Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

(Lachen des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Wagner, Sie lachen. Lachen Sie doch auch, wenn der Kollege Kretschmann schon jetzt angekündigt hat, dass er in Baden-Württemberg Lehrerstellen streicht. Was sagen Sie denn dazu?

(Beifall bei der FDP und der CDU – Mathias Wag- ner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Quatsch!)

Was sagen Sie zu Nordrhein-Westfalen, wo Ihr Schulversuch einer Gemeinschaftsschule, oder wie das Ding dort

auch immer heißt, gerichtlich gekippt wurde? Herr Wagner, was sagen Sie dazu?

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch Quatsch!)

Herr Wagner, lesen Sie keine Nachrichten? – Für mich ist das eine ganz klare Schlussfolgerung: Lassen wir die GRÜNEN die Schulpolitik in diesem Land bestimmen, haben wir Chaos und ganz alte Hüte, die Sie mit Ihrer sogenannten neuen Schule in den Ring werfen wollen. Das werden Ihnen die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land nicht durchgehen lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Heike Haber- mann (SPD): Das werden Sie wohl nicht mehr erleben!)

Vielen Dank, Herr Kollege Döweling. – Für die Landesregierung hat nun Frau Kultusministerin Henzler das Wort.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt wird wieder gekürzt!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte, die sich erneut nur mit Schulformen und Schulstrukturen beschäftigt, ist ein Treten auf der Stelle, und sie sorgt für keine Qualitätsentwicklung an den Schulen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Habermann hat Ihnen schon sehr deutlich gesagt,

(Norbert Schmitt (SPD): Eine gute Frau!)

dass Ihnen nichts Neues eingefallen ist. Denn wir haben vor einem Jahr, am 3. März 2010, im Landtag auf Antrag der GRÜNEN genau das gleiche Thema diskutiert. Damals hieß dieser: „Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend für eine Neue Schule – längeres gemeinsames Lernen auch in Hessen endlich ermöglichen“.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

Es ist also der gleiche Inhalt wie beim heutigen Antrag.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da ist bei uns eine Linie drin!)

Ich habe Ihnen damals geantwortet:

Entscheidend für uns waren nicht die Schulformen – deswegen finde ich diese Diskussion nun wirklich aus dem vorigen Jahrhundert –, entscheidend für uns sind immer die drei verschiedenen Bildungsgänge mit ihren drei verschiedenen, landesweit einheitlichen Abschlussprüfungen. Jede dieser Abschlussprüfungen öffnet eine Tür zu einem weiteren Bildungsgang oder zu einer Ausbildung.

An dieser Haltung hat sich nichts geändert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren von der Opposition, wann werden Sie endlich einmal begreifen, dass Debatten über

Schulformen und -strukturen völlig an den wirklichen Aufgaben und an den durchaus notwendigen Veränderungen im Bildungssystem vorbeigehen? Ich habe schon immer gesagt und wiederhole es heute noch einmal: Es kommt nicht auf das Schild an, das über einer Eingangstür einer Schule steht, sondern darauf, was in dieser Schule getan wird, wie engagiert die Lehrerinnen und Lehrer sind, wie gut das Klima zwischen Lehrern, Eltern und Schülern ist und wie gut die Schulleitung ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Und die Kultusministerin!)

Es ist noch nicht einmal so wichtig, wie gut die Kultusministerin ist. Entscheidend ist, was in der Schule passiert.

(Heiterkeit – Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das sollten Sie aber nicht als Ausrede verwenden! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das war von der Ministerin sehr souverän!)

Was für die Kultusministerin aber ganz wichtig ist, ist, wie der Unterricht aussieht, der in diesen Schulen stattfindet, und daran arbeiten wir.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr souverän! – Norbert Schmitt (SPD), zu Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) gewandt: Der denkt über seine Amtszeit nach! – Gegenruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die habe ich doch längst vergessen!)

Wir führen Bildungsstandards ein. Wir gehen auf kompetenzorientierten Unterricht. Wir verstärken die individuelle Förderung.

(Norbert Schmitt (SPD), zu Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) gewandt: Wir haben heute noch Scherben!)

Herr Schmitt, Sie können ruhig etwas lernen. Wenn ihr euch untereinander unterhalten wollt, dann könnt ihr mir nicht gleichzeitig zuhören.

