Protokoll der Sitzung vom 13.09.2011

Herr Merz, Sie können leider nicht mehr fragen; Herr Dr. Spies oder ein anderer könnte noch. – Aber es ist damit erledigt.

Ich rufe die Frage 545 auf. Herr Abg. Tipi.

Ich frage die Landesregierung:

Wie sollten aus dem Ausland stammende Lkw, welche nicht den einschlägigen Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) entsprechen, auf den Transitrouten durch Hessen zukünftig überwacht werden?

Herr Innenminister Rhein.

Sehr geehrter Herr Abg. Tipi, ausländische Fahrzeuge werden zukünftig wie bereits in der Vergangenheit nach folgender Maßgabe kontrolliert. Für die Zulassung ausländischer Fahrzeuge zur vorübergehenden Teilnahme am Straßenverkehr im Inland sind die Vorschriften aus den §§ 20 ff. der Fahrzeug-Zulassungsverordnung anzuwenden. Für Fahrzeuge aus der EU oder aus einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum bedeutet das, dass diese Fahrzeuge am Verkehr im Inland dann teilnehmen dürfen, wenn für sie von einer zuständigen Stelle des anderen Mitgliedstaates oder des anderen Vertragsstaates eine gültige Zulassungsbescheinigung ausgestellt wird und im Inland kein regelmäßiger Standort begründet ist.

Für Fahrzeuge aus Drittstaaten bedeutet das, dass in einem Drittstaat zugelassene Fahrzeuge dann vorübergehend am Verkehr im Inland teilnehmen dürfen, wenn für sie von einer zuständigen ausländischen Stelle eine gültige Zulassungsbescheinigung oder ein internationaler Zulassungsschein nach Art. 4 und Anlage B des Internationalen Abkommens vom 24. April 1926 über Kraftfahrzeugverkehr ausgestellt worden und im Inland kein regelmäßiger Standort begründet ist. Die Zulassungsbescheinigung muss mindestens die nach Art. 35 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr erforderlichen Angaben enthalten. Die Antwort auf die Frage, wer das kontrolliert, lautet: natürlich die Polizei im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Kontrollen.

Frage 546, Herr Abg. Caspar.

Ich frage die Landesregierung:

Wie bewertet sie den vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, mit welchem unter anderem die Hersteller von Zügen künftig per Gesetz stärker in die Verantwortung für Sicherheit und Qualität ihrer Produkte genommen werden, sowie die bereits im Mai erfolgte Einführung des „Handbuches Eisenbahnfahrzeuge“?

Herr Wirtschaftsminister Posch.

Herr Kollege Caspar, wir begrüßen beide Vorhaben der Bundesregierung

(Der Redner blättert in seinen Unterlagen. – Janine Wissler (DIE LINKE): Das geht auch so! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das geht auch ohne Unterlagen!)

das ist eben gute Vorbereitung –, sowohl den Gesetzentwurf als auch das Handbuch. Bei beiden Maßnahmen wird die Verantwortlichkeit für diese Züge an diejenigen zurückgegeben, von denen wir landläufig der Auffassung sind, dass sie eigentlich diese Sorgfaltspflicht selbst erbringen müssen.

Meine Damen und Herren, ich schließe damit die Fragestunde für heute

(Die Frage 550 und die Antwort der Landesregie- rung sind als Anlage beigefügt. Die Fragen 547 bis 549 sollen auf Wunsch der Fragesteller in der näch- sten Fragestunde beantwortet werden.)

und rufe den Tagesordnungspunkt 55 auf:

Nachwahl eines Mitglieds der Versammlung der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk

Nach § 49 des Hessischen Privatrundfunkgesetzes gehören der Versammlung fünf Abgeordnete des Hessischen Landtags an, die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen sind. Gewählt wird nach dem System Hare/Niemeyer, § 9 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags.

Herr Abg. Dr. Christean Wagner hat mit Schreiben vom 7. September 2011 erklärt, dass er in den Verwaltungsrat des Hessischen Rundfunks wechselt und somit auf seine Mitgliedschaft im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks verzichtet. Daraufhin rückte Frau Abg. Karin Wolff in den Rundfunkrat für Herrn Dr. Wagner nach.

Niemand kann gleichzeitig Mitglied sowohl im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks als auch in der Versammlung der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk sein. Deshalb verzichtet Frau Karin Wolff mit Schreiben vom 7. September 2011 auf ihre Mitgliedschaft in der Versammlung der Landesanstalt für privaten Rundfunk. Eine Nachwahl ist somit erforderlich. – Das sind erst einmal die Umstände.

