Denn ich gehöre der Gruppe an, die das verhandelt. Ich kann Ihnen beispielsweise sagen, dass eine ganze Reihe der Forderungen, die Sie heute hier aufgestellt haben, überhaupt nicht mehr der Realität entspricht. Das ist überhaupt nicht mehr Gegenstand der Forderungen, die Rote und GRÜNE in die Verhandlungen einbringen. Mir kommt das so vor, als ob hier irgendjemand von etwas spricht, von dem er zwar einmal etwas gehört hat, von dem er aber überhaupt keine Ahnung hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das sagt der Richtige!)
Worüber reden wir denn? – Wir reden nach wie vor über die sozialpolitischen Wunschvorstellungen von Roten und GRÜNEN. Wir reden darüber, was sie schon immer einmal gerne haben möchten. Dazu gehört unter anderem auch die Diskussion über die Frage eines gesetzlichen Mindestlohnes.
Ich finde es ganz spannend, dass Sie nicht bemerkt haben, dass die Sozialministerinnen und Sozialminister der Länder im November letzten Jahres einen Beschluss gefasst haben. Um es ganz deutlich zu sagen: Das ging 14 : 2 aus. – Dieser Beschluss besagt, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eine Lohnuntergrenze bei der Zeitarbeit vorzusehen.
Von diesem Beschluss weichen momentan die Sozialminister der SPD-geführten Länder wieder ab. Denn sie wollen keine Lohnuntergrenze im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Vielmehr wollen sie auf einmal einen gesetzlichen Mindestlohn auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes.
Wahrscheinlich wissen Sie das noch gar nicht. Vielleicht wollen Sie es aber auch an einer anderen Stelle thematisieren. Die Verhandlungen gehen nicht allein über die Zeit- oder Leiharbeit. Vielmehr gehen sie im Übrigen auch über einen gesetzlichen Mindestlohn in der Weiterbildungs- und Ausbildungsbranche. Es ist Ihnen vielleicht entgangen, dass das inzwischen auch im Forderungskatalog ist. Denn das hat auch unmittelbar mit den Regelsätzen nach dem Sozialgesetzbuch II zu tun.
An dieser Stelle sind dann spannende Fragen zu berücksichtigen. Darüber diskutieren wir ernsthaft. Das betrifft z. B. den Zeitraum. Wir konstatieren an jeder Stelle, dass die Marktöffnung zum 1. Mai dieses Jahres Probleme erzeugen kann. Das ist beispielsweise der Fall, wenn sich Zeitarbeitsfirmen in östlichen europäischen Ländern niederlassen und dort Tarifverträge abschließen, um dann mit Menschen mit diesen Tarifverträgen auf dem bundesdeutschen Markt tätig zu werden. Das wollen wir nicht. Deswegen muss es eine Lohnuntergrenze beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geben.
Wir wollen aber auch nicht, dass das Instrument der Leiharbeit – ich bleibe einmal bei diesem Punkt – so strukturiert wird, dass eine konjunkturstabilisierende Wirkung in Zukunft nicht mehr möglich sein wird.
Im Übrigen wird die Forderung „Equal Pay ab dem ersten Tag“ in diesen Verhandlungsrunden noch nicht einmal mehr von der SPD erhoben. Die Forderung, die Herr Bocklet eben genannt hat, ist längst weg. Vielmehr ist die spannende Frage, was der Zeitraum ist, in dem eine konjunkturstabilisierende Wirkung – –
Es tut mir leid, aber die SPD fordert das nicht mehr. Sie sind da falsch informiert. Das liegt daran, dass die Verhandlungen sehr dynamisch sind. Wir verhandeln praktisch jeden Tag. Sie kennen immer nur Ausschnitte davon.
Die spannende Frage ist die, welche konjunkturstabilisierende Wirkung wir bei der Fragestellung des gesetzlichen Mindestlohns in Verbindung mit der Zeitarbeit nach wie
vor noch erreichen können. Meiner Ansicht nach ist es Humbug, eine Diskussion darüber zu führen, dass das nach zwölf Monaten der Fall ist. Denn nach zwölf Monaten sind nur noch 2 % oder 3 % der in Leiharbeit Beschäftigten überhaupt verliehen. Das heißt, das ist in diesem Falle also nicht sinnvoll.
