Protokoll der Sitzung vom 25.08.2011

EFSF, der ab 2013 geltende ESM und die Interventionen der EZB.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, viele Ideen des Merkel-Sarkozy-Gipfels zeigen, wenn auch katastrophal verspätet, grundsätzlich in die richtige Richtung. Viele dieser Ideen gab es aber schon vorher, sie wurden in Paris nur noch einmal präzisiert, z. B. die Finanztransaktionssteuer, die, in diesem Haus noch vor Monaten verteufelt, jetzt von den beiden Finanzministern ernsthaft geprüft wird.

(Beifall bei der SPD)

Je nach Ausgestaltung kann so ein Betrag von 17 bis 36 Milliarden € auf Bundesebene bzw. ein Betrag von 110 bis 250 Milliarden € in der EU zustande kommen. Dies wäre ein gerechter Beitrag der Finanzwelt zur Bewältigung dieser Krise.

Die Einführung einer Schuldenobergrenze in den Eurostaaten, eine strenge Haushaltsüberwachung sowie automatische Sanktionen sind gute Vorschläge. Auch die Idee einer europäischen Wirtschaftsregierung ist gut, aber sie kommt zu spät, denn das ist einer der Webfehler innerhalb der EU. Nach der Einführung des Euro hat man es zu lange versäumt, die Währungsunion auch zu einer Sozial-, Wirtschafts- und Finanzunion auszubauen.

Leider ist das Thema Eurobonds auf deutschen Druck hin in Paris nicht behandelt worden oder, wie es Präsident Sarkozy ausgedrückt hat, noch nicht. Was ist nicht alles gegen die Eurobonds geschrieben worden? – Der Beginn der Transferunion – Gegenfrage: Haben wir diese nicht schon durch die Anleihe des EFSF, die jetzt nach dem Geheimpapier noch weiter aufgebaut werden soll, und die Bareinlage an den ESM? – Wir müssen in den nächsten Jahren ab 2013 22 Milliarden € einbezahlen.

Zweites Argument. Für die Schuldenländer – das habe ich bei Herrn Reif herausgehört – gäbe es dann keinen Anreiz mehr zu sparen. In allen ernst gemeinten Vorschlägen wird eine 60-prozentige Obergrenze für Eurobonds gezogen, und zwar immer bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. 60 % sind übrigens die zulässige Schuldenobergrenze nach dem Maastricht-Vertrag. Hat ein Euroland einen höheren Kreditbedarf, muss es sich auf den Kapitalmarkt begeben und wesentlich höhere Zinsen zahlen. Ein Zwang zum Sparen wäre somit auch gegeben. Deshalb hat sowohl meine Fraktion wie auch die SPD-Bundestagsfraktion bereits ihre Zustimmung zu der 60-%-Grenze signalisiert.

Richtig unseriös wird es allerdings dann, wenn die Frage aufgeworfen wird, was Deutschland die Einführung von Eurobonds kosten würde. Da wird die Zahl von 47 Milliarden € genannt, wenn man die gesamten Staatsschulden von Bund, Ländern und Gemeinden in Höhe von 2 Billionen € mit der maximalen Zinsdifferenz zwischen dem deutschen und dem europäischen Durchschnittszins multipliziert. Da der Bund aber „nur“ Anleihen in Höhe von jährlich 300 Milliarden € zeichnet, ist die Mehrbelastung nicht so hoch. Hinzu kommt, dass die Irland-Hilfe durch den EFSF im Frühjahr dieses Jahres, also auch gemeinschaftliche Anleihen, lediglich zu Zinsen in Höhe von 2,5 % ausgegeben wurden, d. h. nur 0,2 Prozentpunkte über dem derzeitigen Zinsniveau.

Im „Spiegel“ wird diese Woche eine Summe von 2,5 Milliarden € im ersten Jahr genannt. Dies würde durch die Einnahmen der Finanztransaktionssteuer aber mehr als kompensiert.

