Wir wollen und werden die Menschen unterstützen, aber nicht so, wie es die GRÜNEN wollen, dass wir für die nächsten 30 Jahre feste Strukturen und Korsetts schaffen. Unsere Gesellschaft verändert sich sehr schnell. Wenn wir heute Wohnraum fördern, um für junge Familien einen Engpass zu mildern, dann kann die Lage in zehn Jahren schon ganz anders aussehen, und dann brauchen wir an den gleichen Stellen vielleicht statt der Kinderzimmer altersgerechte Wohnungen oder Wohnungen für demenzerkrankte Menschen. Wir kümmern uns um die Probleme der Zukunft und greifen nicht wie die GRÜNEN in die Mottenkiste. Wir werden den Gesetzentwurf der GRÜNEN ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Monate sind seit der letzten Debatte zur Fehlbelegungsabgabe vergangen, ohne dass vonseiten der Landesregierung irgendetwas zur Verbesserung der Situation des
Herr Lenders, wenn Sie hier ein Wohnraumförderungsgesetz reklamieren und skizzieren, dann frage ich Sie: Was haben Sie denn in dieser Regierung in den letzten zwei Jahren getan, um hier initiativ zu werden? – Jetzt kommen Sie mit dem Argument, wo der Druck in der Öffentlichkeit wächst und die Kommunen berechtigterweise dagegen protestieren, dass man ihnen mit der Streichung dieses Gesetzes jedes Jahr 15 bis 17 Millionen € Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau ersatzlos wegstreicht. Das ist nicht mehr als ein Alibi, es ist nicht mehr als ein Placebo. Sie haben bis heute kein Konzept vorgelegt, und deshalb ist es auch nichts anderes als Augenwischerei.
Ich glaube erst daran, dass Sie ein, wie Sie gesagt haben, „fortschrittliches Wohnraumförderungsgesetz“ vorlegen, wenn ich es selbst gesehen und gelesen habe, aber innerhalb Ihrer Fraktion gibt es dafür noch gar kein Stück Papier.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Sie werden es schon noch erleben!)
Herr Dr. Arnold, es mag sein, dass ich es erlebe, aber ob es dann modern ist, ist noch einmal eine andere Frage, weil ich die Definitionshoheit über modern und fortschrittlich mitnichten der FDP überlasse.
Meine Damen und Herren, inzwischen dürfte den Letzten klar sein, dass der Brief von Wirtschaftsminister Posch vom Dezember 2010, in dem er die Möglichkeit einer Verlängerung des Gesetzes ankündigte und der vor der Kommunalwahl herausgegangen ist, offenbar nichts anderes als eine Beruhigungspille für die betroffenen 56 Kommunen war. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Heute wissen wir, dass eine Verlängerung der Fehlbelegungsabgabe offensichtlich von Ihrer Seite, da meine ich speziell die FDP, nie gewollt war. Aber dies sind wir zwischenzeitlich von der FDP auch gewohnt. Nach dem Nachtflugverbot und den Kindertagesstätten folgt nun das nächste düstere Kapitel der FDP, nach der Taktik: anders handeln als angekündigt. Das steht in der Tat im Widerspruch zu Ihrem Wahlkampfslogan: „Unser Wort gilt auch nach der Wahl.“
Dabei täte diese Landesregierung doch gut daran, die Probleme ihrer Wohnungsmarktpolitik, insbesondere im Ballungsraum Rhein-Main, nicht bloß im Wohnungsbericht zu erkennen, sondern auch endlich zu korrigieren. Seit 1990 hat sich die Anzahl der Sozialwohnungen in Hessen nahezu halbiert, und bis 2015 wird sie sich um weitere 18.000 Wohnungen, die aus der Sozialbindung herausfallen, reduzieren.
Dies liegt sowohl an fehlenden Investitionen in den Bau neuer Sozialwohnungen als auch daran, dass es zugelassen wird, dass sich öffentliche Wohnungsunternehmen nicht mehr auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, sondern mehr auf Gewinnmaximierung setzen. Die Sozialbindung ist dabei eher hinderlich. Für die öffentlichen Wohnungsunternehmen ist es da schon viel lukrativer, ihre Wohnungen in Eigentum umzuwandeln und gewinnbringend zu verkaufen. Das ist eine Haltung, die wir insbesondere bei privatisierten Wohnungsbaugesellschaften vorfinden.
