Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

(Minister Volker Bouffier betritt den Plenarsaal.)

Da ist er doch.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Bouffier, wir hatten Sehnsucht nach Ihnen! Das kommt nicht oft vor!)

Es geht los. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Innenminister, schön, dass Sie noch gekommen sind. Die Debatte ist wichtig.

Offenbar haben wir mit unserem Antrag in ein richtiges Wespennest gestochen. Kaum hatten wir den Antrag gestellt, dass es keinen Rückzug der Polizei aus der Fläche geben darf, hat das Innenministerium am Freitag einen Erlass herausgegeben, nach dem gerade keine Verteilung der Polizei von der Fläche in die Stadt erfolgen soll.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lan- nert (CDU))

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass dieses Thema eine besondere Brisanz hat – damit haben wir ihn gegeben. Um ehrlich zu sein, ein wenig stolz sind wir Sozialdemokraten auch, dass wir die Regierung mittlerweile mit unseren Anträgen zum Handeln zwingen.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg.Peter Beuth (CDU))

Die Auswirkungen des massiven Stellen- und Personalabbaus bei der Polizei sind immer dramatischer. Der Hessische Rundfunk hat am 22.03. in der Sendung „de facto“ über die Ausdünnung der Polizeiversorgung in der Fläche in Nordhessen berichtet. Wenn selbst Polizeivertreter öffentlich einräumen, dass es in den Polizeidienststellen zu personellen Engpässen kommt und deswegen eine Besetzung der Polizeistationen nicht mehr rund um die Uhr gewährleistet werden kann, ist das alarmierend.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Im „Polizeireport“ wird dies sehr eindrucksvoll bestätigt. Es wird gesagt, dass sich alle darüber einig seien, dass seit 1999 die Zahl der Stellen bei der Polizei stark zurückgegangen sei und im nächsten Jahr noch abnehmen werde.

Das hat natürlich Folgen für die polizeiliche Arbeit. Die Arbeit vor Ort kann nicht mehr so erfüllt werden, wie sie

erfüllt werden sollte. Aber leider ist es so wie immer, meine Damen und Herren: Der Druck auf die Polizeivollzugsbeamten vonseiten des Innenministeriums steigt, und es wurde auch dem Hessischen Rundfunk bislang nicht erlaubt, in den Polizeidienststellen zu drehen, wie wir hören konnten.

(Günter Rudolph (SPD):Auch noch feige!)

Ich fordere Sie hiermit auf: Stellen Sie Transparenz her. Die Bevölkerung hat ein Recht, zu wissen, was in den Polizeidienststellen vor Ort los ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Halten Sie das Problem nicht unter der Decke, sondern lassen Sie die Öffentlichkeit daran teilhaben. Kümmern Sie sich um die Probleme, die dort existieren.

(Peter Beuth (CDU): Gilt das auch für Schiedsverfahren der SPD gegen ehemalige Abgeordnete?)

Die CDU-geführte Landesregierung hat seit 2004 – Herr Kollege Beuth, hören Sie zu – 1.186 Polizeistellen und im Innendienst der Polizei weitere 750 Stellen weggekürzt. Dass diese Kürzungen zu extremen Engstellen führen, Herr Beuth, wissen doch gerade Sie aus dem RheingauTaunus-Kreis. Es ist doch völlig klar, dass da große Defizite herrschen.

Die gesamte Situation ist mehr als bedenklich. Sehr brisant ist die Situation derzeit in Nordhessen.Gerade in den Flächenkreisen stehen immer weniger Polizeibeamte zur Verfügung. Wenn man dann hört, dass die Polizeistation im Kasseler Süden gestern um 16:30 Uhr geschlossen – da endet nämlich der Tagesdienst – und den Menschen gesagt wurde: „Wenn Sie ein Anliegen haben, dann fahren Sie halt die 20 Minuten nach Baunatal“, dann muss man sagen: Mit der inneren Sicherheit in Hessen stimmt wirklich etwas nicht.

(Beifall bei der SPD)

Allein in den Jahren von 2002 bis 2009 sind 150 Stellen bei der Vollzugspolizei in Nordhessen abgebaut worden. Die Lage wird sich verschärfen, denn es werden in den nächsten zwei Jahren über 100 Polizeibeamte in Pension gehen. Es gibt bereits die Ankündigung, dass nur 30 bis 40 % von ihnen ersetzt werden. Das heißt, das Problem wird sich noch mehr verschärfen.