Es ist schon gespenstisch: Was als Immobilienkrise in den USA begann, sich dann zu einer Bankenkrise und schließlich zu einer Finanzmarktkrise ausweitete, die dann zu einer Staatsschuldenkrise mutierte, wird jetzt wegen verspäteter und halbherziger Bemühungen zu einer Krise der Europäischen Union,

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

vielleicht auch zu einer parlamentarischen Regierungskrise. Die Frage ist: Hat Frau Merkel noch die parlamentarische Mehrheit im Bundestag für die Umsetzung der Beschlüsse des europäischen Rates? Im Moment wohl noch. Aber bis zum 22. September, an dem der Bundestag entscheiden soll, ist es noch eine lange Zeit. Das gestern bekannt gewordene Geheimpapier von Schäuble trägt bestimmt nicht dazu bei, das Vertrauen des Parlaments in die Regierung zu verstärken.

„Quo vadis Europa?“, ist zu fragen. Wenn die Eurozone zerfällt, dann fällt auch Europa, dieses Jahrhundertwerk – Tarek Al-Wazir hat das sehr gut mit den Worten von Konrad Adenauer umschrieben –, auf das wir alle zu Recht stolz sind.

Wir hoffen doch alle nicht, dass am Ende des Weges, wie vom Präsidenten des Wirtschaftsrates der CDU, Prof. Dr. Kurt Lauk, im „Handelsblatt“ befürchtet, eine Währungsreform droht. Prof. Dr. Lauk hat aber recht, wenn er Europa am Scheideweg sieht. Genau das ist der entscheidende Blickwinkel. Ein Rückfall in nationalstaatliche Kleinkrämerei mit Einzelinteressen und Einzelegoismen wäre das Ende der gemeinsamen europäischen Idee. Vielmehr ist es jetzt an der Zeit, diese aktuell schwierige Situation auch als Chance zu begreifen, gemeinsam mit allen europäischen Partnern aus der Währungsunion endlich auch eine soziale, wirtschaftliche und finanzpolitische Union zu errichten. Wir jedenfalls wollen aus Überzeugung die letzte Alternative.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Reuter. – Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt der Fraktionsvorsitzende Herr van Ooyen das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind wieder in einer Krisensitzung, von denen wir in den letzten Monaten schon etliche erlebt haben. Dies zieht sich jetzt bis Hessen hin. Es ist ganz günstig, dass wir über die Perspektiven der europäischen Politik, auch der Eurobonds, in diesem Zusammenhang reden.

Wir sollten aber auch festhalten, dass die Politik, für die CDU/CSU und FDP, aber auch die GRÜNEN und die SPD in den letzten Jahren stehen, dazu beigetragen hat, dass es diese internationale Krise in der Form gibt. Deshalb ist eine Wirtschaftsregierung allein nicht ausreichend. Man muss immer auch die Ursachen der Krise analysieren und bekämpfen. Die Hauptursache wird weltweit nicht angegangen: Das sind die maroden Bankensysteme.

Es ist bezeichnend, dass die Europäische Zentralbank der Deutschen Bank Milliarden Euro für 1,25 % Zinsen zur Verfügung stellt, und die Deutsche Bank diese Milliarden

dann für 10 % Zinsen an Griechenland weiterreicht. Solange wir diesen Unsinn weitermachen, wird es keine Lösung der Schuldenkrise geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Solange die Banken Zockerbuden und Spielbanken sind, wird es überhaupt keine Genesung geben. Auch der Euro wird nicht gerettet werden können. Erste Aufgabe ist also, die Finanzwirtschaft neu zu ordnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit dieser Frage haben sich zuletzt auch die beiden Regierungschefs von Frankreich und Deutschland beschäftigt, und sie sind wieder einmal zu einem Ergebnis gekommen. Auch dieser Rettungsplan wird sicher wieder nicht die Lösung der Krise sein. Aber er lässt tief blicken. Denn es ist schon bemerkenswert, dass mit Deutschland und Frankreich die beiden größten Länder der Eurozone gemeinsam einen Rettungsplan vereinbaren, den dann bitte schön alle anderen mittragen sollen. Denn der Kern des Plans ist letztlich nichts anderes, als dass ganz Europa sich so verhalten soll wie Deutschland: Lohnsenkung, Privatisierung, Schuldenbremse, Erhöhung des Rentenalters, Personalabbau im öffentlichen Dienst und das Schleifen des Sozialstaats. – Verpackt wird das Ganze in so technische Begriffe wie Anpassungs- und Restrukturierungsprogramme, die aber nichts anderes sind als Hartz IV für europäische Staaten.

