Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben ziemlich lange auf diesen Entwurf gewartet, und ich dachte eine Zeit lang: Was lange währt, wird endlich gut. Aber um bei Sprichwörtern zu bleiben, es war wohl eher so: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Das, was wir hier geliefert bekommen haben, ist sehr weit entfernt von gut. Ich finde es ziemlich traurig, denn eigentlich fängt es gut an.
3. in ihrer Selbstständigkeit und Selbstbestimmung, auch hinsichtlich Religion, Kultur und Weltanschauung [...] zu fördern,
4. bei ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie bei der Mitwirkung in den Einrichtungen zu unterstützen [...]
Das sind alles wunderbare Sätze. Ich glaube, jeder hier im Haus würde die auf der Stelle unterschreiben.
Aber wie kommt man, bitte, dahin? Das muss man doch unterfüttern. Dafür muss man doch Regelungen treffen, die einen Hintergrund schaffen, vor dem das Ganze möglich wird und nicht einfach nur sagen, wir hätten die Welt gern schön, und dann werde sie von selbst schön. Sie wird nicht von selbst schön. Wir brauchen bestimmte Voraussetzungen, um diese Ziele zu erreichen, und diese Voraussetzungen sind in diesem Gesetz leider nicht beschrieben.
Das fängt schon damit an, dass der Mensch, der versucht, dieses Gesetz zu lesen, zu verstehen und sich als möglicherweise Betroffener schlau zu machen, mit einer Behörde konfrontiert wird, die sich durch das ganze Gesetz hindurchzieht. Wenn man dann versucht, diese herauszufinden, muss man fast bis zum Schluss lesen, um dann zu erfahren, dass es das Amt für Versorgung sein soll, dass das aber auch abweichende Regelungen treffen kann. Das heißt, am Ende weiß ich als betroffener Bürger nicht, wer die zuständige Behörde ist, an die ich mich wenden kann, wenn ich a) informiert werden möchte oder b) etwas zu reklamieren habe. Das geht nicht.
Es geht auch nicht, dass viele wesentliche Kernstücke, die in einem solchen Gesetz zu regeln gewesen wären, auf die Ebene der Rechtsverordnung verschoben werden. Es gibt Menschen, die betroffen sind. Es gibt Fachkräfte, die damit zu tun haben und die die Möglichkeit haben, in Form einer Anhörung bei der Erstellung eines solchen Gesetzes mitzuwirken. Diese Mitwirkung ist sehr wichtig. Und wir haben ein Parlament, das mitwirkt. Wenn wir das Ganze auf die Rechtsverordnungsebene verschieben, dann sind all die draußen. Das heißt: Sie wollen nicht, dass die Betroffenen ein Mitspracherecht an dem Gesetz haben, das über ihr Wohl und Weh im Alter entscheidet. Das ist die klare Aussage dieses Gesetzentwurfs, weil hier die wesentlichen Dinge auf die Verordnungsebene geschoben werden. Das geht nicht.
Es geht auch nicht, dass Sie bei bestimmten Regelungen schlicht und ergreifend auf bereits bestehende Gesetze zurückgreifen. Das kann man so machen, und das machen Sie hier so. Da ist z. B. die Heimmindestbauverordnung, die beschreibt, wie groß der Raum sein muss, in dem ein Mensch lebt. Diese Heimmindestbauverordnung spricht bei einem alleinstehenden Menschen, bei einem Menschen, der in einem Zimmer lebt, von 12 m2. Das finde ich in unserer Zeit nicht mehr angemessen, in keiner Form. Sie beschreibt, wenn sich zwei Menschen einen Raum teilten, erhöht sich das auf 18 m2. Da sind wir dann bei 9 m2 pro Person. Das Tierschutzgesetz schreibt für einen Schäferhund 10 m2 vor. Ich finde, dass das, was Sie hier machen, sehr arm ist.
Sie sprechen – ich zitiere das gern noch einmal – von „Würde“, von „Selbstständigkeit“ von „Selbstbestimmung“ und von „Teilhabe“. Wie soll denn das gehen, wenn Menschen Hilfe brauchen, es dafür Personal braucht und wir dieses Personal in den Einrichtungen nicht haben? – Sprechen Sie doch einmal mit den Fachleuten. Die werden Ihnen sagen: Wir wären dankbar, wenn die Pflegeminuten, die schon jetzt attestiert und die gebraucht werden, um einen Menschen zu pflegen, tatsächlich zur Verfügung stünden. Wir wagen nicht einmal von mehr zu träumen, aber das, was gepflegt werden soll, sollte tatsächlich mit Personal unterlegt sein. Diese Situation gibt es, und dann finde ich es verantwortungslos, wenn Sie in dem neuen Gesetz, das Sie jetzt verabschieden wollen, nicht über Personal und Personalmindeststandards reden.
Wenn sich eine Einrichtungen nicht prüfen lassen will, dann ist das eine Ordnungswidrigkeit. Wieso ist das eine Ordnungswidrigkeit? – Wenn jemand die Prüfung verweigert, ist das deutlich schlimmer und kann nicht als Ordnungswidrigkeit zu geahndet werden.
Ich frage mich tatsächlich, mit wem Sie sich im Vorfeld beraten haben. Sie haben nicht mit den Seniorenbeiräten und dem VdK gesprochen. Wenn ich mir in Erinnerung rufe, was ich hier vorhin von Herrn Rock hören musste: „Manche Entscheidungen haben wir sehr bewusst getroffen“, Herr Rock, dann nehme ich an, Sie haben doch mit dem Hotel- und Gaststättenverband gesprochen. Das ist doch der Stil Einrichtung, den Sie hier bauen wollen. Oder meinten Sie das nicht?