(Heiterkeit und Beifall – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Wagner, momentan sind wir beim Frontalunterricht, und da redet nur einer.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich war gerade dabei, zu schildern, wie wir die Entwicklung zu gutem Unterricht in Angriff genommen haben. Wir fördern das selbst organisierte Lernen und eine Feedbackkultur der Schülerinnen und Schüler dem Lehrer gegenüber, denn dann übernehmen die Schüler auch Verantwortung für die Gestaltung des Unterrichts. Diese Veränderungen, die Sie haben wollen, werden trotz anderslautender Reden von oben verordnet. Im Zweifel verordnen Sie diese Veränderungen über den goldenen Zügel, über die Stellenzuweisung, denn so war das unter RotGrün in Hessen schon früher.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das schon wieder!)

Auch wenn Sie sagen, es wäre ein freiwilliges Angebot, so zeigt Ihr Antrag doch, was Sie wollen. Sie wollen zu einem zweigliedrigen Schulsystem, und damit wollen Sie zu einer Veränderung der Schulstrukturen kommen. Das ist genau das, was wir nicht brauchen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt brauchen Sie doch die Kultusministerin. Denn eine solche Veränderung wird es mit einer Kultusministerin, die den Schulen Ruhe und Verlässlichkeit versprochen hat, in Hessen nicht geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eines der guten und großen Markenzeichen der hessischen Schule ist ihre Vielfalt im Angebot, ihre Vielfalt an Schulformen. Hier finden Eltern wirklich für jedes Kind, für jede Begabung und für jede Eigenschaft eine Schule, die sie für ihr Kind aussuchen können. Diese Veränderung zu einer Einheitsschule oder zu zwei verschiedenen Schulstrukturen wird es mit mir auch deshalb nicht geben, weil ich die Arbeit aller Schulen und aller Schulformen in Hessen sehr hoch schätze.

Frau Cárdenas, wenn Sie hier sagen, die Gymnasien spuckten die Schüler aus, dann ist das wirklich eine Diffamierung der guten Arbeit, die an diesen Schulen geleistet wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben 90 integrierte und 116 kooperative Gesamtschulen in Hessen, die sich großer Nachfrage bei den Eltern erfreuen. Das ist auch gut so; sie sind eine große Bereicherung der Schullandschaft in Hessen. Sie stellen ein traditionell gewachsenes und seit Jahrzehnten attraktives Schulangebot in Hessen dar, das überhaupt keiner Änderung bedarf, und das Angebot zu längerem gemeinsamen Lernen wäre eine Änderung.

Jetzt kommen wir einmal zum Saarland. Im Saarland wurde die Hauptschule bereits vor 20 Jahren abgeschafft. Große Bildungserfolge hatte das nicht, denn die Zahlen der Schulabgänger und die Zahl derjenigen, die mit minderem Bildungsabschluss die Schule verlassen, sind im Saarland relativ groß. Damals wurde die Erweiterte Realschule mit Haupt- und Realschulbildungsgang eingeführt. Es gibt im Saarland also derzeit nur drei Schulformen – im Gegensatz zu Hessen, wo wir mindestens zehn haben. Jetzt werden die Gesamtschulen mit den Realschulen zusammengeführt. Das ist, wenn man nur drei Schulformen und deutlich weniger Einwohner hat – nämlich 1 Million; wir haben 6 Million Einwohner, also hat man deutlich weniger Schüler –, weniger problematisch als in Hessen mit unseren vielfältigen Schulformen.

Im Übrigen möchte ich noch etwas sagen: Der Zugang zum Gymnasium ist im Saarland nur über eine Entscheidung der Klassenkonferenz und über die Noten zu erreichen. Da ist nichts mit freiem Elternwillen. Da frage ich die GRÜNEN im Hessischen Landtag, ob das ihr Zukunftsmodell ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Mathias Wag- ner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

GRÜNE und SPD sehen im längeren gemeinsamen Lernen immer noch das Allheilmittel für die Chancengleichheit. Wenn Sie sehr aufmerksam zugehört haben, haben Sie festgestellt, dass Herr Dr. Dittmann bei der Anhörung zum Hessischen Schulgesetz etliche Studien vorgelesen hat, die ganz deutlich belegen, dass das nicht zum Vorteil der Schülerinnen und Schüler ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich denke, man sollte solche Studien nicht einfach beiseitelegen, sondern ernst nehmen.