Protokoll der Sitzung vom 02.03.2011

Ich will ausdrücklich Danke sagen, weil jeder der Minister, jedes Ressort, jeder Fachabgeordnete natürlich für seinen Bereich kämpft. Er kämpft dafür, dass man Programme und Maßnahmen aufrechterhält. Aber jetzt ist die Zeit reif, darüber nachzudenken, jedes Programm und jede Ausgabe auf den Prüfstand zu stellen und trotzdem – darum muss es uns gehen – Schwerpunkte zu setzen.

Herr Schäfer-Gümbel, ja, wir setzen Schwerpunkte im Bildungsbereich. Wenn Sie uns vorwerfen, dass die Ausgaben gerade in den letzten zehn Jahren sehr hoch waren, dann will ich sagen: Ja, das stimmt. Die Ausgaben waren in den letzten zehn Jahren von CDU und FDP und auch von CDU allein sehr hoch. Ich darf Ihnen auch sagen, warum das so war: weil wir das bildungspolitische Chaos, das Sie unter Rot-Grün angerichtet hatten, erst einmal aufräumen mussten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war eine sehr kostenintensive Sache. Aber richtig ist auch, dass ein Land erst einmal die Hausaufgaben machen muss, bevor es an der anderen Stelle spart. Und diese Hausaufgaben haben wir jetzt erledigt. Wir sind ein Bildungsland. Wir sind ein Land mit einer hervorragenden Schulpolitik, mit einer hervorragenden Ausstattung an Lehrern, mit hervorragenden Hochschulen. Ich bin ein bisschen stolz darauf, daran mitwirken zu dürfen, dass wir in den Bereichen solche Akzente und solche Schwerpunkte setzen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb ist eines die Wahrheit der Debatte: Wir haben das gemeinsam beschlossen, aber Sie verstehen unter Schuldenbremse etwas ganz anderes. Sie verstehen unter Schuldenbremse, dass man sich diesen furchtbaren Weg des Sparens gar nicht antun muss, dass man überlegt, welche Maßnahmen man macht oder welche man nicht macht.

Sie wollen gern mit Ihrer virtuellen Hand in die Taschen der Bürger greifen. Das ist übrigens das Gleiche, was die GRÜNEN immer vorschlagen: zu suggerieren, wir würden ein paar Einnahmen erhöhen, Steuern und Abgaben erhöhen, und dann tut das Sparen auf der anderen Seite gar nicht so weh.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Herr Schäfer-Gümbel, ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich möchte nicht Ihre virtuelle und auch nicht Ihre wirkliche Hand in meiner Tasche spüren

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

es ist wirklich so –, weil der Staat nicht immer dann, wenn er nicht mehr weiter weiß, in die Taschen der Bürger greifen darf. Damit muss endlich Schluss sein. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Das ist die Pflicht, die wir haben, und nicht, den Bürgern in die Tasche zu greifen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Deshalb will ich zum Schluss sagen: Herr van Ooyen, eigentlich verdienen Sie in diesem Landtag in der letzten Zeit viel weniger Aufmerksamkeit, als Sie in Wirklichkeit bekommen. Sie haben in jedem Plenum eine Überlegung, wie Sie medial die Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Entweder verkleiden Sie sich, Sie tanzen, Sie singen, Sie stecken sich etwas an. Aber eigentlich sind Ihre Botschaften relativ klar.

(Lachen bei der LINKEN)

Sie haben kein ernsthaftes konstruktives Konzept für diese Demokratie. Sie haben ein destruktives Konzept für diese Demokratie.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Deshalb ist der wahre Kern: Sie haben kein Interesse daran, dass dieses Land seine Schulden abbaut,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Mehr als Sie!)

und zwar nicht deshalb, weil Sie alles nur den Armen geben wollen. Sie haben deshalb kein Interesse daran, weil Schulden der destabilisierende Faktor einer Volkswirtschaft sind. Schulden führen zur Inflation. Schulden führen zu einer destabilen Struktur der Demokratie, und die wollen Sie. Das ist der Nektar, aus dem Sie Ihren Honig saugen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie wollen eine destabile Struktur. Das ist der wahre Kern. Wenn Sie der Gutmensch wären, den Sie hier vorne immer geben, dann wäre es noch einigermaßen glaubwürdig. Aber Sie sind doch das Gegenteil davon. Sie wollen ein Land, in dem die Menschen Angst haben, weil nur so die Linkspartei überhaupt zu solchen Stimmen kommen kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Mit diesem Vorurteil, mit diesen Gerüchten werden wir aufräumen. Wir werden Ihnen den Nährboden für Ihre Stimmen in den nächsten Jahren entziehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch.

Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt wurde ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Tarifverhandlungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder und im Land Hessen – höhere Löhne absichern, Drucks. 18/3811. – Hierzu wird die Dringlichkeit bejaht. Dann wird dieser Dringliche

Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 81 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, zu dem Tagesordnungspunkt 67, der Aktuellen Stunde, aufgerufen und sofort abgestimmt werden. – Es gibt keinen Widerspruch. Also verfahren wir so.

