Protokoll der Sitzung vom 05.10.2011

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Aber ein Drittel hat schon gekündigt!)

Ich fasse zusammen: CDU und FDP bekennen sich zur Bundeswehr und erklären sich mit den Soldatinnen und Soldaten solidarisch. Ich rufe allen Soldatinnen und Soldaten zu: Versehen Sie Ihren Dienst weiterhin so aufopferungsvoll. Kommen Sie aus Ihren Einsätzen gut nach Hause. Wir stehen fest an Ihrer Seite. – Danke.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke, Herr Döweling. – Für die Landesregierung spricht jetzt Staatsminister Boddenberg.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Tribüne heiße ich ganz besonders herzlich Herrn Oberstleutnant Scharfenberg mit seinen Mitstreitern willkommen. Auch Herrn Clements, unseren Verbindungsmann zu den amerikanischen Freunden in Wiesbaden – wenn ich das so sagen darf –, begrüße ich herzlich.

Herr Frömmrich hat die Frage gestellt, warum wir wieder einmal über die Bundeswehr und über die Debatten reden, die wir schon häufig geführt haben. Herr Frömmrich, ich finde, man kann das gar nicht oft genug machen. Das hat etwas damit zu tun, dass es keinen besseren Platz gibt als ein deutsches Parlament – damit ist nicht nur der Deutsche Bundestag gemeint, sondern angesprochen sind auch die Parlamente in den Ländern –, um die unterschiedlichen Positionen in der für uns existenziell wichtigen Frage zu diskutieren: die Frage der Solidarität sowie des Bekenntnisses zur Bundeswehr und übrigens auch zu unseren Freunden in der NATO. Auf der Tribüne sitzt eine ganze Reihe von jungen Menschen, die ein Anrecht darauf haben, nicht nur diese Positionen zu kennen, sondern auch zu wissen, wohin die Debatten in diesem Hause, aber gerade auch außerhalb dieses Hauses führen.

Herr Präsident, ich weiß nicht, ob ich das Plakat hochhalten darf. Aber einer der Gründe, warum wir wieder einmal über die unsäglichen Positionen der LINKEN diskutieren – einer Partei, die nach meiner festen Überzeugung in vielen Bereichen und gerade auch dort nicht auf dem Boden der Verfassung steht –, ist das Plakat, das sie im Rahmen einer Aktion zum Hessentag veröffentlicht haben.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber der Hessentag war doch vor der Sommerpause!)

Herr Al-Wazir, ich bin mir nicht sicher, ob alle es gesehen haben. Vielleicht haben sie es gesehen und nur ignoriert.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Welche Namen stehen denn darunter?)

Auf diesem Plakat werden die Angehörigen eines gefallenen Soldaten gezeigt. Herr van Ooyen, ich stelle mir die Frage, was Sie sich dabei denken, wenn Sie den Tod eines Bundeswehrsoldaten in Afghanistan und das Leid seiner Angehörigen politisch ausnutzen, indem Sie unter dieses Bild schreiben lassen: „Kein Werben fürs Sterben“? Was, glauben Sie, geht in den Köpfen der Angehörigen von gefallenen Soldaten vor, die so etwas lesen?

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Schlimm!)

Herr van Ooyen, ich möchte einen Satz aus Ihrer Rede aufgreifen. Sie haben wiederholt versucht, mithilfe der Sprache ein Bild zu stellen, das nicht nur falsch, sondern sogar unsäglich ist. Sie haben von einem Krieg gegen Afghanistan gesprochen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Genau!)

Meine lieben Freundinnen und Freunde im hessischen Parlament, keine der demokratischen Parteien führt ei

nen Krieg gegen Afghanistan. Wir führen einen Krieg gegen Terroristen,

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD)

die nicht nur in der westlichen Welt, sondern auch in ihrem eigenen Land Unheil und Schrecken verbreiten. Gott sei Dank ist hier von einigen Rednern, auch von Herrn Kollegen Roth, auf diesen Schrecken und auf das Unheil, das dort angerichtet wird, hingewiesen worden.

Aber dieser Antrag der LINKEN und Ihre Rede sind am Ende auch eine Diskreditierung und Beleidigung aller Parlamentarier in Deutschland. Sie haben eben einen Satz gesagt – ich werde das im Protokoll nachlesen; ich denke, andere werden das ebenfalls machen –, den offensichtlich einige Vertreter der GRÜNEN und der Sozialdemokraten nicht mitbekommen haben, oder sie haben das wieder einmal ignoriert. Sie haben die Frage gestellt, wie viele Menschenleben uns diese Investition eigentlich wert ist. Davor haben Sie von Rüstungsaktivitäten, Handelsaktivitäten und anderem gesprochen.

Herr van Ooyen, wollen Sie den Abgeordneten der demokratisch legitimierten Parteien im Deutschen Bundestag unterstellen, dass sie Soldaten nach Afghanistan schicken aus Gründen, die etwas mit den Investitionen und den Handelsaktivitäten der Bundesrepublik Deutschland zu tun haben? Herr van Ooyen, ich sage Ihnen: Diese Unterstellung ist schäbig, charakterlos und am Ende auch würdelos.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da wir, wenn wir über die Bundeswehr diskutieren, häufig auch über die mit uns befreundeten NATO-Partner sprechen, will ich die Frage stellen: Herr van Ooyen, wo waren Sie eigentlich in der Zeit des Kalten Krieges? Wo waren Sie, als der Warschauer Pakt so sehr aufgerüstet hat, dass wir in Deutschland schwierige politische Prozesse durchlaufen und schwierige Entscheidungen fällen mussten?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ich konnte es leider nicht verhindern!)

Ich erinnere mich an 500.000 zu Recht friedensbewegte Demonstranten, die eines nicht erkannt haben, nämlich dass der Aufrüstung im Osten ein Riegel vorgeschoben werden musste.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die waren blöd, oder was?)

Herr van Ooyen, dieser Riegel hat am Ende dazu geführt, dass wir heute ein vereintes Deutschland und ein vereintes Europa in Frieden und Freiheit erleben dürfen. Übrigens ist das auch die Grundlage, auf der Sie hier arbeiten, d. h. die Anträge und die Diskussionsbeiträge formulieren, die Sie glauben liefern zu müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles vollzieht sich auf dem Boden der Verfassung.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es! Ohne Wiedervereinigung keine Linkspartei!)

Herr Al-Wazir, das alles vollzieht sich auf dem Boden der Verfassung. Zur Linkspartei fällt mir noch ein – ich wiederhole das, weil wir vor wenigen Wochen schon einmal darüber diskutiert haben und gerade auch die jüngeren Menschen das erfahren müssen –: Herr van Ooyen,

der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, war Geschäftsführer der sogenannten Deutschen Friedensunion,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die hieß so!)

die von Erich Honecker und dem Politbüro finanziert worden ist. Herr van Ooyen, wenn ich mit gleicher Münze zurückzahlen wollte, könnte ich jetzt auf die Idee kommen, zu sagen: Herr Honecker hat Ihr Schweigen während des Kalten Krieges erkauft.

Ich habe Sie nicht ein einziges Mal auf der Straße gegen die Aufrüstung im Osten demonstrieren sehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ja, die Afghanistaneinsätze haben Menschenleben gekostet. In Afghanistan sind mittlerweile 52 deutsche Soldatinnen und Soldaten gefallen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Zehntausende von Afghanen!)

Herr van Ooyen, ich weiß nicht, ob Sie jemals bei einer Trauerfeier zugegen waren. Aber ich will mich jetzt nicht weiter an Ihnen abarbeiten.

(Zuruf von der SPD: Lassen Sie es!)

Vielmehr will ich deutlich sagen: Ich glaube, dass verschiedene Redner heute hier ihre Solidarität, ihr Bekenntnis dazu, aber auch ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht haben. Mittlerweile sind 315.000 Soldaten der Bundeswehr im Ausland gewesen. Allein 100.000 waren in Afghanistan. Diese Zahl bedeutet, dass im Grunde genommen jeder Angehörige der Bundeswehr in irgendeiner Form am eigenen Leib erfahren hat, worüber wir hier reden.

Wir reden natürlich in dem Zusammenhang auch über die Frage – jetzt komme ich zu dem zweiten Punkt der Debatte –: Was ist notwendig, um die Bundeswehr im Rahmen der internationalen Sicherheitspolitik so aufzustellen, dass sie ihre zukünftigen Aufträge erfüllen kann? Ich will keine – so haben Sie es ausgedrückt – Entmilitarisierung. Das ist eine Terminologie, mit der im Grunde genommen suggeriert werden soll,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das steht in der Verfassung!)

dass die Bundeswehr eine – wie Sie es sagen – „Aggressions- und Interventionsarmee“ in Hessen ist. Wir wollen, dass die Bundeswehr, die den Auftrag hat, für Frieden, Freiheit und Rechtstaatlichkeit zu sorgen, auch und gerade in Hessen, also mitten in Europa, präsent bleibt.

Den Kolleginnen und Kollegen, die das so wie ich und die übrigen Mitglieder der Landesregierung sehen, darf ich sagen: Es gibt viele Gelegenheiten, bei denen wir, der Herr Ministerpräsident, der Kollege Wintermeyer und ich selbst, uns auch im Sinne der Bundeswehr für die Interessen unseres Landes verwenden.

Seien Sie sicher, dass wir dort nicht nur über die Standorte reden, sondern auch über die Strukturen und darüber, dass uns die Bundeswehr und allen voran die amerikanischen Freunde in Hessen willkommen seien. Seien Sie auch sicher, dass wir darauf hinweisen, dass die Stationierungsentwicklung der Bundeswehr in der Vergangenheit dafür gesorgt hat, dass Hessen da ein wenig unterpräsentiert und -repräsentiert ist, und dass wir dafür sorgen wollen, dass sich das nicht weiter in eine solche, sondern in eine andere Richtung entwickelt.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich abschließend aber auch einige Bemerkungen zu der Fraktion der Sozialdemokraten machen. Herr Roth, Sie haben hier völlig zu Recht, wie ich finde, eine sachgemäße Debatte gefordert und dazu durchaus einen wichtigen Beitrag geleistet. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnete, aber vielleicht gibt es keine Zufälle. Wir reden in dieser Woche über die Bundeswehr und ihre Zukunft, in einer Woche, in der es am Samstag einen Parteitag der Sozialdemokraten geben wird. Auf diesem – –

(Günter Rudolph (SPD): Das wird ein guter Parteitag!)

Ich freue mich über Ihre Vorfreude.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, so ist das!)

Ich bin aber gespannt, ob Ihr Parteitag gut wird; denn ein Punkt, über den wir heute diskutieren, wird auch auf Ihrem Parteitag Gegenstand von Anträgen sein. Die Jungsozialisten haben einen Antrag eingereicht, den sie mit der Überschrift versehen haben: „Schluss mit den Kriegsspielen – Bundeswehr raus aus Bildungseinrichtungen!“ Schon allein mit dieser Überschrift sind sie, wie ich finde, zumindest, was die Sprache anbelangt, sehr nahe bei den LINKEN.

(Demonstrativer Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Zuruf von der CDU: So ist es!)