Meine Damen und Herren, wir wissen und wir sind stolz darauf: Die Architektur dieses Hauses ist offen zur Stadt gestaltet. Aber wenn wir aus dem Fenster schauen, dürfen wir keine Transparente sehen. Ich frage mich: Warum brauchen wir ein Bannmeilengesetz? Es hält Bürgerinnen und Bürger fern. Es hält sie fern vom demokratischen Zentrum unseres Gemeinwesens.
DIE LINKE fordert, das Bannmeilengesetz aufzuheben. Nun ist das, wie so häufig in diesem Haus, nicht das erste Mal, dass wir uns damit beschäftigen. Deswegen möchte ich mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, aus dem Plenarprotokoll vom 8. März 2007 zitieren. Dort wurde gefordert, dass wir uns dieses Bannmeilengesetzes entledigen sollten.
Nach einer entsprechenden Evaluation... kann man überflüssige Gesetze abschaffen. Die FDP-Fraktion ist der Meinung, das Bannmeilengesetz ist eines dieser überflüssigen Gesetze.
So damals die heutige Staatssekretärin Nicola Beer. Die LINKE schließt sich dieser Meinung an. – Vielen Dank.
Um die Korrektheit der Zitiererei in diesem Hause zu vervollständigen, nenne ich jetzt noch die Quellenangabe für diesen Redeentwurf: Dr. Krieger, 2011. – Danke.
Vielen Dank, Herr Dr. Wilken. – Nächster Redner ist nun Herr Kollege Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.
Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Über dieses Thema Bannmeile, befriedeter Bezirk – dafür gibt es unterschiedliche Benennungen – kann man selbstverständlich diskutieren. Das ist das gute Recht eines Parlaments, das ist auch das gute Recht eines politischen Diskurses.
Aber ich muss schon sagen: Kurzzeitig drohte mir der Kamm zu schwellen – wegen der Art und Weise, in der Sie das hier getan haben, Herr Kollege Wilken. Das ist unerträglich.
Es ist in der Tat unerträglich, wie Sie das hier gemacht haben. Natürlich entzieht sich die Bannmeile des Hessischen
Landtags nicht der politischen Debatte. Ich finde es ganz legitim, dass wir darüber diskutieren, uns darüber auseinandersetzen und das Für und Wider diskutieren. Aber die Debatte über die Bannmeile des Hessischen Landtags eignet sich nicht für populistische Diskussionen – und auch gerade nicht,
um von der Aktion abzulenken, die Sie hier beim letzten Plenum im Hessischen Landtag veranstaltet haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Nachdem wir das jetzige Bannmeilengesetz wegen des Umzugs des Plenums vom Rathaus hierher geändert haben, hat es sich in der Regel bewährt. Wenn Sie sich das anschauen, sehen Sie: Wir haben eine relativ kleine Bannmeile um den Hessischen Landtag. Ein begrenzter Bezirk gilt als Bannmeile. Für Bürgerinnen und Bürger besteht auch die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Schauen Sie sich die §§ 3 und 4 des hessischen Bannmeilengesetzes an – danach gibt es durchaus die Möglichkeit, Ausnahmen zu beantragen.
Im Übrigen gilt die Bannmeile auch nur dann, wenn der Hessische Landtag seinen Betrieb aufgenommen hat, d. h. wenn Sitzungen stattfinden oder wenn dort offizielle Anlässe stattfinden. Dieses Bannmeilengesetz hat sich bewährt.
Gleichwohl will ich zugestehen: Natürlich kann man immer über Gesetze nachdenken. Man muss immer prüfen, ob die aktuelle Gesetzgebung noch den Erfordernissen entspricht oder ob sie überholt ist und deswegen geändert werden muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu haben wir aber auch die Möglichkeit. Das Bannmeilengesetz läuft am 31. Dezember 2012 aus. Dann sollten wir es evaluieren und uns darüber Gedanken machen, ob wir es wieder in Kraft setzen oder ob wir das Bannmeilengesetz in irgendeiner Form ändern müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist natürlich gutes Recht, ein Grundrecht, und gehört auch zum demokratischen Gemeinwesen, dass Bürgerinnen und Bürger gegen Entscheidungen des Hessischen Landtags demons trieren und dass sie das auch in unmittelbarer Nähe des Hessischen Landtags tun. Das ist das gute Recht der Bürgerinnen und Bürger. Landtags- wie auch Bundestagsabgeordnete müssen sich damit auseinandersetzen. Die Bürger haben ein Recht darauf, dass ihre Demonstration Gehör findet und auch in unmittelbarer Nähe zum Hessischen Landtag stattfinden kann.
Herr Kollege Wilken, es ist aber doch geradezu absurd, was Sie sagen. Das passiert in Wiesbaden doch gerade.
Wenn Sie sich die Demonstration von ver.di zum Tarifstreit angeschaut haben – ich glaube, das war am Montag.
und habe die Trillerpfeifen gehört und die Plakate gesehen. Ich habe sehr wohl wahrgenommen, dass dort eine Diskussion im Gange war. Wie Sie vielleicht gesehen haben, habe ich sogar eine Presseerklärung dazu geschrieben.
Herr Kollege, Sie sehen also: Der Hessische Landtag, die Abgeordneten nehmen schon Kenntnis von Demonstrationen, auch wenn sie auf dem Dernschen Gelände stattfinden.
Genauso, wie es richtig ist, dass Bürgerinnen und Bürger ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen und in unmittelbarer Nähe des Verfassungsorgans demonstrieren können, genauso wichtig ist es, dass ein anderer Verfassungsgrundsatz nicht in Vergessenheit gerät. Schauen Sie in Art. 76 der Hessischen Verfassung. Dort wird das freie Mandat postuliert, und dort steht, das Mandat ist „ungehindert und ohne Nachteil auszuüben“.
Nun kann man darüber nachdenken, ob das antiquiert ist, ob das unmodern ist oder so etwas. Aber ich glaube, ein freies und ungehindertes Mandat ist ein hohes Gut in unserem Rechtsstaat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei aller Diskussionsfreude – wir können gerne bei der Evaluation dieses Gesetzes darüber reden – will ich Ihnen sagen: Das existierende Gesetz hat sich bewährt. Es formuliert einen Interessenausgleich zwischen dem Anspruch auf das grundgesetzlich garantierte Demonstrationsrecht und der Ausübung des freien Mandats. Deswegen glaube ich, das Gesetz kann in seiner jetzigen Form durchaus Bestand haben.
Zu den Ausnahmen, die beantragt werden können, habe ich schon etwas gesagt. Ich weiß nicht, woher die Linkspartei das nimmt. Ich bemerke in Hessen keine breite Bürgerbewegung, die jeden Tag fordert, das Bannmeilengesetz für den Hessischen Landtag aufzuheben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Bürgerbewegung sehe ich noch nicht. Es sind vielleicht Einzelne. Vielleicht sind es der Herr Kollege Schaus und der Kollege Wilken. Aber ich muss sagen: Ich bekomme nun wirklich viel Post und unterhalte mich sehr viel über das, was hier im Hessischen Landtag los ist. Aber ich bekomme nicht jeden Tag kistenweise Schreiben, in denen gefordert wird, dass wir unbedingt das Bannmeilengesetz des Hessischen Landtags novellieren müssen.
Herr Kollege Wilken, es ist schon eigenartig, wenn Sie unter Ihren eigenen Gesetzentwurf schreiben, andere Gesetze reichten vollkommen aus, wenn man sie konsequent anwende – nämlich einschlägige Vorschriften: das Strafrecht, das Versammlungsrecht oder das Polizeirecht. Was nützt es eigentlich, dem Kind einen anderen Namen zu geben? Was nützt es, wenn ich statt „Bannmeile“ „befriedeter Bezirk“ schreibe? Was nützt es, wenn ich dieselben Einschränkungen aus anderen Gesetzen herleite wie jetzt aus dem geltenden Bannmeilengesetz? Das ergibt doch keinen Sinn.
Herr Kollege Wilken, das, was Sie gerade über den Sächsischen Landtag angeführt haben, ist auch nur die halbe Wahrheit. Sie wissen doch auch, dass der Präsident des Sächsischen Landtags vor dem Sächsischen Landtag das Hausrecht hat.