Zur Wahrhaftigkeit gehört mit hinzu, dass wir es in diesem Jahr erstmalig geschafft haben, annähernd die 3.500 Plätze zu besetzen, unabhängig davon, dass wir massiv dafür geworben haben. Wenn wir die Umschüler und die, die mit Bildungsgutscheinen der Bundesregierung ausgestattet worden sind und für die der Bund die Ausbildungskosten bis zum Ende übernommen hat, hinzunimmt, haben wir in diesem Jahr einen historischen Höchststand bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen in der Altenpflege in einer Größenordnung von weit mehr als 4.000 Personen, die diesen Beruf anstreben.
Wir wissen auch, dass dies nicht ausreichend ist, um den Bedarf insgesamt zu decken. Deswegen werden wir, wie Herr Kollege Bartelt es eben richtig dargestellt hat, auch im Hinblick auf die Zielvereinbarungen, die wir in Zukunft mit den Kommunen abschließen werden, ein besonderes Augenmerk darauf richten, dass wir eine entsprechende Steuerung im Bereich der Altenpflege hinbekommen. Richtig ist auch, dass wir die Ausbildung insgesamt überdenken müssen. Wir müssen die Frage stellen, wie Krankenpflege und Altenpflege zusammengefasst werden können, um dem zukünftigen Bedarf Rechnung zu tragen.
Einen Punkt will ich an dieser Stelle auch nennen, und er wird möglicherweise zu einigen Diskussionen in unserem Land führen. Bei all den Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung, bei all den Maßnahmen, die wir unternehmen, beispielsweise für junge Migranten – wir haben gerade ein Pilotprojekt gestartet, um junge Migranten für die Altenpflege zu gewinnen –, müssen wir auch den Bedarf an stationären Einrichtungen in Hessen immer im Auge haben.
Der Pflegemonitor, aber auch die Bedarfsfeststellungen der regionalen Sozialberichterstattungen zeigen, dass vor Ort immer noch ungebremst ein Zuwachs von stationären Einrichtungen mit der Folge geschieht, dass Plätze zum Teil nicht besetzt werden können und trotzdem der Ruf nach Pflegekräften immer lauter wird.
Deswegen sind viele, die vor Ort Verantwortung tragen, mit dazu aufgerufen, sich diese Zahlen genau anzuschauen. Wie es in der Koalitionsvereinbarung niederge
legt ist, wird die Hessische Landesregierung in Zukunft Förderungen von Neubauten nur dann vornehmen, wenn es Ersatzneubauten und nicht vollständig neue Bauten sind.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Das wird auch dazu führen, dass manche Dinge, von denen man vor Ort meint, dass sie eigentlich gefördert werden müssten und es jetzt an der Zeit sei, dass endlich eine entsprechende Förderung kommt, in Zukunft nicht mehr gefördert werden, wenn nicht vor Ort der Bedarf festgestellt wird. Es gibt eine Verantwortlichkeit, sich auf der kommunalen Seite die jeweilige örtliche Situation genau anzuschauen. Es schießen nicht geförderte, von privaten Trägern gebaute Pflegeheime sehr unkontrolliert, am Bedarf vorbei, aus dem Boden.
Sie machen bestehenden Einrichtungen Konkurrenz um die Pflegeplätze. Es ist nicht selten, dass ein neues, privat finanziertes Altenheim gebaut wird. Anschließend wird bei bestehenden Altenheimen angerufen und das Personal gezielt abgeworben, indem man ihnen ein paar Hundert Euro mehr bietet, als das in den bestehenden Einrichtungen der Fall ist.
Herr Grüttner, gestatten Sie mir den freundlichen Hinweis darauf, dass die für die Fraktionen verabredete Redezeit abgelaufen ist.
Das ist eine Entwicklung, die mit Sorge beobachtet werden muss. Deshalb sind wir an allen Stellen, auf kommunaler Ebene, auf Landesebene und auf Bundesebene, gefordert, uns dieser Herausforderung zu stellen. Wir müssen sie annehmen. Es ist eine Herausforderung. Ich denke aber, dass wir gemeinsam zu guten Lösungen kommen werden.
Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Sicherung der intensiven Zusammenarbeit zwischen Schulen und Sportvereinen – Kürzungen beim Programm zur Förderung der Zusammenarbeit von Schulen und Sportvereinen zurücknehmen – Drucks. 18/3447 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend umfangreiche Ganztagsangebote unterstreichen die Bedeutung des Sports als Maßnahme der Gesundheitsprävention insbesondere bei Kindern und Jugendlichen – Hessen bewegt sich – Drucks. 18/3490 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Landesregierung betont bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wie wichtig die Bildung ist. Aber das hält sie nicht davon ab, im Etat des Hessischen Kultusministeriums 45 Millionen € zu kürzen. Langsam wird auch klar, was diesen Kürzungen zum Opfer fallen wird, nämlich beispielsweise auch die Zuschüsse für die Zusammenarbeit von Schulen und Vereinen.
Frau Ministerin, Sie kürzen die Mittel um 200.000 €. Das ist eine vergleichsweise geringe Summe im Landeshaushalt, bedeutet aber ein Drittel der Zuschüsse für die Kooperation mit Sportvereinen. Diese Kürzung bedroht das Nachmittagsangebot an Schulen überall in Hessen. Beispielsweise die Schulen im Kreis Offenbach bekommen aufgrund der Kürzungen statt der vereinbarten knapp 36.000 € nur noch etwa 15.000 € für die Finanzierung von „Schule und Verein“ zugewiesen.
