Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Es ist eine Frage der Zusammenarbeit in der Fraktion und keine Frage der Partei, wie es von Ihnen jetzt gesehen wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist der Kern der Debatte. Denn – das hat der Kollege Beuth richtig ausgeführt – das,was wir hier debattieren,ist eine Frage des Parlaments, der parlamentarischen Demokratie, nicht eine Frage der Organisation in Parteien. Ich möchte auf diese Trennung Wert legen.Diese Trennung ist wichtig.Das freie Mandat,das nach dem Grundgesetz und der Hessischen Verfassung geschützt ist, ist eine sehr hohe Hürde, die wir alle akzeptieren sollten. Wir sind alle darum bemüht, gemeinsame Entscheidungen in den Fraktionen zu treffen – natürlich ist das unsere Aufgabe –,aber auf freiwilliger Basis.

Der Kollege Wilken sagt: „Es gab Überlegungen, ob Menschen hinausgehen“. Natürlich, weil sich eine Fraktion gemeinsam dafür entscheidet, einen solchen Weg zu gehen,

auf freiwilliger Basis. Herr Kollege Wilken, ich weiß nicht, wie Sie das machen, ob Sie Pattex unter dem Hintern haben und sitzen bleiben müssen, wenn Herr van Ooyen redet. Das weiß ich nicht.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Aber wenn unsere Kolleginnen und Kollegen – für die CDU und die FDP kann ich das sagen – sich für etwas entscheiden, dann in einem demokratischen gemeinschaftlichen Prozess, wenn wir meinen, dass diese Position richtig ist. Das ist der Unterschied.

(Axel Wintermeyer (CDU): Ja!)

Das muss man berücksichtigen. Ich kann den Äußerungen von Jürgen Walter nur zustimmen.

(Zuruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Jürgen Walter hat gesagt: Es geht um die Frage, ob eine Partei einen Abgeordneten maßregeln darf, wenn er vom freien Mandat Gebrauch macht. – In der Literatur gibt es zu dieser Frage sehr, sehr viele Stellungnahmen. Das, was immer wieder erwähnt wird, ist die Möglichkeit einer Partei, einen solchen Abgeordneten nicht mehr aufzustellen. Aber jeder muss das Recht akzeptieren, dass dieser frei gewählte Abgeordnete seine Entscheidung so vorträgt, wie er sie vorträgt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es ist nicht an einer Partei, ihn nachher zu maßregeln, wenn er diese Entscheidung getroffen hat.

Zweiter Punkt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin schon sehr verwundert darüber, wie die SPD in einer so schwierigen Frage mit ihrem ehemaligen Abgeordneten umgeht, der in dieser Partei immerhin ein hohes Parteiamt ausgeübt hat und letztendlich akzeptiert, dass immer wieder Ergebnisse aus dem Schiedsgerichtsverfahren an die Öffentlichkeit geraten.

(Axel Wintermeyer (CDU): Ja!)

Ich glaube, auch das ist ein wichtiger Punkt, wo Sie nachlegen müssen. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, das können Sie selbst nicht akzeptieren.

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich glaube, Sie sollten gemeinsam daran arbeiten, dass es ein faires Verfahren gibt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie haben völlig Recht!)

Ich sage zum Abschluss dieser Rede: Ich drücke dem Kollegen Walter sehr die Daumen, dass er bei dem bleibt, was er gesagt hat: dass er sich auch nachträglich von den Sozialdemokraten nicht dafür maßregeln lässt, was er im November letzten Jahres Gutes für dieses Land entschieden hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Das Wort hat Herr Kollege Rudolph für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Handlungsfähigkeit der SPD, ihre Durchsetzungsstärke und auch eine gewisse Geschlossenheit in ihrer Darstellung nach außen sind Voraussetzungen und unabdingbar dafür, dass die SPD im Wettbewerb mit den anderen Parteien bestehen kann. Dies ist auch verfassungsrechtlich durch Art.21 des Grundgesetzes geschützt.Insofern kann ich auf die ständige Rechtsprechung verweisen, und zwar auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1986. Die Einzelheiten regeln das Parteiengesetz und auf dessen Grundlage das innerparteiliche Satzungsrecht, also Organisationsstatut und Schiedsordnung der SPD. Parteien sind keine Träger öffentlicher Gewalt und demgemäß auch keine Grundrechtsadressaten. Sie sind im Gegenteil selbst Grundrechtsträger. Auch insofern herrscht einhellige Meinung in der Rechtsprechung und beim Bundesverfassungsgericht.

Meine Damen und Herren, was die innerparteiliche Ordnung betrifft, gilt das für alle Parteien.Wir haben uns einmal die Schieds- und Ordnungssatzungen angeschaut. Auch bei CDU und FDP gibt es ähnliche Regularien und Mechanismen, wie sie in demokratischen Parteien üblich sind.

Eine Bemerkung möchte ich vorwegschicken, weil sie unstrittig ist: Ja, die Freiheit des Mandats ist unantastbar. Das war und ist die Position der hessischen sozialdemokratischen Fraktion und Partei. Die Freiheit des Mandats ist unantastbar.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Beuth, ein Vergleich war jetzt – –

(Wolfgang Greilich (FDP): Was soll dann das Verfahren?)

Ja, ich komme gleich dazu, denn der Grundsatz ist trotzdem richtig. – Ein Vergleich, Herr Kollege Beuth, war völlig daneben. Das sage ich Ihnen mit Entschiedenheit.Wir brauchen von Ihnen nicht diese Belehrung und schon gar nicht einen völlig verqueren historischen Vergleich zu Geschichten, als Sozialdemokraten die Einzigen waren, die noch im Reichstag waren und die den Mut hatten, gegen ein Ermächtigungsgesetz zu stimmen. Hören Sie mit solchen Vergleichen auf. Das war unangemessen, Herr Kollege Beuth.