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wissen Sie, wenn Sie in § 1 davon reden, dass dieses Gesetz das bürgerschaftliche Engagement fördern soll, dann kann man sich, wenn Sie nicht über Personalmindeststandards reden, doch ausrechnen, wohin dieser Zug fahren soll.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt den vorgelegten Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen ausdrücklich.
Es ist ein Gesetzentwurf, der den hessischen Spezifika Rechnung trägt. Es ist ein Gesetzentwurf, der den pflege
bedürftigen Menschen entgegenkommt. Es ist ein Gesetzentwurf, der innovativ und zukunftsweisend ist, und es ist vor allen Dingen kein Pflege- und Betreuungsgesetz, wie es Oppositionsfraktionen eingebracht haben, das einfach von einem anderen Bundesland abgeschrieben worden ist und wo im Grunde genommen nur die Zahl 6 durch die Zahl 12 ersetzt worden ist.
Der Gesetzentwurf, den die SPD eingebracht hat, ist 1 : 1 der rheinland-pfälzische Gesetzentwurf, nur mit dem Unterschied, dass die Zahl 6 durch die Zahl 12 ersetzt wurde. Der große Witz ist: Wenn man in einem Gesetzentwurf entsprechende Formulierungen vornimmt und klare Vorgaben gibt, wie beispielsweise die Zahl 12 für Überprüfungsanlässe, dann kann man diese Regelung relativ leicht umgehen, indem man eben zwei Etagen à sechs macht. Schon ist man außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes. Das entspricht nicht den Vorstellungen der Landesregierung.
Insofern entspricht der Gesetzesentwurf, den die Regierungsfraktionen vorgelegt haben, eher den Vorstellungen der Landesregierung. Deswegen begrüßen wir das ausdrücklich.
Denn der Entwurf geht unter den Gesichtspunkten der Zunahme von Pflegebedürftigkeit im Alter und der damit oftmals verbundenen Notwendigkeit von Unterstützung tatsächlich neue Wege. Die Grundlage dafür bietet der Verbraucherschutz. Ältere pflegebedürftige Menschen und volljährige Menschen mit Behinderung, die gegen Entgelt gepflegt oder betreut werden, benötigen auch einen öffentlich-rechtlichen Verbraucherschutz. Dies ist ein wesentlicher Grundgedanke, der den Gesetzesentwurf oder vielmehr den Gesetzentwurf durchzieht. Dies ist zu begrüßen. – Ich habe mich gerade korrigiert, weil ansons ten der Herr Justizminister wieder erklärt, dass es „Gesetzentwurf“ und nicht „Gesetzesentwurf“ heißt. Damit hat er recht.
Es geht nämlich um ein gutes Leben im Alter. Genau das setzen die Regierungsfraktionen mit dem vorgelegten Verbraucher schützenden Entwurf um. Es werden inhaltlich Maßstäbe gesetzt. Im Entwurf der Regierungsfraktionen wird der gesamte ambulante Bereich berücksichtigt, und das bedeutet einen umfassenden Schutz für alle gegen Entgelt gepflegten und betreuten Menschen.
Alle gegen Entgelt gepflegten und betreuten Menschen bedürfen auch dieses umfassenden Schutzes. Damit werden auch neue Wohnformen berücksichtigt, die dann eben angezeigt werden müssen.
Viele Bundesländer haben aufgrund enger Definitionen erhebliche Probleme. Der richtige Weg ist daher der, den der vorliegende Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen einschlägt, nämlich alle Bereiche, in denen es eine Pflege und Betreuung gegen Entgelt gibt, in den gesetzlichen Schutz mit aufzunehmen.
Deswegen geht es auch um folgende Fragestellungen. Ich will es kurz machen. Ich möchte einige Grundgedanken noch einmal darlegen.
Erstens. Hier wird konsequent der Gedanke „ambulant vor stationär“ umgesetzt. Deswegen wird, ausgehend von § 1 – so haben wir es verstanden – mit den allgemeinen Zielsetzungen in § 2 von „Einrichtungen“ und damit umfassend gesprochen. Damit sind auch die Altenheime erfasst, von denen die Fraktion der GRÜNEN in der Pressemitteilung gesprochen hat und von denen Herr Dr. Jürgens eben hier gesprochen hat.
Wir alle wissen aber, dass das klassische Altenheim so nicht mehr existiert. Sie haben die Entwicklung dort verpasst. Aber alle diese Einrichtungen sind von dem Gesetzentwurf umfasst. Insofern meine ich, dass es ausgesprochen gut und richtig ist, dass man hier allgemein den Begriff der Einrichtung verwendet hat, unter den alle Wohnformen, aber auch Betreuungseinrichtungen zu subsumieren sind.
Zweitens. Ich finde, es ist wichtig, dass Beratung und Information stattfindet. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt. Insofern ist auch das Thema Beratungsangebot und Hotline zu begrüßen. Es gibt das Recht auf gewaltfreie und menschenwürdige Pflege.
Insofern stellt der Gesetzentwurf auf das Recht auf genau diese gewaltfreie und menschenwürdige Pflege ab. Die Würde der älteren oder pflegebedürftigen oder volljährigen Menschen mit Behinderung steht im Vordergrund und ist der rote Faden dieses Gesetzentwurfs.