gehende Ausnahmen vom Sonntagsarbeitsverbot vorgenommen werden sollen; denn mit dieser Verordnung sollen die bisher notwendigen Antragstellungen zur Sonntagsarbeit in verschiedenen Branchen aufgehoben werden.
Genannt werden die Branchen: Videotheken und öffentliche Bibliotheken, das Bestattungsgewerbe, die Garagen und Parkhäuser, Brauereien, Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken und Schaumweinen sowie Betriebe des Großhandels, die diese Erzeugnisse vertreiben; Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis und Betriebe des Großhandels, die diese Produkte vertreiben; das Immobiliengewerbe, Musterhausausstellungen, das Buchmachergewerbe, Dienstleistungsunternehmen jeglicher Art und der Versandhandel, telefonische und elektronische Lotsendienste und die Lotto- und Totogesellschaften. In all diesen Branchen mit Zehntausenden von Arbeitnehmern in Hessen soll also künftig eine pauschale Genehmigung der Sonntagsarbeit erfolgen, keine Kontrolle mehr.
begründet dies so – ich zitiere –: Wir müssen aufpassen, dass wir in Hessen keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Bundesländern bekommen.
Daher ist die neue Bedarfsgewerbeverordnung zwingend notwendig, um hier Rechtsklarheit zu schaffen. – Herr Burghardt, wir hatten also bisher keine Rechtsklarheit? Auf welcher Grundlage wurde Sonntagsarbeit dann bisher genehmigt?
Wir bekommen also einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Bundesländern. Ist Ihnen überhaupt bekannt, dass neben Hessen nur zwei weitere Bundesländer, nämlich Hamburg und das Saarland, den Versandhandel und bisher kein einziges Bundesland Bibliotheken mit einbezogen haben? Nein, meine Damen und Herren von CDU und FDP, diese Argumentation zieht nicht. Sie stricken an einer Verordnung, die gesellschaftspolitisch falsch und wahrscheinlich sogar verfassungswidrig ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 1. Dezember 2009 verkündet, Sonn- und Feiertage seien als Tage der Arbeitsruhe aus religiösen Gründen, aber auch zur persönlichen Erholung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Teilhabe am sozialen Leben geschützt.
Diesen verfassungsrechtlich garantierten Sonntagsarbeitsschutz wollen Sie gegen den erklärten Willen der evangelischen und der katholischen Kirchen und der Gewerkschaften durch die Hintertür brechen. Selbst in Ihren eigenen Reihen stoßen Ihre Pläne auf Kritik. Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, der Bundestagsabgeordnete Zimmer, sagt, Sonn- und Feiertage dienten der seelischen Erhebung des Menschen, nicht dem Handel oder dem Kommerz. Man müsse die Zahl der Ausnahmen eher reduzieren statt ausweiten. – Damit hat er doch völlig recht.
Deshalb stellen wir in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Kirchen und Gewerkschaften unseren Antrag heute
zur namentlichen Abstimmung. Weil die SPD in ihrem Antrag exakt unsere Forderungen übernommen hat, unterstützen wir natürlich auch diesen Antrag.
Gehen Sie in sich, stimmen Sie diesen Anträgen zu, und lassen Sie uns erst, so wie es die Allianz für einen freien Sonntag fordert, eine breite gesellschaftliche Debatte über Sinn und Grenzen der Sonntagsarbeit führen. Das wäre nicht nur sozial, das wäre auch christlich.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eingangs grundsätzlich feststellen, dass ich es für ordnungspolitisch richtig halte, die allerdings wenigen und klar definierten Ausnahmen von der Regel des Sonntagsschutzes wie die allermeisten anderen Bundesländer in einer Verordnung zu regeln, statt dies der massenhaften Erteilung von Ausnahmegenehmigungen oder gar galantem Darüberhinwegsehen zu überlassen.
