Nächste Rednerin in unserer Debatte ist Frau Kollegin Cárdenas. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind uns alle einig, dass die Novellierung dieses Gesetzes zu begrüßen ist. Trotzdem bin ich nicht der Meinung, dass damit alle gravierenden Mängel beseitigt werden, weshalb wir uns der Stimme enthalten werden.
Ich möchte jetzt auf die Mängel zu sprechen kommen. In dem Gesetzesentwurf fehlen nach wie vor grundlegende Aussagen zur Arbeitszeit der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, der hauptamtlichen Ausbilderinnen und Ausbilder sowie der Mentorinnen und Mentoren. Das wird auch von den in den Studienseminaren Arbeitenden mit großer Sorge kritisiert, da die Arbeitsbelastung enorm ist. Mit der Schließung von Studienseminaren und mit der Reduzierung der Zahl der Ausbilderstellen wird sie nicht geringer werden. Daher muss eine Arbeitszeitregelung Einzug in die Gesetzgebung finden.
Wir bedauern, dass im Kulturpolitischen Ausschuss nochmals bestätigt wurde, dass es keine Lehrkraft des Vertrauens bzw. keine Mentorin oder keinen Mentor im Prüfungsausschuss mit qualifiziertem Rechtsstatus geben wird. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Das ist völlig willkürlich und gegen die Interessen der angehenden Lehrerinnen und Lehrer gerichtet, die sich in ihrer Ausbildung befinden. Denn insbesondere diejenigen Personen, die während der Ausbildung intensiven Kontakt zu den Auszubildenden hegen, könnten kompetent die Entwicklung und den Stand der Auszubildenden beurteilen. Frau Ministerin, auch hierzu sind massive Proteste bei Ihnen eingegangen. Sie haben sich da ignorant verhalten.
Was fehlt weiterhin? – Besonders wichtig wäre eine stärkere sozialpädagogische und sonderpädagogische Ausrichtung der Lehrerausbildung. Insbesondere vor dem Hintergrund der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention muss der Erwerb sozial- und sonderpädagogischer wie auch diagnostischer Kompetenzen unbedingt zentraler Bestandteil der Ausbildung aller Lehrerinnen und Lehrer werden.
Das ist aber in diesem Gesetzentwurf nicht enthalten. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Frau Henzler, Sie haben in der
Pressekonferenz zur Novellierung des Hessischen Schulgesetzes am 25. Januar 2011 angekündigt, dass es sonderpädagogische Schwerpunkte in der Ausbildung für diejenigen Lehrerinnen und Lehrer geben wird, die das wollen. Sie haben also nicht vor, der UN-Behindertenrechtskonvention zu entsprechen, die ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen fordert.
Inklusion findet unter dieser Landesregierung weder in den Schulen noch in der Lehrerausbildung statt. Das wird natürlich Konsequenzen auf Jahre hinaus haben. Bei uns ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer werden eventuell nur noch in Hessen unterrichten können, weil sie genau diese Kompetenzen nicht entwickelt haben. Angesichts des zu erwartenden Lehrermangels ist das vielleicht von Ihnen auch ein Kalkül. Das wäre fatal und muss aufs Schärfste kritisiert werden.
Vonseiten der Studienseminare und der Gewerkschaften wird nach wie vor die Gewichtung der Leistungen in der Prüfung mit 40 % gegenüber der Bewertung des Ausbildungsstands einschließlich pädagogischer Facharbeit mit nur 60 % kritisiert. Die hohe Gewichtung einer einmal gezeigten Leistung gegenüber der über längere Zeit gezeigten Praxis ist unsinnig. In der Anhörung im April war es ein oft genannter Wunsch, diese Regelung zu überarbeiten. Es ist aber nichts geschehen.
Wie schon im Kulturpolitischen Ausschuss angesprochen, muss der Praxisbezug in der Ausbildung früh erfolgen. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich potenzielle Lehrerinnen und Lehrer schon früh in ihrer Ausbildung versichern können, diesen überaus wertvollen Beruf ausüben zu wollen und zu können.
An dieser Stelle komme ich nicht umhin, erneut auf die Kürzungspläne, die sogenannten Strukturpläne, zu sprechen zu kommen. Frau Ministerin, die Kürzung von 150 Ausbilderstellen und 1.000 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer im Vorbereitungsdienst wird die Schulen unmittelbar, entgegen Ihrem Versprechen, treffen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich weiß um die Notwendigkeit einer Lehrerbildungsreform. Solche Reformen jedoch mit Kürzungsvorhaben zu verbinden, diese dann Strukturreformen zu nennen und ihnen durch die anstehende Gesetzesnovellierung noch einen Einzug in die Gesetzgebung zu schaffen, das geht zu weit.