Nun liegt uns mit der Drucks. 18/4439 ein Vorschlag vor. Die Fraktion der CDU schlägt Herrn Abg. Hugo Klein (Freigericht) vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? – Das ist nicht der Fall. Wenn sich kein Widerspruch ergibt, dann können wir das offen abstimmen.

Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass bei Zustimmung der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Klein (Freigericht) von uns in dieses Gremium

entsandt wird. Da er das vorher wusste, muss ich ihn fragen, ob er es annimmt. – Glückwunsch, Herr Kollege.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben den Tagesordnungspunkt 28 aufzurufen:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend neuer Höchststand von Studierenden – Hochschulen unterstützen – Drucks. 18/4368 –

Wir rufen Tagesordnungspunkt 35 mit auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend den Studierendenansturm an den hessischen Hochschulen – Drucks. 18/4428 –

und Tagesordnungspunkt 60:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend landespolitische Verantwortung wahrnehmen, Hochschulen für Studierendenansturm rüsten – Drucks. 18/4468 –

Meine Damen und Herren, es ist vorgesehen, pro Fraktion zehn Minuten zu diskutieren. Dann ist vorgesehen, die Anträge an den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst zu überweisen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abg. Grumbach für die Fraktion der SPD. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir führen die Debatte, wie man so schön sagt, mit Ansage. Denn wir haben am 29. April 2010, am 19. Mai 2010, am 3. Februar 2011 und am 3. März 2011 vorhergesagt, dass genau das passieren wird, worüber wir hier klagen: Unsere Hochschulen werden über die Grenzen des Zumutbaren getrieben. Jetzt sind diese Grenzen überschritten, und der Landtag muss sich erneut damit befassen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, ich darf Sie zitieren. Sie haben am 3. Februar noch von dem „angeblichen Hilferuf“ eines Präsidenten gesprochen. Ich finde, es ist an der Zeit, dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass sich die Welt geändert hat. Ich bin gespannt, ob Sie das heute wiederholen. Wir haben die Situation, dass in Kassel Vorlesungen und Seminare in Kirchen gehalten werden. Wir haben die Situation, dass emeritierte Professoren in ihre Jobs zurückgeholt werden. Wir haben die Situation, dass Lehrveranstaltungen überhaupt nur stattfinden können, weil wissenschaftliche Mitarbeiter und Hilfskräfte eingestellt werden. Bei den heutigen Studierendenzahlen ist es absehbar, dass Riesenveranstaltungen vor uns liegen. Ich frage mich: Welche Antwort hat diese Landesregierung darauf? Hat sie überhaupt eine? Bisher hat sie keine gegeben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Ich formuliere das in Zahlen. Den jetzigen Stand können wir alle nur andeutungsweise abschätzen. Wintersemester 2010/2011: 196.000 Studierende in Hessen. Das bedeutet, in zwölf Jahren – in Klammern: mehr als die Regierungszeit dieser Landesregierung – plus 33 % Studierende. Bundesweit waren es 4,5 %. Allein letztes Jahr waren es in Hessen 5 %, 30.000 seit 2005, obwohl das Hochschulbudget seit 2005 mit 100 bis 200 Millionen € hinauf oder hinunter relativ konstant geblieben ist.

Dann komme ich auf den Punkt, über den wir heute wirklich reden müssen. Finanziert werden, ausgewiesen über die leistungsorientierte Mittelzuweisung, ziemlich genau 109.000 Studienplätze. Das heißt, wir haben eine Überbelegung von 80 %. Ich glaube, wenn ich sage, wir alle wollen mehr Studierende, stimmen Sie alle mir zu. Unsere Volkswirtschaft braucht sie. Wir können es uns nicht leisten, dass solche Studienbedingungen dazu führen, dass in unsere Volkswirtschaft Hochschulabsolventen gehen, deren Qualifikation durch Überlastung faktisch abgesenkt wird.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Ministerin, Sie haben am 3. Februar gesagt: „Wir haben einen Hochschulpakt abgeschlossen, der fünf Jahre lang Sicherheit gibt.“ – Die Frage ist: Sicherheit für was?

