Herr Kollege Rentsch, wir gehen davon aus, dass wir von der Klageschrift auch nach sechs Wochen noch nichts in der Hand haben. Was wir in der Hand haben, ist ein Gutachten. Ich habe nur das Kurzgutachten, an das lange bin ich leider nicht herangekommen. Aber von der Klageschrift ist man noch ein wenig entfernt. Bis zum heutigen Tag liegt jedenfalls nichts vor.
Dem Kurzgutachten von Prof. Seiler ist zu entnehmen – das habe ich mir allerdings näher angeschaut –, dass die platte Argumentation, Hessen zahle zu viel, so platt eben nicht zum Ausdruck gebracht wird, sondern kritisiert wird
„das Fehlen in sich schlüssiger Leitlinien..., die eine sachgerechte und transparente Aufteilung des gesamtstaatlich verfügbaren Finanzvolumens... ermöglichen könnten“. Das ist auf Seite 9. Und: Das liege an einer unzureichenden legislativen Maßstabsbildung. Das ist übrigens auch meine Auffassung.
Ich darf es aber in Deutsch übersetzen – das hat ein Jurist geschrieben –: Die Kriterien der Verteilung und Umverteilung der Finanzmittel im Länderfinanzausgleich sind unzureichend begründet. Es fehlt an klaren, nachvollziehbar begründeten Maßstäben, wie die Finanzmittel aufgeteilt werden.
Herr Kollege Schmitt, ich will Sie nicht beim Übersetzen stören, aber Sie müssen langsam zum Abschluss kommen.
Das ist wirklich schade. – Aber die Argumentation halte ich für richtig. Ich will nur darauf hinweisen, dass er die Maßstäbe der Stadtstaaten kritisiert – da ist sicherlich ein Problem –, aber am Ende in die Diskussion gerät, wie die Einnahmen der Kommunen angerechnet werden müssen.
Da kann man in Hessen schnell bei 100 % landen, und dann hat man einen Bärendienst getan. Dann wird Hessen sogar mehr in den Länderfinanzausgleich zahlen müssen.
Deswegen: Reden Sie nicht, handeln Sie, aber handeln Sie solide. Dazu ist diese Landesregierung anscheinend nicht in der Lage. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Wieder einmal – man könnte sagen, es ist inzwischen schon ein monatliches Ritual – beschäftigen wir uns mit der brutalstmöglichen Solidaritätsadresse, die anderen Bundesländern von der schwarz-gelben Landesregierung zuteilwird: eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich.
Vordergründig behaupten leider vier Fraktionen im Hessischen Landtag immer wieder, der Länderfinanzausgleich sei ungerecht. Tatsächlich geht es doch um etwas ganz anderes. Es geht nicht darum, dass der Länderfinanzausgleich, der durch alle Parteien der verschiedenen Bundesländer und insbesondere durch die Hessische Landesregierung erarbeitet und gebilligt und vom damaligen Ministerpräsidenten Koch gefeiert wurde, ungerecht ist. Ihnen geht es mit Blick auf den Landeshaushalt schlicht ums Geld, weil Sie genau wissen, dass ohne höhere Einnahmen die Neuverschuldung des Landes nicht in den
Griff zu bekommen ist. Deshalb muss man den finanzschwächeren Bundesländern etwas wegnehmen. Kurz: Es geht Ihnen um eine Neiddebatte.
(Lachen bei der CDU und der FDP – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das sagt der Richtige! – Florian Rentsch (FDP): Dann hätten wir Sie gefragt!)
Die Klagedrohung gegen den Länderfinanzausgleich mit Blick auf die Finanzen des Landes ist verständlich – sind doch die Solidarbeiträge des Landes Hessen in etwa so hoch wie das strukturelle Defizit von 2 Milliarden € in unserem Haushaltsansatz. Hessen hat aber kein Problem mit den Ausgaben, schon gar nicht mit dem Länderfinanzausgleich, sondern mit den Einnahmen, insbesondere durch Steuersenkungen.
Das Defizit des hessischen Landeshaushalts ist in den letzten Jahren nicht deshalb explodiert, weil der Länderfinanzausgleich grundlegend verändert wurde, sondern weil die Steuern seit 1998 ständig massiv gesenkt wurden.
Es geht also nicht um eine sachliche Debatte, sondern darum, zu polemisieren und mit sachlich falschen Argumenten, wie ich bereits sagte, eine Neiddebatte zu führen.
So behaupten Sie, dass die Zahlungen Hessens hoch seien, weil andere Länder nicht sparen. Das ist Quatsch, und Sie wissen das. Es geht nicht darum, dass beispielsweise solche Bundesländer wie Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit ausgeglichenen Haushalten kein Geld aus dem Länderfinanzausgleich bekommen würden. Eigentlich wissen Sie doch selbst, dass der Länderfinanzausgleich nur die Einnahmen ausgleicht, unabhängig von der Höhe der Ausgaben der Länder. Wenn beispielsweise Rheinland-Pfalz von heute auf morgen alle freiwilligen Leistungen streicht und alle Kindergärten schließt, bekommt es immer noch genauso viel Geld aus dem Länderfinanzausgleich.
