Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

(Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Frank Blech- schmidt (FDP))

Die Tarifbeschäftigten können sich freuen.

(Demonstrativer Beifall des Abg. René Rock (FDP))

Wir gönnen ihnen diese Einkommensentwicklung nach vielen Jahren des Stillstands, nach Jahren der Auseinandersetzung und der Gängelung ausdrücklich.

Aber ein Punkt ist auch: Die Landesregierung ist zur Einsicht gekommen. Denn nach fünf Jahren tarifpolitischer Irrfahrt, an der Spitze Lohndiktat per Gesetz – wir erinnern uns: 2007 –, hat sich die Landesregierung offensichtlich eines Besseren besonnen und hat gemeinsam mit den Gewerkschaften einen Abschluss hinbekommen.Mit dem Abschluss ist eines aber auch klar: Die Argumente des Innenministers für den Austritt aus der Tarifgemeinschaft der Länder und den Verbleib außerhalb einer einheitlichen bundesdeutschen Tarifstruktur im öffentlichen Dienst werden immer dünner. Herr Innenminister, wenn Sie jetzt von „maßvoll“, von „maßgeschneidert“ sprechen, dann sprechen Sie darüber, dass Sie jetzt das nachholen, was in der TdL und im TVöD bereits seit Langem gilt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, eines ist richtig: Das Finanzargument als Begründung für den Austritt aus der TdL zählt nicht mehr. Der Innenminister hat immer gesagt: Die Ab

schlüsse der TdL sind für Hessen zu teuer. Deshalb gehen wir raus. Deswegen bleiben wir auch draußen.

Ich will dem Innenminister ein Zitat aus dem Jahr 2005 vorhalten. Da hat er gesagt – es ging um die Tarifabschlüsse –: „Die Hessische Landesregierung wird den in Potsdam vereinbarten Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst nicht übernehmen.“ Der Innenminister verweist auf die Mehrkosten von 60 Millionen c für die Jahre 2005 bis 2007.

Herr Kollege Bouffier, Sie sind bei der Frage der TdL als brutalstmöglicher Hessenlöwe gestartet und mittlerweile als Bettvorleger im Hause gelandet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Sie haben immer erklärt, man müsse aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder austreten, weil es so teuer sei.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich habe es Ihnen doch gerade gesagt. – Damals – beim Tarifabschluss 2005 bis 2007 mit Kosten für Hessen von 60 Millionen c – haben Sie gesagt: Das kann das Land nicht finanzieren. – Jetzt vereinbaren Sie einen Abschluss für 2009 bis 2010 für 135 Millionen c.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Konjunkturprogramm!)

Jetzt erklären Sie auf einmal, dass das ein maßvoller und maßgeschneiderter Abschluss ist. Herr Innenminister, irgendetwas passt an Ihrer Argumentation doch nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns den Tarifvertrag im Einzelnen an. Schauen wir uns die Vergütung an. Die Löhne werden mit Wirkung zum 1.April 2009 um 3 % erhöht:Abschluss Tarifgemeinschaft deutscher Länder.

(Minister Volker Bouffier: Falsch!)

Eine weitere Erhöhung erfolgt dann ab dem 1. März 2010 um 1,2 %:Abschluss Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Dort sind noch Einmalzahlungen, jeweils in Höhe von 40 c, vereinbart. Herr Innenminister, Sie vereinbaren für 2009 eine Einmalzahlung – im Gegensatz zu 40 c – in Höhe von 500 c.

Zum 1. April steigen die Ausbildungsvergütungen um 60 c, im darauffolgenden Jahr um weitere 1,2 %: Das ist der Abschluss der Tarifgemeinschaft deutscher Länder.

(Wolfgang Greilich (FDP): Was stört Sie denn daran?)

Die Laufzeiten:Tarifgemeinschaft deutscher Länder.