Wenn das vom ersten Tag an gelten sollte, wäre das eine Besserstellung gegenüber der Stammbelegschaft. Die ganz spannende Frage ist: Ist Equal Pay nur auf das Tarifentgelt zu beziehen, oder geht es auch um die Fragestellungen, mit denen wir uns intensiv beschäftigen? Wie verhält es sich mit den ebenfalls durch tarifvertragliche Regelungen festgelegten Sachverhalten wie beispielsweise Arbeitszeit, Sonderzahlungen, Urlaub und Kündigungsschutz? Es gibt da also noch viele andere Bereiche.
Zu einem gibt es von Ihnen überhaupt keine Antwort, obwohl das ganz spannend ist. Was passiert in den verleihfreien Zeiten?
(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann gebe ich Ihnen das grüne Papier mit! Sie blockieren nur!)
Entschuldigen Sie bitte schön, Herr Bocklet. Ich kenne ihn ganz gut. Herr Kuhn sitzt mir häufig gegenüber. Insofern verhandelt er gar nicht den Mindestlohn, wie Sie wissen, sondern er verhandelt das Bildungs- und Teilhabepaket. Er ist im Bereich Mindestlohn überhaupt nicht tätig. Damit Sie das einfach einmal wissen: Er ist in der Unterarbeitsgruppen Bildung und Teilhabe.
Insofern sind diese Fragestellungen überhaupt noch nicht geklärt. Wir müssen aufpassen, dass wir auf der einen Seite – das ist vollkommen berechtigt – nicht irgendwann in eine Situation kommen, dass die Stammbelegschaft durch Leiharbeiterschaft ersetzt wird und die Leiharbeiterschaft neben der Stammbelegschaft ab einem gewissen Zeitpunkt einen geringeren Lohn hat. An dieser Stelle finden Sie mich an dieser Seite. Wir müssen zu einer Regelung finden, dass wir Konjunkturspitzen über Leiharbeit ausgleichen können, dass wir das Instrument der Leiharbeit nicht verunmöglichen und verteuern, aber gleichzeitig eine Benachteiligung von Leiharbeitern verhindern.
Das ist nicht so einfach und vor allen Dingen nicht so plakativ, wie Sie das hier meinen. Es ist eine ganze Reihe von schwierigen Fragen zu klären. An dieser Klärung sind wir. Ich gehe davon aus, dass wir bis zum Wochenende oder über das Wochenende entsprechende Ergebnisse erzielen. An dieser Stelle finde ich es spannend, dass dann der Versuch mit „Gleiche Arbeit und Wohlstand für alle“ durch einen Antrag unterstützt wird, der jetzt auch noch die SGB-II-Verhandlungen mit berücksichtigt, oder der Versuch gemacht wird, etwas der SPD auf die Fahnen zu schreiben, was an dieser Stelle nach meiner Auffassung vollkommen unmöglich ist, weil es der Realität nicht entspricht. Erster Punkt, um das einmal zu dem zu sagen, was Herr Decker gesagt hat.
Die Fragestellung des Einbezuges von Kindern aus Familien, die Kinderzuschlag oder Wohngeld erhalten – also
das, was wir Geringverdiener nennen –, ist schon lange konzertiert und nicht auf den Hinweis SGB beschränkt. Ich kann Ihnen den Schriftverkehr geben, den ich mit Frau Bundesministerin von der Leyen zu den Fahrtkosten für Schülerinnen und Schüler geführt habe, in dem die Fragestellung von Wohngeldbeziehern oder Kinderzuschlagskindern schon lange geregelt und schon lange konzertiert worden ist. Dazu brauchen wir Sie nicht.
Dass Bildung und Teilhabe auf der Grundlage der hessischen Erfahrungen, die wir mit dem Härtefonds gemacht haben, auch Kindern aus Geringverdienerfamilien zu gutekommen müssen, ist für uns selbstverständlich und schon lange geregelt.
Das Zweite ist: Die Fragestellung, wie ich das administriere, war nie streitig: dass die Bundesanstalt für Arbeit, die es im Übrigen selbst erklärt hat, eine Kompetenz dafür hat, wie vor Ort Vereinsarbeit, Nachhilfe, Mittagsversorgung oder anderes darzustellen ist. Die spannende Frage ist, wie ein individueller Rechtsanspruch eines Kindes gegenüber dem Bund so administriert werden kann, dass der Bund und nicht die Kommune auch in der Verantwortung bleibt.
An der Stelle sind wir auf einem guten Weg, inklusive Finanzierung zu entsprechenden Lösungen zu kommen. Auch auf der Seite des Bundes müssen dicke Bretter gebohrt werden. Aber wir Länder haben ein eigenes Interesse, eine relativ schmale Administration zielgerichtet vorzunehmen. Ich verbinde damit allerdings, wie es die SPD sieht, dass man einfach einmal wissen muss, welche Regelungen wir machen: Wir sollen bei SGB II die Fragestellung von gesetzlichem Mindestlohn nicht nur in der Leiharbeit, sondern auch in der Weiter- und Ausbildungsbranche regeln. Wir müssen an dieser Stelle über Regelsätze und ihre Höhe – das hat Herr Decker auch gesagt – verhandeln. Bisher ist an keiner Stelle der Verhandlungen nachgewiesen worden, dass die Berechnung der Regelsätze den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht entsprochen hat.
Man kann sich etwas anderes vorstellen. Es ist einfach, zu sagen: 5 € mehr an Regelsatz, was sind schon 5 €? – 5 € sind bundesweit 350 Millionen €. Von diesen bundesweit 350 Millionen € müssen die Kommunen, die Sie angeblich schützen wollen, knapp 70 Millionen € tragen.
Insofern verhandeln wir, wenn es um Regelsätze geht, auch im Interesse unserer eigenen Kommunen unter dem Gesichtspunkt, ihnen noch weitere Gestaltungsspielräume in ihren kommunalen Haushalten zu gestatten und nicht alles über die Grundsicherung zu verausgaben. Das ist der Punkt, weshalb wir über die Regelsätze reden.
Dann kommt noch das Größte, damit man das einmal weiß: an jede allgemeinbildende Schule – so die Forderung der SPD – ein Schulsozialarbeiter. Wir reden über ein Programm von 2,5 Milliarden €. Summa summarum
sind das so 4, 5, 6, 7 Milliarden € auf ein Gesetz gepackt, das letztendlich nur in einem Vermittlungsverfahren ist, weil sich Mehrheiten geändert haben – in einem Vermittlungsverfahren werden auch Kompromisse gefunden werden –, aber das ausschließlich Versäumnisse von RotGrün repariert.
Es ist unredlich, an dieser Stelle sozialpolitische Träumereien mit einem Gesetzesvorhaben zu verwirklichen, das mit diesen Punkten, die Sie in die Debatte bringen, überhaupt nichts zu tun hat.
Vielen Dank, Herr Grüttner. – Den Oppositionsfraktionen ist damit jeweils eine Minute weitere Redezeit hinzugewachsen. Herr Decker hat sich zu Wort gemeldet. Herr Decker, sechs Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin insofern von dieser Rede enttäuscht, nicht, weil Sie von der CDU sind, Herr Minister, und ich von der SPD, sondern weil das nur Nebelkerzen waren, die hier geworfen worden sind.
Es war leider Gottes für uns kein roter Faden zu erkennen. Sie haben immer nur von den Dingen gesprochen, die Sie persönlich kritisieren, die Sie für nicht richtig halten oder die falsch sind. Sie haben aber mit keinem Wort gesagt, was Ihre persönliche Haltung und die Haltung dieser Landesregierung zu diesem Thema sind.
Jetzt ganz kurz zurück in die Geschichte. Herr Grüttner, Herr Minister, bei allen Dingen, die vor etlichen Jahren zu diesen Regelungen geführt haben, war die CDU mit im Boot.
Es gibt nämlich so etwas wie den Bundesrat. Da hat die CDU immer mitgestimmt, und zwar mit Bravour. Nicht zu vergessen ist, es gab einmal eine Große Koalition in Berlin. Sie, nicht Sie persönlich, aber Ihre Parteifreunde in Berlin waren auch dabei. Das zur historischen Wahrheit, um die Dinge vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Wenn Sie fragen, wer eigentlich bei den Gesprächen dabei gewesen ist, Sie oder ich: Inzwischen habe ich das Gefühl, ich war doch dabei, und Sie waren nicht dabei.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Minis- ters Stefan Grüttner)
Es ist doch in allen seriösen Nachrichtenblättern und in allen Kommentaren zu lesen, was verhandelt worden ist – vielleicht nicht bis ins letzte Detail, aber es geht doch um die große Linie. Wir haben das heute deswegen auf die Tagesordnung gesetzt, um einmal von Ihnen eindeutig zu hören, ob Sie mit uns im Boot sind, wenn es darum geht, so