Damit soll die Krise überwunden werden. So wie Menschen ohne Arbeit sollen die Krisenstaaten ans Gängelband genommen werden und jede Bedingung akzeptieren, die von den Gläubigern, den internationalen Finanzmärkten, verlangt wird. Dabei ist allen Beteiligten eigentlich klar: Weder haben diese Restrukturierungsprogramme, die ursprünglich vom IWF stammen, je irgendwo einen Staat vor dem Staatsbankrott bewahrt, noch sind Eurobonds und eine stärkere Integration der Politik in Europa zu verhindern. Damit aber der Eindruck entsteht, dass hier nicht das wenig erfolgreiche Rettungsprogramm nur fortgesetzt wird, sprechen Merkel und Sarkozy von Wirtschaftsregierung.

Als ich das gehört habe, war ich erst überrascht; denn eigentlich wurde der Begriff der Wirtschaftsregierung vor allem von progressiven Politikern geprägt, die das Primat der Politik über die Wirtschaft wiederherstellen wollten. Aber es wurde schnell klar, dass hier nicht die Rede von einer demokratischen Wirtschaftsregierung ist, sondern von einer Finanzmarktdiktatur.

Es geht Ihnen nicht darum, dass demokratische Staaten wieder handlungsfähig werden und sie selbst entscheiden, mit welcher Strategie sie aus der Krise herauskommen und in welche Richtung sie ihre Wirtschaft entwickeln wollen. Genau deshalb lehnen die FDP und derzeit auch noch die CDU Eurobonds ab; denn damit könnten die Krisenstaaten versucht sein, wieder selbst zu bestimmen, wann Menschen in Rente gehen und wie hoch Sozialleistungen sein müssen, damit man davon überleben kann.

Die Eurobonds sind dabei nur das logische Mittel in einem gemeinsamen Währungsraum. Denn mit dem Euro ist den heutigen Krisenstaaten ein wichtiger Teil der Souveränität genommen worden. Was hätten Griechenland und Italien denn gemacht, wenn es den Euro noch nicht gegeben hätte? Sie hätten ihre Währungen abgewertet und somit ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Da sie diese Möglichkeit aber nicht mehr haben, brauchen wir ein gemeinsames europäisches Finanzierungsinstrument.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Einwand, dass dies in eine Transferunion führen würde, ist gar keiner mehr; denn diese Transferunion gibt es bereits. Im Zweifel werden deutsche Steuerzahler doch schon längst mit für die Staatsschulden anderer haften. Spätestens wenn der Euro auseinanderfiele, müssten wir dafür zahlen, dass wir keine europäische Wirtschaftsregierung haben. Deshalb werden die Eurobonds kommen. Da kann die FDP und da kann Herr Bosbach im Bundestag noch so laut Nein rufen. Wenn wir den Zerfall des Euroraums aufhalten wollen, wird es Eurobonds geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage wird letztlich nur noch sein, unter welchen konkreten Bedingungen Staaten sich über dieses Instrument refinanzieren. Dazu werden bereits verschiedene Modelle diskutiert. Die einen wollen mehr oder minder in die Haushaltsrechte der Staaten eingreifen. Die anderen wollen nur einen Teil der Staatsschulden über Eurobonds finanzieren.