Herr Innenminister, wenn Sie sich diese Vereinbarung anschauen, werden Sie feststellen, dass Sie in vielen Punkten, die Sie vereinbart haben, über dem Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft deutscher Länder liegen, uns hier aber erzählen, dass das alles viel billiger sei. Entweder hat das etwas mit dem Hessenabitur zu tun, oder aber Sie müssen hier erklären, wie Sie auf diese Zahlen kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir freuen uns,dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen günstigen Tarifvertrag bekommen, dass sie von diesem Tarifvertrag profitieren.Wir gönnen ihnen jeden Eurocent.Aber angesichts der Abschlüsse, die Sie hier vorlegen, fragen wir uns: Hat sich die Auseinandersetzung, hat sich der Streit, den die Landesregierung über fünf Jahre

mit den Tarifbeschäftigten, mit den Gewerkschaften, mit den Interessenvertretern geführt hat, wirklich gelohnt? – Ich meine, es hat sich nicht gelohnt. Das ist ein gutes Argument dafür, in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder zurückzukehren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister, was war denn, bitte schön, der Mehrwert der Auseinandersetzung? Noch einmal: 2004 ist das Land aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ausgetreten. 2005 erklärt der Innenminister, der Abschluss, 60 Millionen c bis 2007, koste zu viel Geld und könne nicht übernommen werden. Die Landesregierung werde höhere Personalkosten nicht hinnehmen. – Der Abschluss 2009 kostet nach Aussage des Innenministers 135 Millionen c, bezogen auf die Laufzeit bis 2010. Der Minister nennt das eine „erhebliche Einkommensverbesserung für die Tarifbeschäftigten“, es berücksichtigte gleichzeitig auch die spezifische Haushaltslage des Landes Hessen. – Herr Innenminister, das müssen Sie diesem Hause noch einmal genauer erklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch einmal darauf hinweisen, weil wir gerade bei Zahlen und bei Ihren Argumenten für den Austritt aus der Tarifgemeinschaft der Länder sind: Beim Austritt aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder 2004 hatten wir einen Schuldenstand von 30,5 Milliarden c, 2005 einen Schuldenstand von 31,2 Milliarden c. Da haben Sie erklärt, die Haushaltslage sei so schlecht, dass man Tariferhöhungen nicht mehr machen könne. 2009 legen wir 2,5 Milliarden c obendrauf, kommen auf einen Schuldenstand unter dem Strich von 35,9 Milliarden c, und dieser Innenminister erklärt, das sei alles vertretbar in Anbetracht der Haushaltslage, das sei ein richtiger Abschluss, und das sei maßvoll und ordentlich. – Herr Innenminister, da stimmt irgendetwas an Ihrer Rechnung nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Volker Bouffier: Hätten wir den Leuten nichts geben sollen?)

Nein, ich finde das richtig, Herr Innenminister. Ich finde es richtig, dass man den Leuten das Geld gibt. Nur, Sie müssen sich an den Argumenten messen lassen, die Sie in den letzten Jahren hier immer vorgetragen haben, warum Sie genau nicht in der Tarifgemeinschaft der Länder sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Volker Bouffier:Weil das falsch ist!)

Der Innenminister findet das im Übrigen auch selbst erstaunlich, was er uns vorrechnet. Nach dem Skript, das er uns dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, sagt er in seiner Regierungserklärung auch,dass das sozusagen als Quadratur des Kreises erscheine, dass es trotzdem so sei, dass das Land bei all dem, was ich gerade gesagt habe, sogar 30 Millionen c sparen würde.

(Günter Rudolph (SPD): Die Rechnung hätten wir gern!)

Herr Innenminister, ich glaube, Sie sind an dem Punkt über Ihre eigene Genialität erschrocken,

(Minister Volker Bouffier: Nein, glauben Sie es nicht!)

wie Sie hin- und hergerechnet haben, und deshalb versuchen Sie zu erklären, wie diese Zahlen zustande gekommen sind. Ich habe in diesem ganzen Papier, in den Erklärungen, die Sie hier vorgetragen haben, und auch in Ge

sprächen mit Menschen, die mit Ihnen zusammen verhandelt haben, nicht in Erfahrung bringen können,

(Minister Volker Bouffier: Das machen wir alles im Ausschuss!)

wie Sie in der Vereinbarung über die Abschlüsse der Tarifgemeinschaft deutscher Länder hinausgehen und dann erklären, dass das alles 30 Millionen c billiger sei. Das konnten mir auch diejenigen nicht erklären, die mit Ihnen an einem Verhandlungstisch gesessen haben. Herr Innenminister,Sie haben es in diesem Hause auch noch nicht erklärt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Volker Bouffier: Das machen wir doch!)