Meine Damen und Herren, mit der Entscheidung, ein wichtiges soziales Steuerungselement wie die Fehlbelegungsabgabe zum 30.06. dieses Jahres einfach auslaufen zu lassen, entziehen Sie den Kommunen für den sozialen Wohnungsbau, ich sagte es schon, ersatzlos Investitionsmittel von bis zu 17 Millionen € pro Jahr – Mittel, die vorwiegend für die Renovierung und Modernisierung der noch vorhandenen Wohnungen dringend gebraucht werden.
Herr Lenders, Sie haben es eben gesagt: Die Mittel, die das Land bisher für den Wohnungsbau aufwendet, sollen nicht steigen. Das heißt im Klartext aber auch, dass es für die betroffenen Kommunen keinen Cent an Ausgleich geben soll, und das ist wahrlich zu kritisieren.
Der soziale Wohnungsbau muss erhalten, ausgebaut und denen zur Verfügung gestellt werden, die dort berechtigterweise wohnen sollen und müssen. Es ist auch ein Zeichen von Solidarität und Gerechtigkeit, wenn Bezieher von Sozialwohnungen, die dort lange wohnen und Einkommen von 40 % und mehr über der Einkommensgrenze haben, dann 1 € pro Quadratmeter mehr bezahlen sollen.
Deshalb unterstützen wir den Gesetzentwurf der GRÜNEN. Wir halten ihn für kommunalfreundlich. Wir sollten – lassen Sie mich das am Schluss sagen – die sechs Jahre auch nutzen, um über Veränderungen an einem bestehenden Gesetz zu diskutieren, über Einkommensgrenzen, regional unterschiedlich gestaltete prozentuale Steigerungen und vieles mehr, statt die Kommunen auf der Grundlage eines ausgelaufenen Gesetzes im Regen stehen zu lassen.
Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt Herrn Siebel das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nun schon von dem einen oder anderen Vorredner, insbesondere von Kai Klose, gesagt worden: Der Prozess um die Fehlbelegungsabgabe ist in der Tat Symbol für die wohnungspolitische Orientierungslosigkeit der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen.
Mit dem zitierten Schreiben wird das Motto klar: rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Erst verlängern wir, dann verlängern wir mal wieder nicht. Daran wird deutlich, dass dort zurzeit noch Defizite bestehen.
Ich will zum Thema Fehlbelegungsabgabe für die SPDFraktion sehr klar sagen: Wir unterstützen den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Wir sagen aber auch – ich komme zu unserem gemeinsamen Antrag –, dass sich die Fehlbelegungsabgabe natür
lich im Laufe der Zeit verändert hat und dass wir deshalb der Auffassung sind, dass Kommunen nicht nur von den einzelnen Wohnbereichen her, sondern als Gebietskörperschaften, wenn sie meinen, dass sie die Fehlbelegungsabgabe nicht erheben wollen, diese nicht erheben müssen.
Ich glaube aber auch, dass das unumstritten ist. Nur müssen es letztendlich die Kommunen entscheiden können. Aber Sie haben in der Anhörung doch mitverfolgen können, dass eine Reihe von Kommunen – auch wenn es teilweise nur um 60.000 oder 90.000 € gegangen ist – gesagt hat: Das ist unsere letzte Einnahmequelle, die wir für den Bau von Sozialwohnungen oder für die energetische Sanierung im Sozialwohnungsbestand haben. Warum nehmt ihr uns denn diese letzte Möglichkeit?
Sie werden heute auch in der namentlichen Abstimmung den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen. Sie werden dafür auch eine Mehrheit bekommen. Fangen Sie schon einmal an, Ihre Leute zusammenzurufen. Ich hoffe, dass bei der CDU auch alle da sind.
Aber ich will nach vorn schauen. Von der Landesregierung ist angekündigt worden – Herr Dr. Arnold, wir haben dazu einen gemeinsamen Antrag verabschiedet –, dass die Hessische Landesregierung ein hessisches Wohnraumfördergesetz vorlegen will.
