Protokoll der Sitzung vom 04.10.2011

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Herausforderungen sind schon genannt worden. Sie berühren viele Themenfelder: den komplexen Bildungsbereich, den Arbeitsmarkt, den Sozialbereich, die Wirtschaft, aber auch die Sicherheitspolitik. Ich möchte nicht all das wiederholen, was gesagt worden ist.

Daher war es konsequent, dass die Hessische Landesregierung 2009 zum ersten Mal in diesem Land ein Integrationsministerium eingerichtet hat, um all diese Politikbereiche unter dem Blickwinkel der Integration zu koordinieren. Damit wollen wir – wie wir immer so schön sagen – zu einer Integrationspolitik aus einem Guss kommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die heutige Regierungserklärung von Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn bot eine gute Gelegenheit, um eine Halbzeitbilanz zu ziehen, aber auch um einen Ausblick auf die zweite Hälfte der Legislaturperiode zu wagen. Es wird natürlich niemanden wundern, wenn ich sage, dass ich mich den Äußerungen des Integrationsministers vollumfänglich anschließen kann und sein positives Zwischenfazit teile. Das ist nicht besonders überraschend.

Ich möchte aber – auch wenn ich es machen könnte – meine Rede nicht hiermit beenden. Ich möchte auch nicht all das wiederholen, was schon gesagt wurde, sondern ich möchte die Gelegenheit nutzen, um noch einmal einige Themenfelder herauszugreifen und einige Punkte zu unterstreichen.

Beginnen möchte ich mit den Modellregionen Integration, da dieses Thema schon von vielen Vorrednerinnen und Vorrednern angesprochen wurde. Es wurde gefragt, welche Koordinierungsfunktion das Land wahrnimmt. Gerade bei den Modellregionen Integration zeigt sich doch die koordinierende Funktion des Landes, wenn die Projekte aus den verschiedenen Politikfeldern, ob das nun der Arbeitsmarkt, die Wirtschaft, das Soziale oder der Bildungsbereich sind, unter dem Blickwinkel der Integration zusammengefasst werden. Gerade in den fünf verschiedenen Modellregionen zeigt sich die koordinierende Funktion des Landes.

Frau Kollegin Cárdenas, Sie haben sich beschwert, dass nur ein Drittel der Modellregionen gefördert wurde. Das kann ich so nicht stehen lassen. Zwar hat nur ein Drittel der Modellregionen Geld bekommen, aber die Vertreter der anderen Modellregionen wurden eingeladen, sich am runden Tisch zu beteiligen, von den positiven Erfahrungen, die in den geförderten Modellregionen gemacht wurden, zu profitieren und sich am Dialog zu beteiligen.

Es ist klar, dass man das Geld nur einmal ausgeben kann. Deshalb hat das Land bei der Entscheidung, wen es fördert, Schwerpunkte gesetzt. Aber das heißt nicht, dass die anderen Modellregionen außen vor bleiben. In Ihrer Rede klang das so durch; das wollte ich so nicht stehen lassen.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich habe gerade versucht, es Ihnen zu erklären. Ich kann es Ihnen gern noch einmal in Ruhe erklären.

Frau Kollegin Öztürk, Sie haben beklagt, dass die Stiftungen und verschiedene andere Organisationen, etwa die Migrantenselbstorganisationen und die Ehrenamtler, nicht genügend eingebunden wurden. Die Stiftungen werden aber in den Modellregionen Integration explizit mit eingebunden. All das, was Sie gefordert und in Ihrem Integrationskonzept noch einmal dargelegt haben, hat das Integrationsministerium mit dem Projekt Modellregionen Integration schon angepackt.

(Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo?)

Insofern begreife ich Ihre Rede als eine Bestätigung der Politik der Landesregierung. Ich hoffe, diesen Eindruck damit korrigieren zu können. Ich denke, man kann das auch einmal so stehen lassen: Die Landesregierung hat mit den Modellregionen Integration eine gute Politik gemacht, und es ist schön, dass auch die GRÜNEN das endlich einsehen.

(Beifall bei der FDP)

Nächster Punkt. Wir hatten in diesem Haus schon öfter eher emotionale und auch aufwühlende Debatten über das Thema Integrationspolitik. Über die Integrationspolitik wird in der Tat häufig sehr emotional diskutiert. Emotionen und Leidenschaft sind durchaus etwas Positives und Schönes.

