern sind.

Daher greift der Gesetzentwurf ein Anliegen auf, dass allen am Herzen liegen sollte, insbesondere denen, die sich immer damit brüsten, für Recht und Ordnung zu sorgen. Die Idee, ein solches Korruptionsregister einzurichten, in dem gelistet wird, wer nachweislich seine Unzuverlässigkeit bewiesen hat, ist nicht neu, aber es ist eine sehr richtige Idee. Sie wird im Übrigen – Herr Schork hat es angesprochen – auch von Transparency International erhoben.

Meine Damen und Herren, auch die Weltbank hat gute Erfahrungen mit der Einrichtung eines solchen Registers gemacht.Die Weltbank arbeitet seit über 20 Jahren mit ihrer schwarzen Liste. Ich denke, wenn eine so einfache Maßnahme wie die Sammlung von Daten straffällig gewordener Unternehmen als „bürokratischer Überaufwand“ im Hessischen Landtag abgelehnt würde, dann würde das schon ein sehr fragwürdiges Licht auf die Mehrheit im Hessischen Landtag werfen, gerade vor dem Hintergrund von zahlreichen Skandälchen und Untersuchungsausschüssen, die wir derzeit haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe das Gefühl, dass das auch die Mehrheitsfraktionen im Hessischen Landtag erkannt haben. Herr Schork, Ihre Rede war ein bisschen nach dem Motto: „Fragend schreiten wir voran“. Aber sie hat ein bisschen die Hoffnung geweckt, dass die Regierungsmehrheit, die wir im Hessischen Landtag haben, diesen Gesetzentwurf ausnahmsweise nicht ungesehen ablehnen wird, sondern dass Sie wirklich vorhaben, in der Anhörung auch einmal zuzuhören und zumindest Teile des Gesetzes in die Realität umsetzen zu wollen.

(Günter Schork (CDU): Sie kennen doch den Mönch Abaelard, der gesagt hat: „Der Zweifel lässt fragen“!)

Meine Damen und Herren, der Gesamtschaden, der jährlich durch die verschiedenen Arten von Wirtschaftskriminalität entsteht, wird auf etwa 200 Milliarden c geschätzt; davon sind 2 Milliarden c Schäden durch Korruption. Das gibt einmal einen Eindruck davon, von welchen Dimensionen wir hier reden. Nur ein Bruchteil davon wird aufgeklärt oder auch nur verfolgt. Das zeigt einmal mehr, dass die schönsten Gesetze, Vorgaben und Richtlinien wertlos sind, wenn im Zuge der sogenannten Entbürokratisierung dafür gesorgt wird, dass nicht mehr auf die Einhaltung geachtet werden kann. Denn dafür braucht man Personal, und man braucht den politischen Willen, auch dieser Art von Kriminalität einen Riegel vorzuschieben. Ohne die nötige personelle Ausstattung machen auch die schönsten Gesetze, sei es ein Korruptionsregister oder ein Vergabegesetz, keinen Sinn, wenn es niemanden gibt, der ein solches Korruptionsregister pflegt, es bekannt macht und dafür sorgt, dass es in der Praxis eingesetzt wird.

Deshalb müssen wir in der Anhörung nicht nur über das Gesetzt diskutieren, sondern auch darüber, wie so ein Gesetz praktisch umgesetzt werden kann und wie dafür, damit es kein Papiertiger bleibt,neue Stellen im öffentlichen Dienst geschaffen werden müssen, die ein solches Korruptionsregister dann auch führen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber grundsätzlich teilen wir die Ansicht, dass ein Korruptionsregister eine präventive Wirkung entfalten würde. Deshalb werden wir trotz kleiner Detailkritik dem Gesetzentwurf grundsätzlich zustimmen und sind gespannt auf die Ergebnisse der Anhörung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Wissler. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Schork gemeldet.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Danke, dass Sie zustimmen wollen!)

Herr Präsident! Frau Kollegin Wissler, weil Sie die Frage direkt an mich gerichtet haben, will ich Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben. Sie kennen sicher den Mönch Abaelard, der vor Jahrhunderten gesagt hat: „Der Zweifel lässt fragen,und durch Fragen erfahren wir die Wahrheit.“ Das wollen wir in den Ausschüssen gemeinsam diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Schork. – Dann darf ich Herrn Staatsminister Posch das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Satz vorneweg,von dem ich glaube,dass er das zusammenfasst, was alle Fraktionen hier gesagt haben: Korruption untergräbt das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung, und deswegen muss alles unternommen werden, um genau diesen Sachverhalt nicht eintreten zu lassen. – Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Das habe ich den Debattenbeiträgen entnommen.

Ich möchte allerdings nicht den Eindruck entstehen lassen, als hätten wir in der Vergangenheit nichts getan. Das Gegenteil ist der Fall. Ich sage das für alle Landesregierungen der Vergangenheit, weil ich glaube, dass die Bekämpfung der Korruption in der öffentlichen Verwaltung ein Kernanliegen jeder Landesregierung sein muss.