Unsere inständige Bitte: Lassen Sie ab von den Kürzungsplänen an völlig falschen Stellen, lassen Sie uns gemeinsam eine fundierte und zukunftsträchtige Lehrerbildungsreform auf die Beine stellen, ziehen Sie auch dieses Gesetz zurück. Lehrerbildungsreform ja, Beschneidung von Mitspracherechten, Kürzung von Stellen und Studienseminaren nein. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Cárdenas. – Für die Landesregierung hat nun Frau Kultusministerin Henzler das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Lehrerberuf ist einer der wichtigsten Berufe, die es gibt. Mittlerweile ist er erfreulicherweise auch wieder einer der ange
sehensten Berufe in Deutschland. Nach einer aktuellen Umfrage des Allensbach-Instituts zählen 42 % der Befragten den Lehrerberuf zu den Berufen, vor denen sie am meisten Achtung haben. Damit liegt der Lehrerberuf auf dem dritten Platz hinter dem Arzt und der Krankenschwester. Das finde ich sehr beeindruckend und sehr erfreulich.
Lehrkräfte verdienen die große Anerkennung der Gesellschaft für ihre tägliche Arbeit zur Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen. Die Politik ist aufgefordert, ihnen gute und verlässliche Rahmenbedingungen für ihre Arbeit zu geben. Das tun wir in Hessen.
Die Politik hat auch die Aufgabe, die Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Aus-, Fort- und Weiterbildung für den Lehrerberuf zu schaffen. Das heißt, dass die Ausbildung junge Lehrkräfte hervorbringen soll, die für diesen Beruf hervorragend geeignet sind und bestmöglich auf die Herausforderungen des Berufsalltags vorbereitet wurden.
Mit der heutigen Verabschiedung der Novelle des Lehrerbildungsgesetzes leistet die Landesregierung dafür einen wichtigen Beitrag. Ich danke allen Mitarbeitern meines Hauses für die engagierte Arbeit und die vielen Gespräche während der Vorbereitung. Die große Zustimmung zu diesem Gesetz ist sicherlich auch der Dialogbereitschaft meines Hauses geschuldet.
Die Umstrukturierung des Vorbereitungsdienstes ist der erste Schritt zu mehr Praxisorientierung in der Lehrerausbildung. Das haben wir immer gesagt. Der zweite Schritt, die Umstrukturierung der ersten Phase, wird folgen.
Mit diesem Gesetzentwurf kommen wir den Bedürfnissen der Ausbildungspraxis nach. Die neue Struktur führt in Verbindung mit einem starken Praxisbezug zu einer Qualitätsverbesserung der Lehrerausbildung, um junge Menschen bestmöglich auf diesen schönen und herausfordernden Beruf vorzubereiten.
Ich danke für die breite Anerkennung dieses Entwurfs und für die breite Mehrheit und Zustimmung in diesem Haus.
Vielen Dank, Frau Henzler. – Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes, Drucks. 18/4143 zu Drucks. 18/4050 zu Drucks. 18/3595.
Wer dem Gesetzentwurf in der hier vorliegenden Fassung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Fraktion DIE LINKE.
Damit ist dieser Gesetzentwurf mit großer Mehrheit angenommen und wird zum Gesetz erhoben. – Herzlichen Dank.
Meine werten Kolleginnen und Kollegen, die schon anwesend sind! Ich darf Sie alle recht herzlich zur Fortsetzung der Sitzung begrüßen.
Bei der CDU war der Geschäftsführer da. Dann ist das auch geklärt. – Auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Abg. Dr. Spies, Decker, Merz, Müller (Schwalmstadt) , Roth (SPD) und Fraktion betreffend Rettungsschirme für Menschen aufspannen – kommunale und regionale Akteure stärken – keine „Operation düstere Zukunft II“ in der Arbeitsmarktpolitik, Drucks. 18/ 4168. Die Dringlichkeit wird bejaht? – Das ist so. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 66 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 37 zu dem Thema aufgerufen werden. – Das ist in Ordnung.
Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend sofortiger und unumkehrbarer Ausstieg aus der Atomenergie – Biblis A und B endgültig stilllegen – Drucks. 18/4134 –
Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Atomausstieg und Energiewende: Koalitionskonsens ist noch kein gesellschaftlicher Konsens – Drucks. 18/4131 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Atomausstieg alleine ist noch keine Energiewende – Drucks. 18/4165 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Energiewende verantwortungsbewusst umsetzen – Drucks. 18/4167 –
Dies ist Setzpunkt der Fraktion DIE LINKE. Zehn Minuten Redezeit sind vereinbart. Ich erteile als Erster der Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Pannenreaktoren in Biblis sollen nach dem Atommoratorium nicht wieder ans Netz gehen. Das ist eine gute Nachricht und ein Erfolg der massenhaften Bewegung für den Atomausstieg.
Das heißt aber noch nicht, dass der Atomausstieg besiegelt ist. Das Atomausstiegskonzept der Bundesregierung beinhaltet zu viele Hintertüren, die einen erneuten Ausstieg aus dem Ausstieg möglich machen. Erst 2022 auszusteigen heißt, den Ausstieg auf die lange Bank zu schie
ben, und es bedeutet elf weitere Jahre Risiko. Technisch ist der Ausstieg viel schneller möglich. Man muss es nur politisch wollen.