Sie behaupten regelmäßig, dass Hessen durch den Länderfinanzausgleich seine Position in der Steuerkraftreihenfolge verlieren würde. Auch das ist falsch. Sie rechnen einfach noch das Geld hinzu, das besonders schwache Länder vom Bund erhalten, und dies auch noch bis 2019 degressiv.
Das Fatale an dieser Debatte ist, dass Sie den Blick für die eigentlichen Probleme verstellen. Sie behaupten, dass die anderen Bundesländer nicht verhandeln wollen. Tatsächlich haben Sie aber nicht mit den anderen Ländern verhandelt. Sie drohen lieber gleich mit Klage und Entsolidarisierung und schaffen so eine Atmosphäre, in der jede Verhandlung unmöglich wird.
Ihr Vorgehen heißt: alles oder nichts. Entweder wird alles erreicht, was die Hessische Landesregierung fordert, oder es geht vor Gericht. In der Konsequenz bedeutet Ihre Argumentation, dass Sie wollen, dass Rheinland-Pfalz Kindergärten wieder dichtmacht, damit Hessen die Schuldenbremse einhalten kann.
Denn das ist der eigentliche Hintergrund Ihres Vorgehens gegen die Nehmerländer. Ihnen geht es nicht darum, mit
dem Geld, das andere Bundesländer schon jetzt für sinnvolle Ausgaben einsetzen, in Hessen eine sozial gerechte Politik zu machen. Mit dem Geld, das Sie den Nehmerländern kürzen wollen, werden Sie nicht etwa in die Zukunft investieren oder gar den Bildungsbereich stärken. Sie wollen allein andere Bundesländer auf die Linie Ihrer Politik zwingen, die heißt: kürzen, kürzen, kürzen.
Denn warum Sie ausgerechnet jetzt polemisieren, ist durchsichtig. Sie wollen Wahlkampf für Baden-Württemberg machen. Mit der Parteienfinanzierung über Ländergrenzen hinweg kennen Sie sich schließlich aus. Das hat mit dem Länderfinanzausgleich aber nichts, überhaupt nichts zu tun.
Statt also gegen den Länderfinanzausgleich vorzugehen, den die Landesregierung selbst mit ausgehandelt hat, sollten Sie endlich dafür sorgen, den Landeshaushalt durch ein gerechtes Steuersystem, in dem starke Schultern wieder angemessen belastet werden, zu sanieren.
Statt Rheinland-Pfalz vorzuschreiben, wie viel Kindergärten in Rheinhessen kosten sollen, sollten Sie sich bemühen, dass auch auf unserer Seite des Rheins genügend Steuern eingenommen werden, um ein soziales Hessen zu gestalten. Das wäre sinnvoll. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Länderfinanzausgleich, die Dritte. In kurzer Folge haben wir das Thema schon wieder in der Aktuellen Stunde. Ich hätte mich gefreut, wir hätten die Haushaltsausschusssitzung in der letzten Woche tatsächlich zu einer fachlichen Debatte genutzt und das, was heute hier fehlt, miteinander diskutieren können. Dann wären wir vielleicht auch ein Stück an dem Punkt vorangekommen, den der Kollege Milde hier thematisiert hat. Herr Milde, Sie haben sehr schön angefangen. Sie haben den Systemwechsel im Länderfinanzausgleich gefordert
und haben als Zeugen dafür den ehemaligen Bundespräsidenten benannt. Ich glaube, wir sind uns in der Analyse gar nicht uneinig. Wir sind uns durchaus einig, dass der Länderfinanzausgleich ziemlich undurchdringlich ist, dass er ungerecht ist und dass er die falschen Anreize setzt.
Genau vor diesem Hintergrund haben wir GRÜNE ein Gutachten in Auftrag gegeben, das klären soll: Wie kann man diese Systemfehler ändern? Wie kann man es künftig
Sie haben genauso wie andere Kollegen thematisiert, dass der Länderfinanzausgleich, in den im Moment nur drei, manchmal vier Länder einzahlen, für die Geberländer eine ziemliche Überbelastung darstellt. Die zahlen 7 Milliarden € in den Länderfinanzausgleich. Für einen Teil der Nehmerländer ist das, wenn man den reinen Länderfinanzausgleich sieht, in ihren Länderhaushalten gar nicht so irre viel. Aber es ist ein Stück, das sie brauchen. Davon profitieren vor allem Stadtstaaten, besonders Berlin. Da muss man sich doch einmal fragen: Wie kann man das ändern? Wir haben versucht, Antworten darauf zu finden, indem wir aus der horizontalen Verteilung herauskommen und in eine vertikale Verteilung gehen, um die unselige Neiddebatte, die auch Willi van Ooyen hier thematisiert hat, endlich zu beenden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))