Protokoll der Sitzung vom 02.03.2011

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): „Nur“!)

dass den nicht wissenschaftlich beschäftigten Mitarbeitern des Landes an beiden Kliniken kein Widerspruchsrecht eingeräumt wurde.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Eine Grundrechtsverletzung! – Janine Wissler (DIE LINKE): Es ist „nur“ Art. 12!)

Was bedeutet das im Einzelnen? Dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst obliegt es nun – Herr Spies, jetzt beruhigen Sie sich doch und lassen Sie mich hier ausreden – –

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Spies, wer von uns beiden ist der Jurist, und wer ist der Arzt?

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe der Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst obliegt es nun, zuerst eine Bestandsaufnahme durchzuführen, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hiervon betroffen sind. Dazu ist eine Abstimmung mit dem privaten Betreiber der Klinik erforderlich, der im Besitz der gesamten Personalunterlagen ist. Parallel dazu ist eine gesetzliche Neuregelung durch den Landesgesetzgeber in Angriff zu nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Thema eignet sich nicht dazu, so, wie Sie es tun, im Vorfeld der Kommunalwahl Stimmung auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu machen

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD): Ungeheuerlich! Sie haben die Mitarbeiterrechte missachtet! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

und das Thema für billige Wahlkampfzwecke zu missbrauchen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Fortgesetzte Zurufe des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen – Herr Spies, jetzt ist es wirklich gut –

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der CDU)

werden getreu dem Grundsatz „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“ die erforderlichen Schritte unternehmen und bis Ende des Jahres, so ist nun einmal die Frist, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, eine Lösung vorweisen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 25. Januar 2011 ausgeführt, dass trotz des Widerspruchsrechts der vom Beschluss betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die medizinische Versorgung der Bevölkerung sowie Forschung und Lehre an beiden Hochschulstandorten, Marburg und Gießen, nicht gefährdet werden dürfen. Alle betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben derzeit gültige Arbeitsverträge mit der Rhön-Klinikum AG. Diese werden überhaupt nicht infrage gestellt. Vielmehr erhalten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jetzt eine zusätzliche Option.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Die Sie ihnen wegnehmen wollen!)

Es ist jedoch, so das Bundesverfassungsgericht, nicht die Aufgabe des Gesetzgebers und der Gerichte, kraft vermeintlich besserer Einsicht die Entscheidung, welcher Arbeitgeber – von mehreren zur Auswahl stehenden Arbeitgebern – mehr Vorteile bietet, anstelle des Arbeitnehmers zu treffen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dabei hilft es auch nichts, dass das Hessische Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht in den vorangegangenen Instanzen die Rechtsauffassung des Landes Hessen bestätigt haben, wonach ein Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dem Ziel des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg entgegenstünde.

Selbstverständlich werden die Hessische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen unaufgeregt und im Interesse der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Entscheidung treffen, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden wird. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden die Hessische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen – das betone ich noch einmal – sehr, sehr ernst nehmen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass man das betonen muss, ist Teil des Problems!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, offensichtlich ist Ihnen überhaupt nicht daran gelegen, nach einer gemeinsamen Lösung für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu suchen.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Denn unmittelbar vor der Kommunalwahl am 27. März tun Sie so, als ob durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2011 der Bestand des Universitätsklinikums Gießen und Marburg in seinen Grundfesten gefährdet werde. Dieses unsachliche Vorgehen verunsichert alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik, egal ob sie von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2011 betroffen sind oder nicht. Dazu kann man nur sagen: billiger Wahlkampf ohne faktisches Grundwissen und erst recht ohne rechtliche Detailkenntnis.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Frau Abg. Dorn, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Was Sie hier gerade machen, sehr geehrte Kollegen von CDU und FDP, ist ganz klassisch ein Ablenkungsmanöver.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sie versuchen, von Ihren Fehlern abzulenken. Dabei haben Sie gerade eine schallende Ohrfeige bekommen. Bei der Privatisierung der Uniklinik Gießen-Marburg haben Sie die Landesbediensteten einfach zu einem privaten Arbeitgeber übergeleitet, ohne ihnen ein Widerspruchsrecht einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht sagt klar, dass dies mit dem Recht auf freie Berufswahl nicht vereinbar ist. Das Gesetz ist also in Teilen verfassungswidrig – ich betone: in Teilen –, aber statt diesen Fehler offen einzugestehen, versuchen Sie, davon abzulenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Der erste große Ablenkungsversuch, eine schöne Nebelwolke, ist eine Lobhudelei-Rede auf die Privatisierung. Da nennen Sie Urteile, die längst nichtig sind. Was bringt es, jetzt noch über die Urteile des Landesarbeitsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts nachzudenken, wenn wir eine klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben? Sie haben hier eine ganz konkrete Aufgabe gestellt bekommen. Genau der müssen Sie jetzt nachgehen. Da hilft es nicht, zu überlegen, ob das vielleicht eine rechtlich komplexe Materie war.

