Das Bundesverfassungsgericht hat auch gesagt, der Verlust eines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers sei besonders schwerwiegend – weil das sehr viel stärker ins Gewicht fällt als der Wechsel von einem privaten Anbieter zu einem anderen. Deshalb wird dadurch die Freiheit der Berufswahl besonders stark eingeschränkt.
Diese Entscheidung ist eine doppelte Klatsche für die Landesregierung. Denn in diesem Fall war das Land sowohl als Gesetzgeber als auch als Arbeitgeber in der Pflicht. Das Bundesverfassungsgericht sagt, in einem Privatisierungsprozess trete das Land in einer Doppelrolle auf, nämlich als bisheriger Arbeitgeber, aber eben auch als Gesetzgeber, der sich durch Gesetze selbst unmittelbar seinen arbeitsvertraglichen Pflichten entziehe. Den betroffenen Arbeitnehmern werde der von ihnen gewählte Arbeitgeber einfach entzogen – und dieser Eingriff in die Arbeitsverträge sei nicht gerechtfertigt.
Meine Damen und Herren, mit anderen Worten: Hier haben Sie sich einfach aus der Verantwortung gestohlen. Das ist das Problem.
Sie sind als Arbeitgeber dem Schutz der Arbeitnehmer verpflichtet, und dieser Schutzfunktion sind Sie nicht nachgekommen. Den Beschäftigten im öffentlichen Dienst darf nicht durch Gesetz ein neuer privater Arbeitgeber zugewiesen werden. Ihnen muss ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses eingeräumt werden.
Frau Ministerin, Sie haben auf die Frage, warum das Land kein Widerspruchsrecht eingeräumt hat, im Ausschuss geschwiegen. Aber Ihre Motive liegen klar auf der Hand, und auch das lässt sich in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nachlesen: Der Verzicht auf ein Widerspruchsrecht und die Ausschaltung der Arbeitnehmerrechte – O-Ton Bundesverfassungsgericht – sollten den reibungslosen Vollzug der Privatisierung erleichtern.
So ist es. In Ihrem Privatisierungswahn wollten Sie diesen Verkauf durchziehen und haben dabei in Kauf genommen, gegen die Verfassung und gegen die Grundrechte der Beschäftigten zu verstoßen.
Bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herrschte Verunsicherung bei den Beschäftigten, auch deshalb, weil der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen Ende 2010 ausläuft. Jetzt drohen betriebsbedingte Kündigungen. Die Ersten, die damit in Berührung gekommen sind, sind die Mitarbeiter des Fahrdienstes am Standort Gießen, die sich gegen die Ausgliederung in eine Servicegesellschaft mit drastischen Lohneinbußen wehren. Ihnen droht die Kündigung.
Nach der Entscheidung ist die Unsicherheit natürlich noch größer, wie viele der Beschäftigten von der Entscheidung überhaupt betroffen sind. Das konnten Sie, Frau Ministerin, im Ausschuss nicht beantworten.
Mittlerweile habe ich von einer Besuchergruppe gehört, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU bereits detailliertere Infos hat. Frau Ministerin, so geht das nicht. Man kann nicht im Ausschuss nach dem Motto „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“, auftreten und dann privilegierte Informationen an die eigene Fraktion geben.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerin Eva Kühne-Hörmann: Das steht doch im Protokoll!)
Ich habe extra zweimal nachgefragt, ob Sie den Obleuten die Zahlen zur Verfügung stellen, sobald Sie sie haben. Ich habe keine Zahlen bekommen, Frau Ministerin, und ich glaube, dass das für die anderen Obleute auch nicht zutrifft. Deswegen legen Sie heute endlich die Fakten auf den Tisch, damit alle Abgeordneten des Hauses wissen, worüber wir hier reden.
Frau Ministerin, das Bundesverfassungsgericht hat Sie angewiesen, bis zum 31.12. dieses Jahres eine neue gesetzliche Regelung zu schaffen. Ich warne davor, so zu tun, als sei das noch sehr lange hin. Sie haben es bereits einmal versemmelt,
und diesmal sollten Sie, Frau Ministerin, die Bedenken von ver.di und den Betriebsräten ernst nehmen, statt sie wieder abzubügeln.
Die Frage ist, welche Regelung die Landesregierung finden will, um bis Ende des Jahres ein verfassungsgemäßes Gesetz zu verabschieden. Sie müssen den Bediensteten ein Rückkehrrecht bzw. ein Widerspruchsrecht einräumen. Wer das Widerspruchsrecht nachträglich wahrnimmt, setzt aber seinen Arbeitsplatz aufs Spiel, weil das Land viel zu wenige Stellen für das medizinische Personal hat. Sie haben keine Rücklagen für den Fall gebildet. Das ist jetzt auch das Dilemma für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, so positiv diese Entscheidung ist. Sie haben Fakten geschaffen, und deswegen haben die Beschäftigten jetzt ein Problem.
