Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Wir müssen uns auch in Europa daran gewöhnen – offensichtlich ist es ein etwas schwieriger Prozess, der eben auch mit der Zwischenfrage des Kollegen Schäfer-Gümbel verbunden war –, ich möchte auch, dass wir uns in Europa endlich daran gewöhnen, dass keine Entscheidung heilig ist, sondern dass wir in Europa genauso wie in der Bundesrepublik Deutschland drei Säulen der Demokratie haben. Das ist die erste Gewalt, das Parlament, die zweite Gewalt ist die Landesregierung, die Exekutive, und die dritte Gewalt ist die unabhängige – ich sage bewusst: die unabhängige – Justiz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin schon sehr verwundert darüber, wenn der Oppositionsführer dieses Hauses fragt, ob es in den Augen der Koalitionsfraktionen ein Gedanke ist, dass die Europäische Zentralbank sich einer gerichtlichen Überprüfung stellen muss. Verehrter Herr Kollege Schäfer-Gümbel, wir leben in einem Rechtsstaat, und Rechtsstaat ist auch Europa. Ich will auch, dass es ein gelebter Rechtsstaat Europa ist.

(Lebhafter Beifall bei der FDP – Beifall bei Abge- ordneten der CDU)

Ich möchte nicht, dass auf einmal auf dieser Ebene mit einem anderen Maß gemessen wird als bei uns. Wir sind doch stolz darauf, dass wir ein Rechtsstaat sind. Wir exportieren ihn in andere Länder, wir werden nachgefragt beim Justizaufbau in der Mongolei und in Vietnam. Das sind nur zwei Beispiele, die von dieser Landesregierung gemeinsam mit Frau Weber-Hassemer in den letzten Monaten erheblich intensiviert worden sind. Kollegen waren sowohl mit in Vietnam als auch in der Mongolei.

Ich möchte, dass der Rechtsstaat auch in Europa gilt. Wenn wir diese drei Maximen zur Grundlage der Entscheidung machen – deshalb vielen Dank, Lothar Quanz, dass Sie es gerade noch einmal angesprochen haben, dass wir uns nicht nur mit den alltäglichen Spiegelstrichen auseinandersetzen, sondern dass wir die Dimensionen weiterhin wissen –, dann müssen wir uns trotzdem an die Arbeit machen und müssen die konkreten Fragen beantworten, die derzeit auf der Tagesordnung stehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Erfurth, ich weiß, Sie hatten den Arbeitsauftrag „FDP-Bashing“. Diesen Kampfauftrag haben Sie erfüllt.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber das hat wenig mit der Debatte zu tun.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Debatte ist unter dem Thema „Stabilitätspakt in Europa“ eingesetzt worden. Wir von der FDP-Fraktion hät