(Beifall bei der SPD)

Die Landtagsfraktion der SPD ist nicht verfahrensbeteiligt. Das wissen Sie. Natürlich geht es bei alldem auch nicht nur um juristische Fragen.Aber es gibt klare Vorgaben. Die ehemaligen Abgeordneten haben sich so entschieden, wie sie sich entschieden haben. Übrigens war Frau Metzger bis zur Auflösung des Landtags Mitglied der SPD-Landtagsfraktion. Ich will nicht verhehlen, dass es Diskussionen gab, die nicht nur Freude bereitet haben. Aber sie war Mitglied und Abgeordnete dieser Fraktion. So viel zum Thema „Freiheit des Mandats wird nicht respektiert“.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Was ist danach passiert? – Danach gab es die Auflösung des Landtags.Wissen Sie, was mich an dieser Stelle schon sehr ärgert? – Sie von der FDP und der CDU sind Nutznießer der Situation des letzten Jahres. Sie sind heute an der Regierung, weil im letzten Jahr das passiert ist und

weil es uns nicht gelungen ist,eine regierungsfähige Mehrheit zu organisieren.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Gott sei Dank! Wenn man heute hört, was die LINKEN erzählen!)

Das ärgert niemanden mehr als uns selbst und viele, die eine andere Politik wollten. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Der Wähler hat das so entschieden. Aber wir sind darüber nicht amüsiert. Ich wünsche Ihnen kein solches politisches Jahr, wie wir es durchgemacht haben.

(Zuruf von der CDU: Das verstehen wir!)

Auf Ihr Mitleid habe ich an dieser Stelle noch nicht einmal Wert gelegt.– Denn die Sache ist viel ernster.Nach einem solchen Jahr lernt man auch viel. Natürlich gab es auch bei uns Fehler und Fehleinschätzungen. Das haben wir in der Partei diskutiert. Dafür stehen wir auch. Aber klar ist auch: Jetzt gibt es innerparteiliche Regeln. Ortsvereine haben gesagt: Wir wollen nicht mehr, dass bestimmte Personen für die SPD sprechen und Verantwortung tragen. – Da gibt es ein klares Verfahren nach der Schiedsordnung. Nun kann man sagen, das sei falsch. Das ist in einer Demokratie üblich, zumindest wenn man mitteleuropäische Demokratiestandards anlegt.Es sind ja fast alle Parteien auf dem Weg dahin.

Deswegen ist das ein klares Verfahren, das jetzt abgewickelt wird. Da gibt es ein erstinstanzliches Urteil. Jürgen Walter hat gesagt, das Verfahren von der Schiedskommission im Unterbezirk Wetterau sei fair und sauber gewesen. Das war Originalton Jürgen Walter. Deswegen gibt es klare Verfahrensschritte. Jetzt kann man fragen, ob solche Verfahren klug oder sinnvoll sind. Darüber kann man streiten. Aber nach der demokratischen Grundordnung der SPD sind sie zulässig. Kein Landesvorstand der Welt kann von oben durchregieren und sagen: Ihr Ortsvereine als Keimzelle einer demokratischen Partei dürft das nicht machen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Wenn Sie das einfordern, schaden Sie damit auch der Demokratie. Das ist der entscheidende Punkt an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen natürlich, dass man politische Diskussionen nicht durch Satzungsfragen löst. Das ist so. Natürlich haben Sie ein Interesse daran, dass dieses Verfahren möglichst lange dauert. Übrigens würde ich mich auch freuen, wenn nicht nur die Amtierenden über Fehleinschätzungen und Fehler reden, sondern wenn auch alle anderen, die an dem Prozess beteiligt sind, ein Stück Demut üben und überlegen würden, was sie vielleicht bei dem ganzen Verfahren falsch gemacht haben. Es wäre auch ein Signal, wenn man nicht auf der Meinung „Ich mache immer alles richtig, und alle anderen machen alles falsch“ bestehen würde. Deswegen ist das für uns eine schwierige Diskussion.

Herr Beuth, ich will mit Folgendem schließen. Das passt dann ganz gut.Ich will auf die anderen zeigen.Heute steht in einer sehr bedeutenden Zeitung,dem „Bergsträßer Anzeiger“ vom 2. April, Folgendes: „Der CDU-Stadtverordnetenvorsteher und Fraktionsvorsitzende hat die Abwahl des Fraktionsgeschäftsführers beantragt, weil er sich der Stimme enthalten hat. Es ging um eine augenscheinlich sehr wichtige Sachfrage, nämlich einen Kunstrasen in einem Stadion.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Parteien solche Diskussionen nicht gut finden und dass Parteien das gelegentlich anders sehen, ist so. Das haben wir alle erlebt. Die FDP wollte Herrn Möllemann einmal ausschließen. Er ist dem Austritt zuvorgekommen.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Deswegen ist das für keine Partei eine einfache – –

(Zuruf von der CDU: Das war ja peinlich!)

Herr Kollege Rudolph, Sie sind am Ende Ihrer Redezeit. Ich bitte Sie jetzt, zum Schluss zu kommen.

(Zuruf von der CDU: Diese Aussage ist wirklich peinlich! – Anhaltende Zurufe von der CDU und der FDP)

Sie bleibt trotzdem korrekt, weil es nachzulesen ist. – Damit will ich schließen: Dies ist für keine Partei ein einfacher Prozess. Er ist schwierig. Er ist nicht konfliktfrei. Er ist nicht zielfrei. Aber wir werden ihn demokratisch durchstehen, so wie es Tradition der ältesten deutschen Partei, der sozialdemokratischen, ist. – Vielen Dank.