Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

Vielen Dank. – Das Wort hat der Abg. Stephan, CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die erneuerbaren Energien brauchen mehr Infrastruktur. Der Netzausbau ist ein entscheidender Bestandteil beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Darüber sind wir uns in diesem Hause hoffentlich einig. Die Tatsache, dass im Zusammenhang mit der Beschleunigung der Energiewende zunehmend darüber gesprochen wird, dass es eine Netzlücke, eine Netzschwäche geben wird, und die Tatsache, dass mehr über eine Netzlücke diskutiert wird, als dass es uns an Strom fehlen wird, sollte uns zu denken geben. Eine beschleunigte Ablösung der Kernenergie und ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien erfordern also auch einen beschleunigten Ausbau der Netzinfrastruktur. Wir können uns zehn Jahre Planungszeit für Stromleitungen einfach nicht mehr leisten,

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

egal, ob wir in sieben, zehn oder in 20 Jahren das letzte Kernkraftwerk abschalten.

Ohne neue Netze, ohne diese Infrastruktur ist es nicht möglich, den Anteil der erneuerbaren Energien schnell und umfassend zu erhöhen. Auch darüber sollte Übereinstimmung bestehen. Das gilt unabhängig von der Frage, wie viel Strom wir regional erzeugen und verbrauchen; denn der volatile Strom, der aus Wind- und Sonnenener

gie gewonnen wird, wird noch auf lange Zeit wegen fehlender lokaler und regionaler Speicher große zentrale Speicher erfordern und große Grundlastkraftwerke notwendig machen. Die gibt es in Hessen eben nicht, die gibt es in anderen Gegenden. Regenerativer Strom wird am besten dort erzeugt, wo mehr Wind weht und die Sonne stärker und länger scheint. Wir müssen den Strom also herleiten – ob von der Nordsee, von den dortigen Windstromanlagen, oder aus Norwegen, in Form von Speicherstrom.

Zwei Aspekte sind beim Ausbau der neuen Stromtrassen wichtig: zum einen die Planungsverfahren, zum anderen die Akzeptanz.

Zum ersten Punkt. Wenn wir die Energiewende beschleunigen wollen, dann brauchen wir kürzere Planungsverfahren, dann brauchen wir kurze und zeitlich limitierte Fristen für die Genehmigung vorrangiger Stromleitungen. Außerdem und vor allem brauchen wir europaweite und bundesländerübergreifende Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Was wir nicht brauchen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das sind Aussagen wie die des BUND, dass man neuen Stromleitungen nur zustimmen könne, wenn darin kein Kernkraft- oder Kohlestrom transportiert werde. Ich frage Sie: Wo liegt der Unterschied? Sind die Masten für Leitungen, die regenerativ erzeugten Strom führen, etwa niedriger, besser angemalt, optisch anders gestaltet, oder ist die Strahlungsbelastung etwa geringer? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer so unsachlich argumentiert, wer so irrational an der Wirklichkeit vorbeiargumentiert, der ist meines Erachtens auch nicht qualifiziert, beim Energiegipfel mitzuarbeiten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Lebhafte Zurufe von der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Aber RWE ist qualifiziert?)

Schon das Energiekonzept der Bundesregierung aus dem vergangenen Jahr forderte die Prüfung, wie der Ausbau der Netzinfrastruktur durch wirtschaftliche Anreize und durch planerische Instrumente deutlich beschleunigt werden kann. Minister Posch hat das für die Landesregierung aufgenommen. Dafür unseren herzlichen Dank und auch unsere Unterstützung.

Ich komme zum zweiten Aspekt, zur Akzeptanz. Es ist meines Erachtens notwendig, dass wir das Thema Akzeptanz des Netzausbaus für regenerativen Strom auf regionaler Ebene, beispielsweise mit runden Tischen, voranbringen. In der „Wirtschaftwoche“ vom 21. März dieses Jahres ist nachzulesen, dass Proteste „oftmals sogar von Vertretern der GRÜNEN angeführt werden“. Ich glaube, diese Proteste kommen aus allen Bürgergruppierungen. Es gibt Einsprüche nicht nur gegen Stromleitungen, sondern auch gegen Biogasanlagen, Windanlagen usw. Ich freue mich aber über die Pressemitteilung der GRÜNEN vom 11. April, in der es heißt:

Es wird nicht mehr darum gehen, ob die notwendigen Trassen gebaut werden, sondern nur darum, wie sie unter Wahrung der berechtigten Anliegen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie der Belange des Umwelt- und Naturschutzes

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

jetzt kommt das entscheidende Wort –

schnellstmöglich realisiert werden können.

