Nur eines muss Ihnen klar sein: Hopp oder Top hat bisher noch in keinem Bundesland funktioniert. Von null auf 100 ist man in keinem Bundesland gekommen. In Hessen wird das ebenfalls nicht funktionieren. Wir brauchen Zwischenschritte.
Wir GRÜNE haben Ihnen in unserem Antrag einen Vorschlag gemacht und verschiedene Wege – einen Dreistufenplan – aufgezeigt. Wenn Sie vernünftig sind und auch in Hessen endlich Erfolge vorweisen wollen, nehmen Sie unseren Vorschlag zur Kenntnis. Im Ausschuss werden wir weiter darüber beraten. Ich hoffe einfach, dass Sie die Worte des Bundespräsidenten Wulff ernst nehmen und ihnen Rechnung tragen; denn im Land Hessen möchten auch muslimische Gemeinschaften endlich ein Angebot eines Islamunterrichts haben. – Herzlichen Dank.
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Was werden wir jetzt wieder zu hören bekommen? – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Etwas Kluges!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Öztürk, wenn Sie so viel Wert auf fraktionsübergreifende Anträge legen, wie Sie das eben zu Beginn gesagt haben, dann wäre es natürlich ein Anfang gewesen, in dieser Debatte und in der Situation, in der Ihr Antrag entstanden ist, einmal zu versuchen, zu einer gemeinsamen Formulierung zu kommen. Ich wäre dazu durchaus bereit gewesen.
Das wäre insofern erfolgversprechender gewesen als vielleicht in der Vergangenheit, weil, jedenfalls aus meiner Sicht, der bisherige Ertrag der Debatte zum Thema bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht durchaus beträchtlich ist, wenn man einmal schaut, wo einzelne Parteien, Fraktionen oder auch einzelne Personen in dieser Debatte hergekommen sind. Mir scheint mittlerweile, wenn man mal von gewissen Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite dieses Hauses absieht,
erstens, dass es unter verfassungsrechtlichen Aspekten, d. h. unter dem Aspekt des Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes und der Art. 57 und 58 der Hessischen Verfassung, geboten ist, einen bekenntnisorientierten Unterricht auch für Kinder muslimischen Glaubens zu ermöglichen;
zweitens, dass dies vor allem unter dem Aspekt der Gleichbehandlung aller Religionen durch den Staat und der religiösen Neutralität des Staats gegenüber allen Religionen und Weltanschauungen geboten ist;
drittens, dass die Voraussetzungen für einen solchen Unterricht durch den Staat einerseits, durch die Religionsgemeinschaften andererseits zu schaffen sind und dass dazu dauerhafte Organisationen auf der einen Seite und gesicherte vertragliche Grundlagen auf der anderen Seite gehören;
viertens, dass es insofern hier viel mehr um eine verfassungs- und staatskirchenrechtliche Frage geht als um eine Frage der integrationspolitischen Zweckmäßigkeit;
fünftens, dass gleichwohl die Einführung eines solchen Unterrichts auch Ausdruck und Anerkennung der Tatsache wäre, dass muslimisches religiöses Leben mittlerweile zur Alltagsrealität in der Bundesrepublik und auch in Hessen gehört und dass dies auch von Gesellschaft und Politik anerkannt wird, dass der Islam also unstreitig zu Deutschland gehört.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))
Diese Positionen werden, so scheint mir, von allen Fraktionen hier im Haus geteilt, wenn auch vielleicht nicht von allen Mitgliedern der einzelnen Fraktionen in der gleichen Intensität, wie es Zwischenrufe jetzt auch zeigen.
Meine Damen und Herren, die eigentlich spannende politische Frage ist, ob sich die politische Linie durchsetzt, die klar und unzweideutig zu den gemeinsam herausgearbeiteten Grundüberzeugungen steht, oder eben die andere
Linie, die das alles nur zähneknirschend oder gegebenenfalls auch gar nicht zu akzeptieren bereit ist.
Herr Kriszeleit – Herr Minister Hahn ist nicht da –, die Landesregierung hat die Probleme meines Erachtens noch vergrößert, indem sie im letzten Jahr ohne Not zusätzlichen zeitlichen Druck auf die Teilnehmer des runden Tisches ausgeübt hat. Herr Kriszeleit, Druck ist ein schlechter Ratgeber, und das Ergebnis ist, dass die Anträge, die jetzt vorgelegt worden sind, in einer Situation beschieden werden müssen, in der durchaus noch nicht alle rechtlichen, inhaltlichen und politischen Fragen geklärt sind, weder auf der Seite der Muslime noch auf der staatlichen Seite.