Aber wenn es um eine Politik geht, die wirkungsvoll sein und den Alltag der Menschen konkret verbessern soll, sind – wie ich finde – Zahlen, Daten und Fakten die besseren Ratgeber. Deswegen hat die Hessische Landesregierung die Datenerhebung mit dem Integrationsmonitoring bewusst ausgebaut. Der Integrationsminister hat es dargestellt, und ich möchte es noch einmal unterstreichen: Nur eine genaue Analyse der Probleme ermöglicht deren wirkungsvolle Lösung.

Frau Cárdenas, auch in diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf Sie zu sprechen kommen: Natürlich dienen diese Daten nicht nur der Bestätigung der tollen Sprachförderpolitik der Landesregierung. Nein, das ist nicht so. Die Datenerhebung und das Integrationsmonitoring dienen dazu, in der Zukunft zu noch besseren und noch passgenaueren Lösungen in der Integrationspolitik zu kommen; denn nur wer sich einen Überblick über die aktuelle Situation verschafft, kann daraus eine gute Integrationspolitik und gute Handlungsempfehlungen ableiten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Der Landesregierung steht dieses wissenschaftliche Instrument nun erstmalig zur Verfügung. Hessen ist, wie der Integrationsminister ebenfalls dargestellt hat, damit Vorreiter und Vorbild für andere Bundesländer, die das jetzt übernehmen. So schlecht kann das also nicht sein. Ich glaube nicht, dass nur schwarz-gelb regierte Bundesländer dabei sind. Vielmehr wird dieses Modell auch von Bundesländern übernommen, deren Regierung von anderen Konstellationen getragen wird. Das zeigt, dass es parteiübergreifend als ein gutes Modell anerkannt wird.

Ich möchte noch einmal eine Zahl nennen – Jörg-Uwe Hahn hat darauf hingewiesen –, die sehr exemplarisch für diese integrationspolitische Debatte ist: 38,4 % der Migranten sind katholisch, und nur 20,5 % sind Moslems.

Ich finde, diese Zahl widerlegt ganz eindeutig all diejenigen, die, sei es in Internetforen oder wo auch immer, vor einem Eurabien oder einer Islamisierung Europas warnen. Ich möchte ganz nüchtern feststellen: Etwa 40 % sind Katholiken, etwa 20 % sind Moslems. Das ist okay. Das ist eine gute Basis, mit der wir unsere Integrationspolitik gestalten können.

Ich finde das auch gut, weil das mehr Sachlichkeit in die Debatte bringt. Diese Zahl können wir den Leuten entgegenhalten, die Ängste schüren wollen. Ich denke, das ist gut und trägt zur Beruhigung der Debatte bei.

Frau Kollegin Öztürk, Sie erwähnen immer den „Wetzlar Kurier“. Ich möchte Herrn Kollegen Irmer nicht zu nahe treten. Ich glaube aber, dass der Einfluss des „Wetzlar Kurier“ durchaus regional begrenzt ist.

(Beifall des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Ich glaube nicht, dass jemand, der in der Türkei lebt und sich überlegt, jetzt nach Hessen ziehen zu wollen, den „Wetzlar Kurier“ liest und deswegen denkt: Oh, da ziehe ich lieber nicht hin. – Ohne Herrn Kollegen Irmer zu nahe treten zu wollen, glaube ich: Ganz so schlimm ist es dann wohl doch nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU – Heiterkeit des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es wäre schön, wenn Sie ihm endlich einmal nahetreten würden!)

Wir sind damit zu dem Thema Medien und zum Thema gesellschaftliche Debatte gekommen. Herr Al-Wazir, zum Thema ruhige Debatte kann ich sagen: ganz ruhig.

Zum Thema gefühlte Situation der Integrationspolitik in Hessen, aber auch in Deutschland, möchte ich noch einen weiteren Punkt erwähnen. Auch das wurde schon angesprochen. Wir brauchen auch mehr positive Beispiele, um die guten Wirkungen und die Bereicherungen, die die Integration und der Zuzug fremder Menschen für unsere Gesellschaft darstellen, besser hervorheben zu können.

Da ist es natürlich so: Die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt sind hier die Schlüsselbereiche. Das hat Herr Kollege Bauer erwähnt.

Das möge verdeutlichen, dass die Migration positive Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Das wird auch positive Auswirkungen auf die gesamtgesellschaftliche Debatte haben.