Dafür wollen die GRÜNEN eintreten. Das freut mich. In diesem Sinne kommen wir vielleicht näher zusammen.

Der Umweltausschuss wird sich mit der dena-Studie beschäftigen. Wir wollen uns insbesondere damit beschäftigen, wie wir den Netzausbauprozess in Hessen vorantreiben können. Ich danke Herrn Minister Posch, dass er die Initiative ergriffen hat, das Thema Planungsverfahren und Ausbau voranzubringen. Ich sage für uns noch einmal deutlich: Wir wollen nicht gegen den Naturschutz auftreten. Wir werden auch die naturschutzrechtlichen Vorschriften einhalten. Es bedarf aber einer sorgfältigen Abwägung, auch zwischen dem Naturschutz und dem Klimaschutz. Da kann es eben sein, dass an der einen oder anderen Stelle der beschleunigte Netzausbau Vorrang haben muss.

Herr Kollege Stephan, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich hoffe, dass sich im Ausschuss, aber auch im Rahmen des Energiegipfels alle Fraktionen konstruktiv einbringen. Wir sind jedenfalls bereit, dieses Thema unter den hier dargestellten Aspekten zu diskutieren, damit wir die Energiewende mit einem beschleunigten Netzausbau voranbringen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Schott, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Stephan, warum nur beschleicht mich das Gefühl, dass Sie, wenn Sie von „Beschleunigung“ reden, eigentlich meinen, man sollte die Bürgerbeteiligung ausschalten?

(Zurufe von der CDU)

Ich höre immer nur, man müsse bestimmte Sachen schneller machen, bestimmte Verfahren beschleunigen. Und dann wird darüber geredet, wie viel Widerstand geleistet wird, wie sich der BUND verhält und wie man damit umgehen soll. Wenn man darüber einen Bogen spannt, dann kommt man doch zu dem Eindruck, dass Sie vor allen Dingen die Beteiligung der Bürger verhindern wollen. Sie zeichnen hier das Bild, dass es am Widerstand Einzelner gegen einzelne Projekte liege, dass die Dinge nicht vorankommen.

Tatsache ist doch, empirische Studien haben belegt, dass von den aktuell 24 Netzausbauprojekten nur acht nicht innerhalb des angestrebten Zeitraums realisiert werden können und dass dieser Zeitverzug lediglich bei dreien auf den Widerstand der Bevölkerung zurückzuführen ist. Das muss man sich einmal vergegenwärtigen. Stellen Sie es hier doch nicht so dar, als ob Menschen, die an allem etwas zu nörgeln hätten, verhindern würden, dass wir die erneuerbaren Energien bekommen.

(Peter Stephan (CDU): Zuhören!)

Ich habe sehr genau zugehört. – Tatsächlich hat die Stimmung in diesem Land in wesentlichen Teilen die FDP erzeugt, die noch im letzten Wahlkampf gegen die „Windkraftmonster“

(Petra Fuhrmann (SPD): Plakatiert hat!)

plakatiert hat, ja. – Jetzt kommt plötzlich die Kehrtwende.

In der Vergangenheit kam der eigentliche Widerstand doch von den Atomstromproduzenten, die dafür Sorge getragen haben, dass ihre Produkte durch die Netze gelaufen sind und dass immer wieder von einer Verstopfung der Netze geredet wurde. Das ist das eigentliche Problem.

Ich möchte gern Herrn Brüderle zitieren, der noch im Februar gesagt hat: Angesichts des Fotovoltaikbooms wird es immer dringlicher, dass bei drohenden Netzengpässen die Einspeisung von FV-Strom in das Stromnetz abgeregelt werden kann. – Bei Netzengpässen risikoarm und umweltfreundlich produzierten Ökostrom abregeln – das war der geniale Vorschlag der Atom- und Kohlestromlobbyregierung vor Fukushima.