Zum Koalitionsvertrag. Deshalb ist auch die Frage nach möglichen Übergangslösungen, das ist der Ausgangspunkt des Antrags der GRÜNEN, nach wie vor ungeklärt, bzw. diese Frage steht im Raum. Das ist nun ein Punkt, wo mir besonders bei Herrn Minister Hahn, aber auch bei anderen Mitgliedern der Landesregierung eine Unschärfe aufgefallen ist, von der nicht klar ist, ob sie ausschließlich terminologischer Natur ist oder nicht auch eine inhaltliche, also politische Unsicherheit verrät. Das ist im Übrigen auch das, was uns vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, jedenfalls in der vorliegenden Fassung des Antrags, unterscheidet. Es geht um die Frage eines Faches islamische Religionskunde oder Islamkunde als staatlich angebotenes und verantwortetes Unterrichtsfach.
Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, dass ein ausschließlich und letztverantwortlich von Staats wegen angebotener und durchgeführter Islamunterricht als Ergänzung oder Ersatz für den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht verfassungsrechtlich hoch bedenklich ist. Diese Auffassung wird nicht nur von den Kirchen geteilt, sondern auch von der Verfassungskommentierung gestützt. Der Staat würde sich hier an die Stelle einer Religionsgemeinschaft setzen. Er würde auf unzulässige Weise in die Rechte dieser Religionsgemeinschaft eingreifen. Er würde vor allem gegen seine weltanschauliche Neutralität und gegen das Gebot der Gleichbehandlung aller Religionen verstoßen, da er dies nur im Hinblick auf den Islam täte. Man stelle sich einmal ersatzweise vor, der Staat käme auf den Gedanken, eine Christentumskunde anzubieten.
Ein solcher Weg verbietet sich daher aus unserer Sicht, und er wird auch woanders nicht gegangen, wo man sich andererseits durchaus auf den Weg zu pragmatischen Lösungen gemacht hat. Darauf ist hingewiesen worden. In NRW ist jetzt eine Vereinbarung zwischen der Landesregierung und verschiedenen muslimischen Verbänden erzielt worden, deren Kern ein Beiratsmodell für die zu regelnden praktischen Fragen des Ansprechpartners, der Erteilung der Lehrbefugnisse und andere Fragen ist. Das geschah aber als Übergangsregelung mit einer ausdrücklichen Befristung, weil auch dort die verfassungsrechtlichen Bedenken, von denen ich gesprochen habe, sehr klar und sehr deutlich gesehen werden. Ähnlich ist es eben auch in Niedersachsen, und das entspricht auch dem Positionspapier der Deutschen Islamkonferenz, nämlich dem, was dort in Ziffer 12 formuliert worden ist.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Zusammenfassend will ich sagen: Man darf an dem klaren Ziel eines verfassungskonformen, bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht keine Zweifel wecken. Man muss klare Signale an die islamischen Gemeinden und ihre Zusammenschlüsse senden, und man muss gleichzeitig über pragmatische, der besonderen Situation angepasste Lösungen im skizzierten Sinne nachdenken und daran im Konsens arbeiten. Dazu sind wir bereit, und deswegen hoffe ich, dass im Ausschuss doch noch eine gemeinsame Positionierung erzielt werden kann. – Herzlichen Dank.
Ich begrüße es natürlich zunächst einmal, dass wir uns wieder mit dem wichtigen Thema des islamischen Religionsunterrichts beschäftigen und dass auch die Fraktionen von SPD und GRÜNEN die Landesregierung in diesem wichtigen Ziel unterstützen. Aber gerade nach der Rede von Frau Kollegin Öztürk und nach der Lektüre des Antrags muss ich sagen, dass ich ein Stück weit enttäuscht bin. Sowohl die Rede als auch der Antrag zeigen – entschuldigen Sie, wenn ich es so hart sagen muss –, dass entweder keine Sachkenntnis oder Böswilligkeit da ist.
Bei der SPD ist das anders. Der Antrag der SPD hat deutlich mehr Gehalt und zeigt, dass dort auch eine ernsthafte Beschäftigung mit der Sache gewollt ist. Bei den GRÜNEN weiß ich das nicht. Vielleicht habe ich es auch missverstanden. Fakt ist erst mal – ich möchte darauf hinweisen, was wir wollen –: Wir wollen einen islamischen bekenntnisorientierten Religionsunterricht der islamischen Religionsgemeinschaften auf Augenhöhe mit den anderen Religionsgemeinschaften, als da wären natürlich die beiden großen christlichen Kirchen, aber auch die Jüdische Gemeinde, die Aleviten oder andere, wie sie das schon heute in den Schulen vor Ort anbieten.