Herr Minister Grüttner, die von Ihnen vorgelegte Verordnung trifft offensichtlich keine Abwägungsentscheidung zwischen dem besonderen Schutz des Sonntags und anderen Interessen. Deswegen ist sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verfassungskonform. Sie wissen, wie sensibel das Thema in Hessen diskutiert worden ist. Sie kennen die Diskussionen, die im Land und im Hessischen Landtag über die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten geführt worden sind. Herr Minister Grüttner, als Sie auf besonderen Wunsch Ihres Koalitionspartners der Öffnung von Videotheken an Sonntagen zugestimmt haben, hat es doch gerade auch in Ihrer Fraktion ganz vernehmlich gequietscht.
Dennoch meinen Sie, eine Bedarfsgewerbeverordnung, auf die Hessen jahrelang verzichtet hat, kurz vor den Sommerferien auf den Weg bringen zu können, ganz offensichtlich in der Hoffnung, dass das, was Sie vorhaben, irgendwie durchrutscht. Meine Damen und Herren, diese Kalkulation ist offensichtlich schiefgegangen. Es ist gut, dass der Hessische Landtag heute darüber debattiert.
Unsere grüne Position ist in dieser Frage konsistent. Wir wollen, dass der Sonntag als Tag der Ruhe und der Erholung erhalten bleibt. Nicht umsonst sind Sonn- und Feiertage grundgesetzlich geschützt. In der bereits erwähnten Entscheidung vom 1. Dezember 2009 zu den Berliner Ladenöffnungszeiten hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, dass der Sonntagsschutz die Regel ist. Eine Passage dieser Entscheidung ist auch für die Hessische Bedarfsgewerbeverordnung von besonderem Interesse.
In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht, die Sonn- und Feiertagsruhe fördere und schütze nicht nur die Religionsfreiheit, sondern diene darüber hinaus
der „physischen und psychischen Regeneration und damit der körperlichen Unversehrtheit sowie dem besonderen Schutz von Ehe und Familie“. Darüber hinaus – so das Bundesverfassungsgericht – könne der Sonn- und Feiertagsruhe ein besonderer Bezug zur Menschenwürde des Art. 1 GG beigemessen werden, weil sie dem ökonomischen Nutzendenken eine Grenze ziehe und dem Menschen um seiner selbst willen diene.
Damit hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur einmal mehr eine kluge Entscheidung getroffen, sondern diese Entscheidung auch ebenso klug hergeleitet. Diese Argumentation gilt gleichermaßen auch für die in Ihrer Verordnung genannten Branchen. Herr Minister Grüttner, diesem Argument können Sie nicht pauschal damit begegnen, dass Sie in Ihrer Begründung behaupten, das Wirtschafts- und Arbeitsleben sowie das Verbraucherverhalten der Bürgerinnen und Bürger hätten sich verändert. Eine solch lapidare Begründung öffnet Tür und Tor für alle denkbaren Ausnahmen und berücksichtigt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in keinster Weise.
Wir werden deswegen den Anträgen sowohl der LINKEN als auch der SPD, die beide die Rücknahme Ihres Verordnungsentwurfs verlangen, zustimmen. Wir setzen darauf, dass gerade die hessische CDU, die in der Betonung ihrer christlichen Wurzeln ganz besonders eifrig ist, Läuterung zeigt.
Es ist nicht zufällig der bereits zitierte Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Hessen, Herr Zimmer, gewesen, der Ihr Vorhaben noch in der vergangenen Woche in der „FAZ“ einen „Ausverkauf christlicher Grundprinzipien nach der Lage des Zeitgeistes“ genannt hat. Er hat bereits im letzten Jahr mit Bezug auf den Sonntag darauf hingewiesen, dass sich Kinderfreundlichkeit nicht nur im Kindergeld ausdrücke, sondern auch mit Lebensqualität im Alltag und an den Wochenenden zusammenhänge.