Sie versuchen es zumindest an einem Punkt,indem Sie auf die sogenannte Sockelung eingehen. Da sagen Sie, dadurch dass die Sockelbeträge nicht genommen werden, steige das über die Jahre nicht an, und dadurch sei eine Einsparung zustande gekommen. – Herr Innenminister, das stimmt für das Jahr 2009;denn im Jahr 2009 fußen Ihre Vereinbarungen auf dem alten BAT. Das stimmt aber nicht mehr für die Jahre ab 2010;denn für das Jahr 2010 ist die Grundlage, auf der Sie fußen, der TV-L. Herr Innenminister, in dem Betrag ist die Sockelung, von der Sie vorhin gesprochen haben, natürlich inbegriffen. Das steht auf Seite 2 Ihrer eigenen Vereinbarung.

Herr Innenminister, was Sie hier als Versuch einer Erklärung anbringen, ist zumindest meiner Auffassung nach nicht konsistent.Sie sollten hier noch einmal erklären,wie Sie bei dem, was Sie vereinbart haben, bei dem, was Sie an Mehr auf die TdL obendrauf gelegt haben, unter dem Strich noch einmal 30 Millionen c einsparen. Herr Innenminister, das können anscheinend nur Sie erklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Volker Bouffier: Ja, das kann ich erklä- ren!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Innenminister ist auf verschiedene Bereiche dieser Vereinbarung eingegangen. Ich will das jetzt nur kurz im Abriss machen, weil ich nicht mehr viel Zeit habe. Von uns sträubt sich keiner gegen diese Vereinbarung. Wir kritisieren auch nicht die sozialen Komponenten,die dort inbegriffen sind. Herr Innenminister, diese sozialen Komponenten aber als Argument heranzuziehen, um weiterhin außerhalb der TdL zu bleiben,ist grotesk.Denn es wird Ihnen keiner bestreiten,wenn Sie die TdL als Grundlage nehmen,dass Sie natürlich über die TdL hinaus auch noch soziale Komponenten mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Lande Hessen vereinbaren können. Das gilt im Übrigen für die Familienkomponente, das gilt für das Weihnachtsgeld, und das gilt auch für weitere Komponenten, für die Sie sich gerade gelobt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unter dem Strich muss ich sagen:Die Gewerkschaften haben gut verhandelt. Die Gewerkschaften haben für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes einen guten Tarifabschluss hinbekommen. Wir begrüßen das ausdrücklich. Wir glauben aber, Herr Innenminister, dass Sie mit dem, was Sie vereinbart haben, das Argument nicht mehr aufrechterhalten können, dass Sie außerhalb einer bundeseinheitlichen Tariflandschaft bleiben. Wir fordern Sie weiterhin auf: Kehren Sie in die Tarifgemeinschaft der Länder zurück. Begeben Sie sich aus dem Boot, in dem Sie gemeinsam mit der LINKEN sitzen. Es gibt nämlich nur zwei Länder in der Bundesrepublik Deutschland, die

nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder sind. Das ist das Bundesland Hessen, CDU-geführt, und das ist das Bundesland Berlin unter Beteiligung der LINKEN. Ich finde, Sie sollten sich aus dem Gummiboot mit den LINKEN begeben und wieder zu einer vernünftigen Tarifpolitik zurückfinden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Volker Bouffier: Ein kraftvoller Frömm- rich, jawohl!)

Zu Ihrem Argument, die Tatsache, dass die Gewerkschaften mit Ihnen eine Vereinbarung getroffen hätten, sei der Beweis dafür, dass die Gewerkschaften akzeptiert hätten, dass Sie aus der Tarifgemeinschaft der Länder draußen blieben, kann ich Ihnen nur sagen: Nach Gesprächen, die ich mit Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften geführt habe, ist es nicht so. Die Gewerkschaften sagen, sie akzeptieren die Kraft des Faktischen. Sie sagen, die Regierung, die wahrscheinlich bis 2014 im Amt bleiben wird, wird wahrscheinlich nicht in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückkehren, und deswegen will man im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Vertrag abschließen, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Einkommensentwicklung teilhaben lässt. Daraus jetzt zu konstatieren,dass die Gewerkschaften akzeptiert hätten, dass Sie nicht mehr Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder sind, ist geradezu absurd.