Deswegen kann ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dabei geht es um das Gesetz zur Verbesserung der Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse. Das ist ein Meilenstein der schwarz-gelben Bundesregierung. Das kann man nicht oft genug betonen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich freue mich, dass Jörg-Uwe Hahn dargestellt hat, dass, nachdem das Bundesgesetz da ist, der Bund also die rechtliche Grundlage geschaffen hat, das Land Hessen jetzt natürlich darangeht, die Umsetzung mit vielen Regelungen sicherzustellen. Es ist doch ganz klar. Das hat er doch angekündigt. Ich weiß gar nicht, worin Ihr Problem besteht. Das Bundesgesetz ist da. Die Landesregierung will jetzt handeln.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Mick!)

Ich weiß es auch nicht: Sie haben versucht, vieles aufzubauschen. Wenn man sich aber an den Fakten orientiert, muss man feststellen: Das wird alles umgesetzt. – Frau Kollegin Öztürk, ich bin da guten Mutes und relativ gelassen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Warten Sie es doch einmal ab!)

Zum Thema Willkommenskultur ist alles gesagt. Das Thema Wahlrecht werden wir am Donnerstag besprechen.

Der Integrationsminister und die Kollegen haben auf das wichtige Thema Sprachförderung hingewiesen. Ich möchte das Thema nicht weiter vertiefen. Ich denke, da sind wir uns alle einig. Dass Sprache der Schlüssel ist, ist, so denke ich, eine Phrase, die wir alle bei jeder Gelegenheit dreschen. Das ist ein bisschen hart. Aber es ist tatsächlich so. Das ist auch wichtig.

Der Integrationsminister hat die vielfältigen Bemühungen des Landes Hessen auf diesem Gebiet dargestellt. Ich möchte das nicht wiederholen.

Ich möchte die von Frau Cárdenas angesprochene Studie des Herrn Prof. Toprak noch anführen. Es ist vollkommen richtig, dass Sie die angesprochen haben. Wir hatten Herrn Prof. Toprak auf Einladung der FDP-Fraktion schon in der Enquetekommission zum Thema Integration und Migration. Er hat uns dort sehr interessant über das Thema Sprachförderung und Schulbildung berichtet.

Eines ist mir aber an Ihrer Analyse aufgefallen: Ja, das ist richtig, Herr Prof. Toprak hat in seiner Studie darauf hingewiesen, dass seiner Meinung nach längeres gemeinsames Lernen einen positiven Beitrag zur Integration darstellen würde.

(Zuruf: Ja!)

Frau Cárdenas, das haben Sie hervorgehoben. Auf der anderen Seite hat er aber auch hervorgehoben, dass vielfältige kulturelle Unterschiede der Eltern türkischer Her

kunft auch dazu beitragen, dass der Schulerfolg der Kinder behindert wird. Ich habe das jetzt einmal vorsichtig ausgedrückt.

Was haben Sie gesagt? – Das war ganz interessant. Das war entlarvend. Sie haben gesagt: Das hat er gesagt, das hat aber mit der Konrad-Adenauer-Stiftung zu tun. Aber von längerem gemeinsamem Lernen hat er auch gesprochen. Wenn man Ergebnisse aus Studien zitiert, darf man sich nicht nur das herauspicken, was einem genehm ist. Frau Cárdenas, vielmehr muss man die Ergebnisse einer Studie im Zusammenhang zitieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich denke, es ist eine unterschiedliche Kultur, die sich entwickelt hat. Es ist auch nichts Diskriminierendes, das zu sagen. Das bietet uns aber den Anlass, die Bildungspolitik in dem Bereich noch einmal zu verändern. Ich denke, das ist ein guter Ansatzpunkt für die Integrationslotsen und für die aufsuchende Elternarbeit. Das ist nichts Negatives. Da können wir zu Verbesserungen kommen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Bereich erwähnen, den ich sehr wichtig finde. Dabei geht es um das Thema Migration und Gesundheit. Die Zeitschrift „Eltern“, die ich seit Kurzem lese,

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der CDU sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

hat in ihrer Oktoberausgabe einen Schwerpunkt bei dem Thema der sogenannten U-Untersuchungen gesetzt. Das ist durchaus wichtig. Das ist interessant. Da kommen verschiedene Kinderärzte und Entwicklungspsychologen zu Wort. Sie argumentieren, dass diese U-Untersuchungen traditionell zu stark nur auf körperliche Defizite ausgerichtet sind und dass man vieles auch hinsichtlich der Bildung erreichen könnte, wenn man sie um entwicklungspsychologische Elemente ergänzen würde, um möglichen Entwicklungsstörungen vorzubeugen, die sich negativ auf den Schulerfolg auswirken können.