Wir wollen die Islamkunde nicht, weil eine Islamkunde immer nur ein Plan B, die schlechtere Lösung im Vergleich wäre.
Wir wollen den Islam auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Kirchen, weil das unserer Meinung nach auch die Realität in diesem Lande widerspiegelt. Das ist es, was wir wollen.
(Beifall bei der FDP und der SPD – Hans-Jürgen Ir- mer (CDU): Das steht nicht im Koalitionsvertrag!)
Jetzt haben die GRÜNEN wie auch die SPD in den Anträgen gesagt, die Landesregierung solle die Anträge prüfen. – Gut, das ist geschenkt. Was soll die Landesregierung sonst machen? Das ist Prosa, und das sei Ihnen als Oppo
sition zugestanden. Okay, das gehört dazu. Dann stellt sich die Frage, was passiert, wenn das nicht klappt. Da komme ich zu dem wahren Unterschied. Die GRÜNEN sagen „Islamkunde“. Die SPD habe ich so verstanden, als ob das sozusagen ein stärkeres Gewicht des Islamanteils im Ethikunterricht ist. Das ist interessant.
Diese beiden Anträge kommen aber zur Unzeit, denn wir haben am 10. Januar den Antrag des Landesverbandes der DITIB in Hessen und der Ahmadiyya gehabt. Insofern ist auch der Vorwurf, dass seitdem nichts passiert wäre, natürlich völlig unzutreffend, völlig unsachlich und vollkommen unredlich. Der runde Tisch wurde eingerichtet, um den Organisationen bei der Einrichtung und der Anerkennung als Religionsgemeinschaft zu helfen. Am 10. Januar ist der Antrag erfolgt, insofern entbehrt es völlig der Realität, zu behaupten, da wäre nichts passiert. Das ist Oppositionsrhetorik. Das sei Ihnen auch zugestanden, hat aber nichts mit der Realität zu tun. Das ist klar.
Übrigens hat auch der Zentralrat der Marokkaner angekündigt, dass er einen Antrag stellen möchte. Eine weitere Organisation, die mir gerade nicht einfällt, wollte auch einen Antrag stellen.
Ja, der VIKZ, der Verband der Islamischen Kulturzentren; vielen Dank. Sie haben sich ja doch mit der Sache beschäftigt.
Eine weitere Organisation hat ihren Antrag angekündigt. Es ist auch das Ziel all dieser vier Organisationen, dass sie zwar als Ansprechpartner anerkannt werden, dass aber der Unterricht und die Curricula von ihnen gemeinsam angeboten werden, damit das Ganze eben nicht in solch eine nationale Ecke abdriftet, sondern ein Islamunterricht für alle muslimischen Schüler in diesem Land dabei herauskommt.
Insofern sind die Bedenken, die die GRÜNEN hier aufwerfen, vollkommen aus der Luft gegriffen. Das ist das Ziel der Landesregierung: ein islamischer Religionsunterricht für alle Kinder. Dieses Ziel werden wir auch weiter verfolgen. Das wird auch weiterhin auf Augenhöhe mit den anderen Religionsgemeinschaften passieren.
Ansonsten kann ich nur sagen: Die Anträge kommen beide zur Unzeit. Es ist interessant, wenn wir hier theoretisch darüber diskutieren können, was denn passiert, wenn das nicht so ist, wenn das nicht gelingt, wenn die Anträge nicht durchgehen. Das ist natürlich klar. Aber ich denke, es gibt im Moment gar keinen Grund dafür, darüber zu diskutieren, was denn die beste Lösung ist, wenn das nicht klappt.
Es ist eine schwierige Sache. Es ist ein Novum. Hessen ist übrigens auch das einzige Bundesland, das diesen Weg geht. Alles, was Sie aus den anderen Bundesländern geschildert haben, sind Modellprojekte. Das alles ist Islamkunde. Das ist alles nicht das, was wir wollen. Das steht alles nicht auf einer Augenhöhe mit den christlichen Kirchen. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Deswegen ist das, was Sie geschildert haben, auch nicht vergleichbar.
Deswegen sage ich noch einmal abschließend zum aktuellen politischen Gehalt dieser beiden Anträge: Das, was die Landesregierung hier macht, ist gut. Die Landesregierung ist auf einem guten Weg. Kurz gesagt: Die Landesregie