Ich will an dieser Stelle sehr bewusst und pointiert sagen: In dem Prozess der Entwicklung dieses Gesetzes sage ich Ihnen alle Unterstützung und gemeinsame Arbeit auch der SPD-Fraktion zu. Wir haben – da stimme ich sehr mit Ihnen überein – eine veränderte demografische Entwicklung. Ich glaube, gerade im Wohnungsbau muss es die Verantwortung des gesamten Parlaments sein, zu einer gemeinsamen und sinnvollen Lösung zu kommen.
Deshalb lassen Sie mich einige wenige Eckpunkte, die meiner Ansicht nach für ein Wohnraumfördergesetz wichtig sind, kurz umreißen. Die SPD-Fraktion hat dazu Eckpunkte entwickelt. Ich habe sie hier. Herr Minister, ich gebe sie Ihnen. Dann finden sie sich irgendwann in den Akten des Ministeriums wieder. Das finde ich auch ganz lustig. Ich gebe es Ihnen erst einmal, bitte schön.
(Der Redner überreicht das Eckpunktepapier. – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Günter Ru- dolph (SPD): Erst dem Präsidenten geben!)
Punkt eins. Ich glaube, es ist unumstritten, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung einen Bedarf in Hessen haben, Sozialwohnungen zu bauen. Wir haben die Situation, dass wir 40.000 sozialwohnungssuchende Haushalte in Hessen haben. Davon findet sich der überwiegende Anteil – über zwei Drittel – in Südhessen. Ich glaube, diese Situation ist unumstritten. Ich hoffe zumindest, dass sie unumstritten ist.
Zweiter Punkt. Wir haben eine Situation, in der 80 % unseres Bestands der Wohnungen über 30 Jahre alt sind. Das heißt, wir haben einen riesigen Sanierungsbedarf. Und all die Wohnungen, von denen ich jetzt spreche, sind energetische Dinosaurier, die saniert werden müssen. Da müssen wir meiner Ansicht nach auch landesseitig im Rahmen eines Wohnungsbauförderungsgesetzes zu Potte kommen.
Punkt drei. Ich glaube, wir müssen vor dem Hintergrund der finanziellen Situation der Kommunen ihnen auch ein Stück Entlastung bei den eigenen Anteilen der bisherigen Finanzierung gewähren. Wenn sie sich auf diesen Weg machen würden, dann würde das bedeuten, dass das natürlich auch ein Stück Kompensation der jetzt wegfallenden Fehlbelegungsabgabe sein könnte. Ich würde das für einen sehr vernünftigen Weg halten. Ich würde es für einen guten Weg halten, wenn dann die Initiativen der Landesregierung, die Initiativen des Parlaments zu diesem Gesetz auch sinnvoll entwickelt werden können.
Punkt vier. Ich bin sehr gespannt, was, wie vom Ministerium und von Herrn Staatssekretär Saebisch im Wirtschaftsausschuss angekündigt wurde, für eine Idee zum Thema Kompensation der Fehlbelegungsabgabe entwickelt wird, und wenn es sich auch nur auf den Bereich einer Fehlbelegungsabgabe in der Entwicklung des Neubaubestandes bezieht.
Ein letzter Punkt. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es richtig ist, im Rahmen eines Wohnraumförderungsgesetzes auch die Veränderung der Einkommensgrenzen und die Frage nach der Dynamisierung derselben mit aufzunehmen.
Ich sehe, ich habe nur noch 37 Sekunden. Wenn ich das jetzt alles zusammennehme, dann bedeutet das – –
Es bedeutet: Jetzt ist der falsche Zeitpunkt, die Fehlbelegungsabgabe abzuschaffen. Aber wir von der SPD-Fraktion schauen nach vorn. Wir wollen gemeinsam eine Verbesserung, was den sozialen Wohnungsbau und die Förderpolitik dieses Landes angeht. Ich glaube, wir haben gemeinsam die Chance, einen großen Wurf mit einem Wohnraumförderungsgesetz für Hessen zu entwickeln. Wir sind bereit, daran mitzuwirken. – Herzlichen Dank.