Frau Ministerin, darf ich Sie daran erinnern, dass Sie in Ihrer Regierungserklärung zu Schuljahresbeginn das Ziel ausgegeben haben, die Qualität schulischer Arbeit zu verbessern, dass Sie die besten Chancen für Kinder und Jugendliche und die besten Schulen schaffen wollten? Darf ich Sie auch daran erinnern, dass das Kultusministerium bis 2015 an allen hessischen Schulen ein freiwilliges Ganztagsangebot schaffen will – oder dies zumindest behauptet hat?
Frau Ministerin, ich frage mich wirklich, wie Sie diese Ziele erreichen wollen. Denn das Sportangebot ist ein wesentlicher Bestandteil des Ganztagsangebots an Schulen. Das Kultusministerium ist sich dessen offensichtlich bewusst, und zwar seit 20 Jahren. Es hat nämlich 1992 das Programm zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Sportvereinen ins Leben gerufen. Hiermit sollten eine sinnvolle Freizeitbetätigung sichergestellt und Sportangebote geschaffen werden.
Dabei war natürlich von Anfang an klar, dass qualifizierte Übungsleiter der Sportvereine diese Angebote durchführen müssen. Denn es geht hier nicht darum, dass sich Kinder unter pädagogischer Anleitung Bälle zuwerfen. Das Sportangebot leistet viel mehr, und das möchte ich anhand von einigen Punkten verdeutlichen:
Das Sportangebot schafft zum einen einen notwendigen Ausgleich zu den bewegungsarmen Lernphasen im Klassenzimmer. So werden die kognitiven Leistungen deutlich verbessert, und die Konzentration von Kindern wird gefördert.
Kinder, die bisher von zu Hause aus keiner sportlichen Betätigung nachgehen, werden an diese herangeführt. Es wird dauernd über die Bewegungsarmut von Kindern geklagt, und ich möchte an dieser Stelle betonen, dass laut Schuleingangsuntersuchung 2009 10,6 % der Schulanfänger und Schulanfängerinnen übergewichtig waren.
Herr Blum, es ist schwierig, wenn Sie die Ministerin ablenken, während ich die Vorzüge des Programms der Ministerin referiere.
Wenn sie die Vorzüge kennt, dann ist es umso dramatischer, dass sie bei diesem guten Programm jetzt kürzen möchte.
Ich gehe immer davon aus, dass selbst die Landesregierung vor Erkenntnisgewinn nicht gefeit ist. Aber deswegen wäre es sinnvoll, wenn die Ministerin in der Lage wäre, mir zuzuhören.
Es ist ja auch die Woche vor Weihnachten. – Kinder, die von zu Hause aus keiner sportlichen Betätigung nachgehen, werden an diese herangeführt. Das heißt, dass es auch um Gesundheitsförderung und Primärprävention durch eine Ausweitung des Sportangebots geht. Sport und Bewegung sind elementare Bestandteile eines gesunden Lebensstils. Deshalb ist es wichtig, dass schon Kinder an den Sport herangeführt werden.
Diese Absicht lässt sich mit den geplanten Kürzungen überhaupt nicht vereinbaren. Frau Ministerin, an dieser Stelle – das muss ich wirklich sagen – stehlen Sie sich aus der Verantwortung.
Durch die gemeinsamen Sportaktivitäten wird im Übrigen auch die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund erleichtert, die Sprachbarriere wird gesenkt.
„Gemeinsam statt einsam“ ist hier das Motto: miteinander spielen, Erfolge feiern, Gruppendynamik erleben und kommunizieren, und zwar in einem qualifizierten, sportpädagogisch betreuten Rahmen, der trotzdem – anders als der reguläre Sportunterricht – Raum für Wahlfreiheit und Mitbestimmung lässt.
Kinder aus finanziell benachteiligten oder sogenannten bildungsfernen Familien wird so ein kostenloses Sportangebot unterbreitet. Hier steht die Teilhabe im Vordergrund. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wie teuer eine Vereinsmitgliedschaft ist. Ich habe mir einige Zahlen herausgesucht. Die monatliche Mitgliedschaft in einem Reitverein kostet beispielsweise für Kinder 48 €, Ballettunterricht an der Ballettakademie Wiesbaden kostet zwischen 28 und 51 € monatlich, die Mitgliedschaft in einem Karateverein – wenn das vielleicht mehr nach Ihrem Geschmack ist –
Die Mitgliedschaft im Fußballverein kostet 5 €. Dann sind aber auch noch nicht die Ausrüstung und die Sportsachen dabei. Auch das kann man von den Geldern, die jetzt im Bildungspaket zur Teilhabe beitragen, ganz schwer finanzieren.
(Beifall bei der LINKEN – Horst Klee (CDU): Das ist die Masse der Kinder! – Clemens Reif (CDU): Das machen die Vereine!)
Herr Kollege Klee, natürlich kann man auf dem Standpunkt stehen: „Sollen die Hartz-IVer doch Fußball spielen. Das ist nämlich günstiger.“
Aber vielleicht möchten Kinder selbst entscheiden, welcher sportlichen Tätigkeit sie nachgehen. Auch wenn Fußball selbstverständlich eine sehr sinnvolle Sportart ist, gibt es doch vielleicht noch etwas anderes als Fußball. Deswegen muss man fragen: Wie hoch ist der Anteil von Kindern von Hartz-IV-Beziehern an Ballettakademien oder in Leichtathletikkursen?
Da ist er äußerst gering. Hier muss es doch heißen, dass sich Kinder entsprechend ihren Interessen und Fähigkeiten entfalten können.