Nun hat noch die Landesregierung in Person des Finanzministers Schäfer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen für die Landesregierung sagen, dass wir sehr dankbar sind, dass wir im Hessischen Landtag in der letzten Plenarsitzung vor der Volksabstimmung am 27. März die Fragestellung rund um die Schuldenbremse erneut erörtern können. Ich bin ebenfalls sehr dankbar dafür, dass trotz aller Unterschiede im Detail mit Ausnahme einer Fraktion alle Fraktionen gemeinsam übereinstimmen, dass wir mit einer nachhaltigen Politik dafür sorgen müssen, dass der Regelfall des privaten Umgangs mit Finanzen, nämlich in einem Jahr, in einer Periode immer nur das auszugeben, was man eingenommen hat, am Ende zur künftigen Maxime staatlichen Handelns wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der jetzt zur Volksabstimmung vorliegende Verfassungstext ist in der Frage, wie man das Problem löst, neutral. Er lässt sowohl die Interpretation und die politische Gestaltung zu, wenn man dafür eine Mehrheit hat, es weitestgehend über Einnahmeveränderungen zu organisieren, als auch die Interpretation, es über Ausgabeveränderungen zu tun, und möglicherweise auch, beide Wege zu kombinieren.

Herr Schäfer-Gümbel, im Übrigen war die Formulierung, die ursprünglich vorgelegen hat, in dieser Fragestellung genauso neutral.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nee!)

Es ist keineswegs so, dass die Veränderungen in der Formulierung einen veränderten verfassungsrechtlichen Rahmen bieten, sondern es bietet ein wenig mehr Anlass für politische Lyrik und Semantik. Materiell hat sich am Verfassungstext nichts geändert. Das will ich an der Stelle klar hervorheben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Das ist Unfug!)

Herr Abg. Kaufmann, ich finde, eine Debatte können wir uns an der Stelle doch einmal schenken: die immer wieder gleichen Vorwürfe, dass der eine für die Schulden verantwortlich sei und der andere für andere Dinge. Herr Kaufmann, wenn es Ihnen gelänge, einer Regierung in Deutschland auf Bundes- oder Landesebene, an der die GRÜNEN beteiligt waren, empirisch nachzuweisen, dass sie es geschafft hätte, in einem Jahr einmal keine Nettoneuverschuldung zu haben, wenn Sie hierhertreten und das nachweisen können, dann können wir über den Vorwurf der Schuldenmacherei an andere einmal entspannter reden; ansonsten ist es Parteirhetorik.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Ende geht es schlicht um das, was wir in vielerlei Gesichtspunkten unter Nachhaltigkeitsfragen diskutieren. Ich erinnere mich an manche Diskussionen über Umweltstandards, wo minimale Veränderungen von Schadstoffausstößen mit

irrsinnigem politischem, argumentativem, administrativem und technischem Aufwand diskutiert werden; aber der zentrale Punkt der Nachhaltigkeit, nämlich ob die nächste oder übernächste Generation noch in der Lage sein wird, unsere Renten, unsere Versorgungsansprüche vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung zu finanzieren, ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in der politischen Debatte leider zu kurz gekommen.

Wenn heute auf 100 Erwerbsfähige 34 Rentner kommen und im Jahr 2060 67, also eine Verdoppelung des Anteils der sich in der Ruhestandsphase befindlichen Personen, dann wissen wir, dass wir es der Generation dieser Beitragszahler dann nicht auch noch zumuten können, die Schulden, die die heutige reiche Generation aufnimmt, zu bezahlen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ist es!)

Das ist der wahre Kern der Debatte und der wahre Kern von Nachhaltigkeit. Deshalb ist die Schuldenbremse jetzt notwendig, und wir können sie nicht einfach noch ein paar Jahre lang vor uns herschieben, nach dem Motto: Wir hatten gerade die größte Wirtschaftskrise in der Geschichte, lasst uns in ein paar Jahren wieder darüber reden. – Wir müssen die unangenehmen Antworten auf die Fragen geben, dass wir das jetzt entscheiden, und uns dann in den nächsten Jahren auf den Weg machen, das Defizit Schritt für Schritt abzubauen.

Ich sage für diese Landesregierung ausdrücklich: Bei allem Verständnis für die unterschiedlichen Wege bekennen wir uns ausdrücklich für den Weg, der besagt: Die Ausgaben in den Griff zu bekommen, muss Priorität haben, bevor wir über die Frage nachdenken, an welchen Stellen wir Einnahmeentwicklungen arrondieren müssen. Diese Priorität ist die richtige, um am Ende zu den Ergebnissen zu kommen, die wir haben wollen, nämlich einem ausgeglichenen und in der Regel schuldenfreien Haushalt ab dem Jahre 2020.

Insofern bitten wir die Bevölkerung des Landes alle gemeinsam – zu einem sehr großen Teil gemeinsam –, mit möglichst großer Mehrheit am 27. März zuzustimmen; denn mit der Frage, mit welcher Mehrheit das entschieden wird, ist am Ende auch die Frage verknüpft, welchen Mut und welche Autorität eine Politik danach hat, um die daraus notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb werben Sie mit uns gemeinsam für eine große Mehrheit am 27. März. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Zunächst lasse ich abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Schuldenbremse in die Hessische Verfassung aufnehmen und in Verantwortung für kommende Generationen eine zukunftsfeste Politik verwirklichen, Drucks. 18/3768. Wer diesem Entschließungsantrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP und die GRÜNEN. Gegenstimmen? – Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Es wurde auch beantragt, über den Antrag der LINKEN sofort abzustimmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich lasse abstimmen über den Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Schuldenbremse schränkt Handlungsfähigkeit der Kommunen ein, Drucks. 18/3752. Wer diesem Antrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Gegenstimmen? – CDU, SPD, FDP und die GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir sind am Ende dieses Tagesordnungspunktes angelangt und kommen nun zu Tagesordnungspunkt 5: