Wenn der entscheidet, dort passiert nichts, dann passiert dort nichts. Herr Kollege Wilken, von daher finde ich, Sie sollten da noch einmal ein bisschen Quellenstudium betreiben.
Zum Abschluss, aber auch das habe ich schon gesagt: Diese gesamte Debatte dient der Ablenkung von der letzten Aktion. Herr Kollege Wilken, ich glaube schon, Sie müssen sich auch einmal geschichtlich damit auseinandersetzen. Heute leben wir in anderen Zeiten, in einer gefestigten Demokratie. Wir können z. B. keinen Vergleich zum Dritten Reich ziehen. Heute haben wir ganz andere politische Voraussetzungen.
Aber es ist doch eine Tatsache, dass wir über den Schutz von Parlamenten und von Abgeordneten reden, weil das etwas mit unserer Geschichte zu tun hat. Deswegen ist die Integrität des Parlaments ein hohes Gut.
Ich möchte Ihnen nur einen kurzen Hinweis dazu geben, warum man darüber nicht populistisch, sondern inhaltlich und auch geschichtlich fundierter reden muss.
Es gibt eine wunderbare Ausarbeitung der SPD-Bundestagsfraktion über Otto Wels: „Mut und Verpflichtung“. Darin geht es um dessen letzte Rede im Reichstag, als er gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Dort wird sehr eindringlich beschrieben, wie die Abgeordneten, als sie zur Krolloper gehen wollten, um über das Ermächtigungsgesetz abzustimmen, durch einen Korridor – –
Wie sie dort durch eine Menge gehen mussten und wie dabei auf sie Zwang ausgeübt wurde – und wie dann die Nazis im Plenarsaal sogar in den Bereich, der nur für die Abgeordneten reserviert war, eingedrungen sind.
Aus dieser Tradition heraus, aus dieser Erfahrung haben die Väter des Grundgesetzes die Integrität des Parlaments und die Ausübung des freien Mandats als hohes Gut for
Vielen Dank, Herr Frömmrich. – Nun hat sich Herr Kollege Dr. Wilken zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Frömmrich, es fällt mir schwer, aber auf Ihre etwas verquasten historischen Zusammenhangsdarstellungen will ich jetzt mal nicht eingehen. Ich glaube aber, mich im Gegensatz zu ihnen sehr gut in dem von Ihnen angesprochenen historischen Zeitraum auszukennen.
Ich habe mich aus zwei anderen Gründen gemeldet. Sind Sie denn wirklich der Meinung, dass Sie, ich oder irgendwer sonst hier im Hause in den letzten oder den kommenden Wochen an der freien Ausübung seines Mandats gehindert worden ist oder werden könnte – und dass wir daran gehindert würden, wenn dort draußen Transparente vor den Fenstern zu sehen wären? Sind Sie wirklich dieser Meinung?
Ist es Ihnen nicht aufgefallen und hoffentlich auch ein wenig peinlich, dass Sie über weite Passagen Ihrer Ausführungen noch nicht mal von der eigenen, sondern nur von der CDU-Fraktion Applaus bekommen haben?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Wilken, Sie hätten lieber geschwiegen, das wäre besser gewesen.
Das ist der erste Punkt. – Der zweite Punkt: Wir sind eine demokratische Fraktion. In unserer Fraktion wird auch über solche Themen sehr kontrovers diskutiert, und es gibt unterschiedliche Auffassungen. Aber zur Ausübung des freien Mandats und zur Ausübung der politischen Willensbildung gehört es auch, dass ich hier meine Meinung sagen darf, und das tue ich auch für meine Fraktion.
Wie Sie sehen, steht meine Fraktion bei dem, was ich hier gesagt habe, auch hinter mir. In der Tat kann man – deswegen habe ich das auch zu Anfang gesagt – über viele Dinge unterschiedlicher Auffassung sein und sie auch unterschiedlich diskutieren.
Aber ich glaube, Sie haben durch Ihren Beitrag jetzt und auch schon vorhin gezeigt, dass Sie sich vielleicht noch einmal hinsetzen und für mehr geschichtliches Verständnis das ein oder andere über die Entstehungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, über den Parlamentarismus wie auch den Schutz und die Ausübung des freien Mandates nachlesen sollten.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, da wir inhaltlich anders aufgestellt sind; vor allem aber auch, da das bestehende Gesetz über die Bannmeile des Hessischen Landtags 2012 ausläuft und daher in Kürze evaluiert werden wird. Das heißt, in wenigen Monaten werden Fachleute aus Polizei und Verwaltung, dem öffentlichen Leben und der Politikwissenschaft zu Wort kommen und Gehör finden. Das heißt aber auch, Pro und Kontra werden ausgetauscht, und die konkrete Ausgestaltung dieses Gesetzes wird besprochen werden.
Dass aber gerade Sie von den LINKEN die Bannmeile jetzt abschaffen wollen, ist absurd – war es doch Ihre Vorgängerpartei, die ein ganzes Land zur Bannmeile erklärt hat.
Im Unterschied zu Ihrer Vorgängerpartei haben wir keine Angst vor dem Volk: Wir hören auf das Volk, wir diskutieren mit dem Volk. Im Unterschied zu Ihnen sind wir eben eine Volkspartei und werden nicht nur von ein paar Randgruppen gewählt. Wir hören das Volk, da muss es nicht 50 m näher an den Landtag kommen.
Vor dem Volk haben wir, wie gesagt, keine Angst. Aber wir sorgen uns um hyperaktive Interessengruppen. Denen wollen wir keine weitere Bühne bieten – nicht 5 m vor dem Landtag und auch nicht 5 m über dem Plenarsaal, wie es in der letzten Runde der Fall war.
Der Kollege Frömmrich hat ja darauf hingewiesen, dass wir singende Zuschauer schon zu anderen Zeiten der Republik hatten – wozu das geführt hat, wissen wir alle oder sollten es wissen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Deutschland gibt es diesen Schutz mit einer Unterbrechung bereits seit 1848. Erstmals in der deutschen Verfassungsgeschichte
wurde der Schutz des Parlaments durch eine Bannmeile von der Frankfurter Nationalversammlung im Oktober des Jahres 1848 beschlossen. Am 8. Mai 1920 wurde unter der damaligen Weimarer Verfassung abermals ein Gesetz verabschiedet, nachdem es zu blutigen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Beratung des Betriebsrätegesetzes gekommen war. 1934 aufgehoben, sorgte ab 1955 ein neues Bannmeilengesetz wieder für befriedete Zonen. Und dies macht unseres Erachtens auch Sinn, dient es doch dem Schutz der Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Gesetzgebungsorgane.
Tätliche Angriffe und Behinderung des freien Zugangs werden so verhindert, ohne dass die Bürger eingeschränkt werden. Druckfreie Entscheidungen des Parlaments und die Unabhängigkeit der Abgeordneten werden gewährleistet, darum geht es – und nicht um ein Fernhalten der Bevölkerung von den Abgeordneten.
Bürgernähe nehmen wir doch in erster Linie durch die Präsenz und die Arbeit in den Wahlkreisen wahr.
Bürgernähe beweisen wir durch die inhaltliche Auseinandersetzung mit Interessierten. Bürgernähe heißt auch, dass wir beispielsweise die Zuschauertribüne öffnen und uns anschließend zivilisiert in Diskussionsrunden austauschen.