Zweitens spielen Sie auf Zeit. Wir haben bis Ende des Jahres nicht mehr viel Zeit. Bis dahin muss ein klares Gesetz vorliegen. Wenn das wirklich ein klares Gesetz sein soll, dann braucht man auch genügend Zeit für eine Anhörung.

Die dritte große Nebelschwade, die ich mittlerweile empörend finde, Herr Paulus: Sie beschimpfen uns, die Opposition, dass wir angeblich Panik verbreiten.

(Jochen Paulus (FDP): Das tun Sie doch!)

Waren Sie einmal im Landkreis Marburg-Biedenkopf? Waren Sie in Gießen? Haben Sie mit den Beschäftigten geredet? Lesen Sie einmal die Zeitung. Die Leute sind verunsichert. Die Betriebsräte führen Dauertelefonate mit allen möglichen Beschäftigten. Und wir stellen Fragen. Wir GRÜNEN haben im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst Fragen gestellt. Was sind die Konsequenzen? Wir wollten Antworten haben. Wir wollten wissen, was Ihre Überlegungen sind. Sie haben nur blockiert. Das einzige Mal, als Emotionalität aufkam, war, als Sie uns vorgeworfen haben, wir würden Panik verbreiten. Das ist unglaublich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Jochen Paulus (FDP): Das ist doch so!)

Ganz am Ende Ihrer Reden kommen dann ein paar warme Worte – ich habe es mitgeschrieben –: „Wir werden den Beschäftigten gerecht werden.“ – Was heißt das? Was heißt das konkret? Das ist eine derartige Nebelwolke, in der können Sie versinken.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es ist wirklich höchste Zeit, dass Sie dieses Ablenkungsmanöver beenden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat Ihnen klare Hausaufgaben gestellt. Sie müssen endlich Verantwortung übernehmen. Es geht um Ihre ehemaligen Beschäftigten – vielleicht bald wieder Ihre Beschäftigten. Das, was Sie hier machen, ist reine Wahlkampflyrik. Sie treffen keine konkrete Aussage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss aber in Richtung der Fraktion DIE LINKE auch deutlich sagen: Ich empfinde es genauso als Wahlkampf lyrik, wenn man über die Rückabwicklung der Privatisierung redet.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das schreibt auch die SPD in ihrem Antrag! – Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Es wäre mir neu, dass im SPD-Antrag etwas von einer Rückabwicklung der Privatisierung steht. – Ganz konkret gefragt: Wie wollen Sie das denn machen? Wie wollen Sie die Investitionen, die bisher getätigt worden sind, als Land sozusagen zurückkaufen? Wir können den Leuten nicht alles versprechen, was gerade wünschenswert wäre.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Deshalb haben wir gesagt, es soll geprüft werden!)

Zurück zur Landesregierung und zu den schwarz-gelben Fraktionen. Was sagen Sie den Beschäftigten konkret? Können Sie hier und heute sagen, dass die Leute keine Angst zu haben brauchen? Können Sie hier und heute sagen, dass sie, wenn sie ihr Recht auf Widerspruch endlich wahrnehmen wollen, dies ohne Angst tun können? Können Sie hier versprechen, dass die, die in den Landesdienst zurückkehren wollen, keine betriebsbedingten Kündigungen fürchten müssen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre ehemaligen Beschäftigten haben ein Recht auf konkrete Antworten. Sie haben ein Recht auf Lösung der Probleme. Sie von den Regierungsfraktionen waren es, die ihnen das Recht auf Widerspruch verwehrt haben. Sie wurden vom Bundesverfassungsgericht in die Schranken verwiesen. Das heißt, Sie haben den Fehler gemacht, Sie müssen ihn wiedergutmachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben 2005 ein unglaublich großes Versprechen gegeben – zumindest war es für Sie ein sehr großes Versprechen: Es darf bis 2010 keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Das war das politische Versprechen. Mit dem sind Sie durch die Lande gezogen. Die Leute haben Ihnen das abgenommen. Es ist ja auch so eingetreten, wie Sie gesagt haben, weil Sie das vertraglich so verhandelt haben. Jetzt haben wir aber eine neue Situation. Wir finden, dass Sie die moralische Verpflichtung haben, dieses Versprechen zu erneuern. Denn was können die Beschäftigten dafür, dass sie erst jetzt Recht bekommen und Sie damals ein Gesetz verabschiedet haben, das in Teilen verfassungswidrig ist?