Die politischen Wendehälse waren schnell; denn unmittelbar nach Fukushima sind sie zu dem Schluss gekommen, dass im Interesse des beschleunigten Ausbaus der erneuerbaren Energien parallel auch die Netze ausgebaut werden müssen und der Ökostrom nicht abgeschaltet werden darf. Wieder ist es Bundeswirtschaftsminister Brüderle, der vorgeprescht ist. Am 21. März hat er in Brüssel die Eckpunkte für ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz vorgelegt. Hemmnisse sollen beseitigt werden. Dazu zählen für Brüderle die Investitionsbedingungen, die Länge der Genehmigungsverfahren sowie die Akzeptanzprobleme.

Bei den Akzeptanzproblemen waren wir eben schon einmal. Es geht doch darum, dass die eigentlichen Probleme aufseiten der Netzbetreiber bestehen. Die Anbindung der von Dritten produzierten erneuerbaren Energien liegt nicht in ihrem Wirtschaftsinteresse. Sie sind das Hemmnis – und nicht die Menschen, die berechtigt für ihre Gesundheitsinteressen eintreten und Trassenverlegungen sowie Erdverkabelungen fordern.

(Beifall bei der LINKEN – René Rock (FDP): Es geht darum, dass es schneller wird!)

Es geht schneller? In welcher Form?

(Zurufe von der FDP)

Vor dem Netzausbau muss Akzeptanz geschaffen werden. Darin haben insbesondere FDP und CDU nicht viel Praxis. Wir könnten hierfür endlos Beispiele aufzählen. Ob es der Flughafen ist, ob es andere runde Tische sind oder ob es sich um Stuttgart 21 handelt – alle Menschen in diesem Raum wissen, dass die Herstellung von Akzeptanz und die öffentliche Beteiligung ein großes Problem für Sie sind.

Echte Beteiligungsverfahren, bei denen die betroffenen Menschen und die Naturschutzverbände Einfluss auf die Trassenführungen nehmen können und bei denen auch die Frage nach der Notwendigkeit einer neuen Leitung kein Tabu ist, erhöhen die Akzeptanz und helfen, langwierige Klageverfahren zu vermeiden. Sogenannte Beteiligungsverfahren, bei denen die Menschen vor vollendete Tatsachen gestellt werden, produzieren Frust und Widerspruch und verlängern die Planungsphase.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Sondergutachten vom Januar dieses Jahres:

Die Beteiligung der Öffentlichkeit verursacht im Regelfall keine erhebliche Verfahrensverlängerung und löst nur in einer kleinen Zahl stark konfliktträchtiger Vorhaben einen beachtlichen Zeit- und Ressourcenaufwand aus.

Einer gut geplanten Kapazitätserhöhung der Netze muss eine realistische Einschätzung der Energieeinsparung vorausgehen. Eingesparter Strom muss weder erzeugt noch transportiert worden. Dann muss geklärt werden, wo welche Strommengen eingespeist werden sollen. Anschließend muss die Möglichkeit der Optimierung der bestehenden Tassen untersucht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Schott, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das will ich gern tun. – Erst nach diesen Schritten lässt sich die Frage beantworten, ob und wo neue Stromtrassen nötig sind. Wir dürfen nicht nur intelligente Netze bauen, sondern wir müssen den Netzausbau auch intelligent betreiben. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Warnecke, SPDFraktion.

(Petra Fuhrmann (SPD): Jetzt erkläre das mal!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP wird zur Gefangenen ihrer eigenen Ideologie. Beim Netzausbau geht es im Wesentlichen um die Frage, wie wir mit dem Eigentum umgehen. Es geht um die Enteignung von Bürgerinnen und Bürgern, auf deren Grundstücken die entsprechenden Leitungen verlaufen, und es geht zudem darum, inwieweit Nutzungseinschränkungen in diesem Bereich vorhanden sind.

Erstens. Sie versuchen hier immer, eine Diskussion aufzumachen und es so darzustellen, als ob es im Wesentlichen um Naturschutz versus Leitungsausbau ginge; aber das ist nicht der Punkt. Vielmehr ist das berechtigte Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, wie mit ihrem Eigentum umgegangen wird, neben den Gesundheitsfragen in der Regel das Thema, über das sich die Bürgerinnen und Bürger Sorgen machen bzw. das sie veranlasst, zu sagen: Wir möchten diesen Leitungsausbau nicht.