Herr Kollege Schaus, abschließend muss ich mich aber auch der besonderen Scheinheiligkeit Ihrer Partei in dieser Frage zuwenden. Sie tun hier so, als sei die LINKE die Gralshüterin des Sonntagsschutzes. Es ist aber Ihre Partei, die noch im Land Berlin mitregiert, in dem Bundesland also, das alle vier Adventsonntage pauschal zur Ladenöffnung freigegeben hat. Das war die Ursache für die besagte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dabei haben Sie keine Rücksicht auf Verkäuferinnen und Verkäufer genommen. Sie stellen dort sowohl den Wirtschaftssenator als auch die Sozialsenatorin.
Die Bedarfsgewerbeverordnung des Landes Berlin, übrigens genauso wie des Landes Brandenburg, wo Sie auch mit regieren, treffen ganz ähnliche Ausnahmen wie die hessische.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Die Regelung in Brandenburg stammt noch aus der Zeit der Großen Koalition! – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP): Sie hätten sie ändern können!)
Das ließe sich ändern, Sie regieren dort schon ein paar Jahre. Herr Schaus, Ihre Glaubwürdigkeit in dieser Frage ist ausgesprochen gering. Es ist schon ziemlich dreist, dass ausgerechnet Sie meinen, hier die Backen dermaßen aufblasen zu können. – Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorweg eine Bemerkung, weil Herr Schaus sich auf die zwei Anträge bezog. Wir begrüßen es immer, wenn andere Fraktionen zu der Erkenntnis kommen, dass gute sozialdemokratische Positionen richtig sind, und sie übernehmen, auch wenn die LINKE das tut.
Wir stellen aber gelegentlich noch einmal klar, dass der Schutz der Sonntagsarbeit eine sozialdemokratische Position war, Jahrzehnte, bevor es eine LINKE gab.
(Beifall bei der SPD – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt wächst wieder zusammen, was zusammengehört!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lapidarität der Argumentation, die für eine Ausweitung der Sonntagsarbeit wirtschaftliche und sonst keine Erwägungen zugrunde legt, ist in dieser Debatte bereits hinreichend diskutiert worden. Die erste spannende Frage wäre, ob sich die Behauptung beweisen lässt, die Ausweitung der Sonntagsarbeit führe zu einem wettbewerblichen Vorteil. In der Frage der Ladenöffnungszeiten hatten wir lange Debatten, in denen uns immer wieder erklärt wurde, dass es Arbeitsplätze bringe. Und was bringt es für Arbeitsplätze? Minijobs, wenn überhaupt.
Es bringt Konzentrationsprozesse und die Zerstörung einer kleinteilig gewachsenen Kultur im Bereich des Einzelhandels. Es bringt genau kontraproduktive Effekte gegenüber denen, die Sie genannt haben. Herr Staatsminister und meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, nachdem Sie so hart für die Sonntagsöffnung der Videotheken gekämpft haben, können Sie uns einmal vorlegen, wie viele Arbeitsplätze in hessischen Videotheken durch diesen wegweisenden Beitrag zur Zerstörung der Sonntagsruhe jemals geschaffen wurden? – Überhaupt kein einziger.
Solange Sie an dieser Stelle nicht in der Lage sind, einmal zu belegen, dass die Verteilung des gleichen Umsatzes auf mehr Tage irgendwem irgendetwas bringt,
kann es doch keine ernsthafte Ausweitung ohne ganz gute, ganz dringende Gründe geben. Dringende Gründe gibt es. Die gibt es in Krankenhäusern und bei Energieversorgern. Und es gibt sie für die eine oder andere ganz eng zu treffende Ausnahme. Aber die Vorstellung, dass das, indem man der Beliebigkeit großer Betreiber Platz
Meine Damen und Herren, wir können das doch im Gegenteil täglich an den Statistiken erkennen, wie die Beschleunigung der Arbeitsprozesse, wie die Auflösung natürlicher Rhythmen. Da fragt man sich gerade bei konservativen Politikern, wie es denn sein kann, dass jahrhundertelang gewachsene Traditionen aller Kulturen, wie die des siebten Ruhetages, so mir nichts, dir nichts der Beliebigkeit zum Fraß vorgeworfen werden, während wir doch sehen, welche desaströsen Auswirkungen