Frau Ministerin, deshalb müssen Sie heute Stellung beziehen. Werden Sie den Beschäftigten die Rückkehr in den Landesdienst ermöglichen? Laufen die Beschäftigten, die nachträglich von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen, Gefahr, betriebsbedingt gekündigt zu werden, weil das Land keine Verwendung für sie hat?
Diese Fragen müssen Sie beantworten. Kommen Sie Ihrer Verantwortung für die Beschäftigten wenigstens jetzt nach.
Meine Damen und Herren, die Privatisierung der Unikliniken war ein Fehler, und zwar aus Sicht der Patienten, aus Sicht der Beschäftigten und aus Sicht der Wissenschaft.
Die Beschäftigten beklagen seit der Privatisierung einen verschärften Leistungsdruck. Pflegekräfte fehlen, Überstunden häufen sich, und die Anzahl pflegerischer Überlastungsanzeigen stieg auf ein besorgniserregendes Niveau. Ärzte und Patienten üben Kritik an Behandlungsfehlern und Unterbesetzung. Oberärzte der Kinderklinik haben sich im letzten Jahr mit einem Brandbrief an die Klinikleitung gewandt, in dem sie davor warnten, dass die Klinik als Haus der Maximalversorgung sowie als Ausbildungsstandort gefährdet sei.
Die Personaldecke ist teilweise so dünn, dass das Personal, das ausdrücklich für Forschung und Lehre vom Land finanziert an den Unikliniken arbeitet, zum Teil zur klinischen Versorgung herangezogen wird und die Stellen damit zweckentfremdet werden.
Frau Ministerin, so viel zu Ihrem Leuchtturm. Gar nichts leuchtet hier. Das Einzige, was hier vielleicht leuchtet, sind die Augen der Aktionäre der Rhön AG.
Wir sind der Meinung, dass öffentliche Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand gehört. Sie muss einer demokratischen Kontrolle unterliegen. Das gilt für Krankenhäuser, das gilt auch für die Hochschulmedizin.
Meine Damen und Herren, Privatisierungen bedeuten Demokratieabbau, weil demokratisch gewählte Parlamente keinen Einfluss mehr nehmen können. Der Fehler, den die Landesregierung hier gemacht hat, wird die Steuerzahlerin und den Steuerzahler vielleicht noch teuer zu stehen kommen.
Deshalb muss die Entscheidung zum Anlass genommen werden, auch die Möglichkeiten einer Rückabwicklung dieser falschen Privatisierung zu prüfen. Wir brauchen eine Umkehr, weg vom Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge hin zur Rekommunalisierung, hin zur Rückabwicklung von erfolgten Privatisierungen.
Mit Ihrem Vorgehen wollten Sie die Privatisierung der Unikliniken erleichtern. Jetzt haben Sie für alle zukünftigen Privatisierungen das Gegenteil erreicht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird Einfluss auf alle zukünftigen Privatisierungen haben. In Zukunft können sich Bund, Länder und Kommunen nicht einfach über verfassungsrechtlich geschützte Grundrechte der Beschäftigten hinwegsetzen, wie Sie das taten. Sie können sich nicht mehr auf leichtem Wege von Arbeitsverträgen lösen, um schneller zu privatisieren.
Meine Damen und Herren, das ist ein gutes Signal, und das ist hoffentlich eine große Hürde für den weiteren Ausverkauf öffentlichen Eigentums. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In seinem Beschluss vom 25. Januar 2011 hat das Bundesverfassungsgericht nichts anderes als eine neue Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts gefordert und daher das Verfahren an das Hessische Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Das Verfahren vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht ist ausgesetzt, da das Bundesverfassungsgericht den Landesgesetzgeber aufgefordert hat, bis zum 31. Dezember 2011 eine gesetzliche Neuregelung zu treffen.
Meine Damen und Herren, damit ist eben nicht gemeint, dass die Privatisierung der Universitätskliniken Gießen und Marburg als solche gescheitert ist; denn das Bundesverfassungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Privatisierung beider Kliniken verfassungswidrig ist.
Es hat noch einmal bestätigt, dass die Privatisierung verfassungskonform war und ist. Das höchste deutsche Gericht stellt fest, dass es nicht zweifelhaft ist, dass der Landesgesetzgeber berechtigt war, die Universitätskliniken als solche zu privatisieren.
Der Wissenschaftsrat hat im Mai 2010 bestätigt, dass die Privatisierung des fusionierten Universitätsklinikums Gießen und Marburg zu erheblichen infrastrukturellen Investitionen des privaten Betreibers an beiden Standorten geführt hat. Frau Wolff hat eben schon darauf hingewiesen. Das muss man noch einmal sagen.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) – Gegenruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben jahrzehntelang nichts gemacht!)
Jetzt regen Sie sich nicht so auf. – Die baulichen Rahmenbedingungen für die Krankenversorgung und die patientenorientierte klinische Forschung wurden auf ein wettbewerbsfähiges Niveau angehoben, meine Damen und Herren der SPD.
Die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg wird nicht infrage gestellt, sondern sie ist nach wie vor der richtige und notwendige Schritt gewesen. Das Bundesverfassungsgericht hat nur gerügt,