Ich erläutere das an einem simplen Beispiel. Wenn Sie mit einem Menschen einen Pakt abschließen und für ihn zwei Drittel der notwendigen Kalorien zur Verfügung stellen, dann nennt man das nicht Sicherheit, sondern Abmagerungskur. In diesem Fall verordnen Sie den Hochschulen eine Zwangsabmagerungskur. Diese Sicherheit hilft uns nichts. Denn Ihr Handeln sorgt dafür, dass wir in den nächsten Jahren nicht genug qualifizierte und gut ausgebildete Studierende bekommen werden. Wir brauchen als Bundesland Hessen mit dem Schwerpunkt Rhein-Main mit den dortigen Jobanforderungen Leute, die ihr Studium gut bewältigen können. Die Hochschulen müssen so ausgerichtet sein, dass sie das leisten können. Dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich nenne die drei Standardargumente dieser Landesregierung:

Erstens. Die Hochschulen haben Autonomie. – Ja, die Hochschulen haben die Autonomie, unter diesen Bedingungen ihre Abmagerungskur selbst zu gestalten. Ich sage aber: Da muss man dann aber auch die Politik in die Verantwortung nehmen. Wir alle reden in Sonntagsreden davon, dass wir eine Steigerung der Studierendenzahlen in Deutschland brauchen, weil unsere Wirtschaft das nötig hat. Wir alle müssen daher gemeinsam dafür sorgen, dass die Hochschulen so ausgestattet werden, dass die Steigerung der Studierendenzahlen auch finanziert wird. Autonomie muss also heißen: Wir stecken den Rahmen, der auskömmlich ist, und die Hochschulen gestalten in diesem Rahmen autonom. Sie aber stecken den Rahmen so eng, dass die Hochschulen gar nicht autonom gestalten können, sondern sie können nur den Mangel verwalten. Das können wir uns in Hessen auf Dauer nicht leisten.

(Beifall bei der SPD)

Zweites Argument, das wir nachher sicher wieder zu hören bekommen: 1999 betrug der Etat für die Hochschulen nur 960 Millionen €. – Ich werde niemandem widersprechen, der sagt, dass die Hochschulen damit unterfinanziert waren. Das ist völlig unstreitig. Das Problem ist aber: Um bei 33 % mehr Studierenden den gleichen Finanzierungsstatus zu erreichen, müssen wir 320 Millionen € drauflegen. Sie haben ein bisschen mehr draufgelegt. Aber damals waren weder die Pensionen noch die Baukosten im Hochschuletat. Das heißt, die Mittel des Landes Hessen pro Studierendem haben im Jahr 1995 umgerechnet 6.600 € betragen, und heute betragen sie 6.600 €. Das heißt, Hessen hat mit seinen zusätzlichen Ausgaben – also die

Mittel gemäß der Zahl der Studierenden aufzustocken – das Gleiche getan, was alle anderen Bundesländer gemacht haben. Deswegen rangiert Hessen wie 1995 in der Rangliste aller Bundesländer zwischen Platz 12 und 13. Das ist für ein reiches Land wie Hessen ein schlechter Platz.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu dem dritten Argument, das häufig in der Debatte genannt wird: Wir geben Geld für Zuwachs. – Stimmt. Es ist aber nicht Ihr Geld oder unser Geld, sondern es ist das Geld des Bundes, das zusätzlich „verkauft“ wird, und es reicht nicht. Wir haben das alles debattiert. Wir haben gewusst, dass jetzt die doppelten Jahrgänge aus anderen Bundesländern kommen. Der Schwerpunkt der doppelten Jahrgänge aus Hessen steht noch „vor unserer Tür“. Hinzu kommt die Abschaffung der Wehrpflicht.

Aber darauf wird nicht reagiert, sondern die Hochschulen müssen die Löcher stopfen. Das tun sie durch einen eigenwilligen Umgang mit QSL-Mitteln. Wir haben darüber schon einmal debattiert. Sie plündern Rücklagen, die sie eigentlich für die Berufung von qualifizierten Professoren brauchen. Die können sie jetzt nicht berufen, weil sie das Geld brauchen, um den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten. Das ist alles kein Vorwurf an die Hochschulen. Aber wer Autonomie der Hochschulen will, muss für den entsprechenden Rahmen sorgen, damit Autonomie auch gelebt werden kann. Diese Landesregierung macht Autonomie zum Gespött, denn sie dient nur noch der Mangelverwaltung. Das reicht nicht aus. Autonomie muss auch finanziell unterfüttert werden.