Es gibt weitere Beispiele aus Nordhessen. Das wird der Kollege der GRÜNEN bestimmt gleich bestätigen. In Waldeck-Frankenberg sollten von 154 Polizeibeamten 14 nach Kassel kommen. Ich hoffe, Herr Innenminister, mit Ihrem Erlass ist das jetzt erledigt. Bei der Polizeidirektion Schwalm-Eder – dort haben wir große Probleme mit Rechtsextremisten – sollten von 204 Beamten acht nach Kassel abgezogen werden. Ich hoffe, auch das ist mit dem Erlass vom Freitag erledigt. Das wäre dann aber nicht Ihr Verdienst, sondern unser Verdienst.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Wir werden sehr darauf achten, meine Damen und Herren, dass es keinen weiteren Abzug von Polizisten aus der Fläche geben wird.

(Lothar Quanz (SPD): Zum Beispiel aus dem Werra-Meißner-Kreis!)

Wir werden auch darauf achten, dass keine weitere Verschärfung eintritt und dass ein Ausgleich erfolgt; denn die direkte und unmittelbare Erreichbarkeit der Polizei ist für

die Bürgerinnen und Bürger erheblich erschwert und beeinträchtigt. Diese Verschlechterung der Versorgung der Bürger mit innerer Sicherheit werden wir Ihnen immer wieder vorwerfen und hier so lange drängen und so lange Anträge stellen, Herr Innenminister, bis Sie das ändern. Wir hätten diesen Ausgleich in Hessen geschaffen;im letzten Jahr haben wir ihn beschlossen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Faeser, kommen Sie bitte zum Schluss.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – In Süd- und in Mittelhessen herrschen die gleichen Probleme wie in Nordhessen. Es wird Ihnen auch in der heutigen Debatte nicht gelingen, Herr Innenminister, dies herunterzuspielen, indem Sie auf Erfolge bei der Verbrechensverfolgung hinweisen; denn es bleibt so, wie wir es gesagt haben. Es gibt einen erheblichen Stellenabbau bei der Polizei,vor allen Dingen in der Fläche. Wir fordern Sie heute auf: Beenden Sie die falsche Politik in der inneren Sicherheit,und sorgen Sie endlich dafür, dass der Bevölkerung wieder ausreichend Polizeikräfte zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Das Wort hat der Herr Kollege Reißer, CDU-Fraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Es ist alles in Ordnung, sagt er jetzt, wie ich annehme!)

Her Präsident, meine Damen und Herren! Herr Rudolph, ich kann mich noch daran erinnern – es ist etwa fünf bis sechs Jahre her –, da haben Sie sich hierhin gestellt und behauptet, dass der Polizei der Sprit ausgehe.

(Heiterkeit bei der CDU – Günter Rudolph (SPD): Das war so!)

Aber nicht ein Polizeiauto ist in den folgenden sechs Jahren aus Spritmangel zum Stillstand gekommen. Dafür lassen Sie sich in der „Bild“-Zeitung feiern.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei Abge- ordneten der FDP – Axel Wintermeyer (CDU): Aber der SPD ist der Sprit ausgegangen!)

In dieser Hinsicht trifft das natürlich zu.– Ich darf zu Beginn feststellen, auch für die FDP-Fraktion, dass die Sicherheitslage in Hessen hervorragend ist.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der SPD)

Dies verdanken wir der hervorragenden Arbeit der hessischen Polizei und der hessischen Sicherheitsarchitektur, die wir in den letzten sechs Jahren hergestellt haben. An dieser Stelle möchte ich unserem Innenminister für die hervorragende Polizeiarbeit in den letzten zehn Jahren

herzlich danken. Es ist ganz hervorragend, was auf diesem Gebiet in diesem Land vorangebracht worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Das Land Hessen zählt zu den sichersten Bundesländern. Das müssen Sie anerkennen, wenn Sie sich die nackten Zahlen ansehen.

Ich komme zu den Fakten: kontinuierlicher Rückgang der Zahl der Straftaten in Hessen. 13.000 Straftaten sind 2008 zu verzeichnen gewesen. Die Zahl der Wohnungseinbrüche hat sich zwischen 1999 und 2008 halbiert.

(Günter Rudolph (SPD): Zur Sache, Herr Kollege, zu Nordhessen!)

Ich bin bei der Sache, Herr Kollege. – Die Aufklärungsquote ist nochmals gestiegen.Wir sind jetzt bei 57,1 %. Es gäbe viele Beispiele zu nennen, Frau Kollegin Faeser, dass Hessen in der Sicherheitslage beispielhaft ist. Es ist wichtig für die Bevölkerung, dass wir ein breites Angebot an Polizeiarbeit und ein breites Angebot an Prävention darstellen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wer hat Ihnen das aufgeschrieben, Herr Reißer?)

Herr Kollege, hören Sie mir doch erst einmal zu, dann können Sie auch einen qualifizierten Zwischenruf machen.

(Beifall bei der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich will ja nur wissen, wer Ihnen das aufgeschrieben hat! Das ist nämlich der falsche Textbaustein, Herr Reißer!)