Zu den Vorschlägen, dass ausgerechnet die Kommission oder der Rat der Europäischen Union in das vornehmste Recht aller Parlamente eingreifen, kann ich nur sagen: So nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer das will, fordert gewählte Parlamente auf, sich zu entmachten. Wenn ein solcher Vorschlag ausgerechnet aus Deutschland kommt, wird er sicher nicht zum Zusammenhalt Europas beitragen, sondern zu seinem Zerfall.

Aber auch die Idee, dass höchstens 60 % des BIP als Schulden durch Eurobonds finanziert werden dürfen, ist Unsinn. Das widerspricht dem Maastricht-Vertrag – den kann man inzwischen durchaus wieder an die Realität in Europa anpassen. Er löst aber auch wirklich keines der Probleme.

Wenn ein Staat wie Griechenland nur einen Teil seiner Schulden zinsgünstiger bekäme, könnte er den Rest der Schulden dennoch nicht tragen. Meine Damen und Herren, ein bisschen Zahlungsunfähigkeit gibt es nicht, ein bisschen Insolvenz ist immer noch Bankrott. Deshalb müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir eine Wirtschaftsregierung in Europa schaffen.

Diese Erkenntnis ist nicht neu, und auch für CDU und FDP unverdächtige Akteure vertreten diese Auffassung schon viel länger. Schon 1991 wies der Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bundesbank, Otmar Issing, darauf hin: In der Geschichte gibt es kein Beispiel für eine dauerhafte Währungsunion ohne eine Garantie durch einen Staat.

Für den Euro kann dieser Staat nur eine Europäische Union sein. Um die Vergemeinschaftung weiterer Politikfelder – also der Wirtschafts-, Steuer-, Lohn- und Sozialpolitik – werden wir uns also kümmern müssen.

Weil das so ist, brauchen wir eine Wirtschaftsregierung, die auch Wirtschaftsdemokratie bedeutet. Die Menschen werden es nicht akzeptieren, wenn ihnen Brüssel vorschreibt, woran sie nicht beteiligt werden können.

Diese Krise ist also die Chance, endlich zu einer koordinierten Wirtschaftspolitik zu kommen. Diese muss von demokratischen Institutionen gemacht werden, nicht von Regierungsgipfeln in Berlin oder Paris.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir uns also hier dafür aussprechen, Eurobonds nur unter vermeintlich klaren Bedingungen zu begeben, dann könnte man das auch Erpressung nennen. Denn welche Bedingung wird Griechenland noch ablehnen können? Wir wollen ein wirklich neues Europa, das der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität verpflichtet ist. Dieses Europa muss man neu begründen, weil wir in Europa mehr Demokratie wollen. Vor allem wollen wir eine Wirtschaftsdemokratie statt einer Wirtschaftsregierung, bestehend aus Merkel und Sarkozy. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr van Ooyen. – Für die FDP-Fraktion der Fraktionsvorsitzende, Herr Rentsch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße viele Bürgerinnen und Bürger, die heute diese Debatte über die Zukunft unserer Währung hier im Hessischen Landtag verfolgen.

Gleich zum Eingang will ich sagen: Herr Kollege Al-Wazir, Sie haben sich mit Ihren Zitaten heute in eine Reihe mit Helmut Kohl und Konrad Adenauer gestellt. Bei Ihnen hat nur noch Napoleon gefehlt. Das ist eben das Problem, wenn man zu sehr auf Umfrageergebnisse setzt, das muss ich ehrlich sagen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie diesen Dreiklang Adenauer – Kohl – Al-Wazir setzen, dann fehlt als Viertes nur noch Größenwahnsinn. Das ungefähr ist das, was da noch fehlt.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bei der Frage der Zukunft unserer gemeinsamen Währung haben wir in den letzten Jahren einiges erlebt. Gerade die letzten zwölf Monate haben gezeigt, wie labil unsere gemeinsame Währung ist und welche Herausforderungen uns in den nächsten Monaten bevorstehen.