ten es vielleicht noch präziser formulieren können. Wir hätten sagen können: Ergebnisse des Rates vom 9. und 10. Dezember 2011. – Das war heute auf der Tagesordnung, aber Sie merken, wir sind bereit und in der Lage, unverzüglich auf die grundsätzlichen Fragen einzugehen, und das mit einem erkennbar notwendigen Engagement und mit Empathie.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Hause haben wir mehrfach Diskussionen über die Stabilität Europas und des Euros geführt. Ich kann mich daran erinnern, dass auf Aussagen von uns, von der Landesregierung, von den sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP, dass es eine Schuldenbremse geben muss, dass derzeit ein Eurobond auf europäischer Ebene nicht sinnvoll ist, dass die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gerettet und erhalten werden muss – ich sage bewusst: gerettet und erhalten werden muss –, geantwortet wurde: Ihr erzählt irgendetwas, was ihr in Europa nie umsetzen werdet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Ziele auf dem Europäischen Rat in der vergangenen Woche 1 : 1 umgesetzt. Dafür gehört ihr der ausdrückliche Dank dieses Hauses.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Sie hat es geschafft, dass die Unkenrufe verstummten, die noch am Tag vorher zu lesen waren – nicht nur in deutschen Zeitungen, sondern insbesondere in den Zeitungen anderer europäischer Länder –, dass es möglicherweise ein Europa der „17 plus 1“ geben würde. Sie hat es geschafft, dass es jetzt ein Europa der „27 minus 2“ – das sage ich sehr bewusst so – gibt. Hätte jemand in diesem Raum vor zehn Tagen gedacht, dass sich alle Regierungen – mit der Ausnahme von Großbritannien und der Tschechischen Republik – auf dieses Konzept verabreden würden? Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Das zeigt, dass in Europa nunmehr das Bewusstsein gewachsen ist, dass man – wohl wissend, warum man das überhaupt macht, dass die Menschen nämlich in Freiheit und Frieden leben können – konkrete Maßnahmen ergreifen und durchführen muss. Dazu meine ganz herzliche Gratulation an die Bundeskanzlerin und auch an den Präsidenten der Französischen Republik. Eine so enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich hat es in den Zeiten rot-grüner Verantwortung in Berlin nicht mehr gegeben. Diese Zusammenarbeit ist aber die Grundlage für den Erfolg Europas.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich Folgendes deutlich sagen, weil auch das ein Teil der Debatte war. In Europa darf es kein CherryPicking geben. Wir sind eine Gemeinschaft. Wir sind ein Team. Für alle gelten die gleichen Regeln. Daher kann es nicht sein, dass ein Land – das die Tradition hat, dass es sein Cherry-Picking sogar noch belohnt bekommt – wieder meinte, es müsse eine besondere Rolle spielen. Ich sage das als Europaminister des Landes Hessen deshalb so deutlich, weil Großbritannien an einem Punkt einen Vorteil haben möchte, der die Folge hätte, dass unser Finanzplatz Frankfurt am Main erheblich geschädigt würde. Das darf ich nicht zulassen, das werde ich nicht zulassen, und das werde ich immer wieder ansprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Das Ziel der Europapolitik dieser Landesregierung ist, dass wir einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsraum auf der Grundlage solider Staatsfinanzen, stabiler Währungen, dynamischer Entwicklung und sozialer Sicherheit der Menschen in Europa haben. Wenn wir uns auf diese vier Maxime verabreden können, dann wird es relativ einfach, die Detailfragen gemeinsam zu lösen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Hahn. – Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt.

Wir überweisen alle Anträge an den Europaausschuss, federführend, und an den Haushaltsausschuss, mitberatend.

Bevor wir in die Mittagspause eintreten, möchte ich Sie auf die in der Mittagspause stattfindende Veranstaltung hinweisen. In der Eingangshalle des Plenargebäudes findet ein vorweihnachtliches Chorkonzert der Chöre der Gutenberg Realschule in Eltville statt. Die Gutenberg Realschule hat 2005 einen Schwerpunkt im Fach Musik gebildet. Zurzeit werden an der Gutenberg Realschule rund 140 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 5 und fast 150 Kinder der Jahrgangsstufen 6 und 7 in fünf Gesangsklassen unterrichtet. Dazu kommen zwei Chöre der Jahrgangsstufe 8, außerdem 16 Stimmbildungsgruppen. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Gelegenheit fänden, an dieser Aufführung teilzunehmen.

Wir treten in die Mittagspause ein. Um 14:15 Uhr geht es hier weiter. Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung von 13:15 bis 14:17 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

a) Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012) – Drucks. 18/5051 zu Drucks. 18/4670 zu Drucks. 18/4400 –

b) Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Finanzausgleichsänderungsgesetz 2012 – Drucks. 18/5052 neu zu Drucks. 18/4671 zu Drucks. 18/4401 –

c) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Landesregierung betreffend Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2011 bis 2015 – Drucks. 18/5053 zu Drucks. 18/4421 –

Berichterstatter ist jeweils der Abg. Decker. Herr Decker, Sie haben das Wort zur Berichterstattung.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen in aller Kürze den zweiten Bericht des Haushaltsausschusses geben. Der Haushaltsausschuss hat sich am 7. Dezember abschließend damit befasst. Ich erspare es mir jetzt, die gesamten Änderungsanträge vorzulesen. Es ist exakt so, wie es hier dargestellt ist. Ich darf Ih

nen zunächst die Beschlussempfehlung zur Feststellung des Haushaltsplans – Haushaltsgesetz 2012 – vortragen:

Der Haushaltsausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN, den Gesetzentwurf in der Fassung der zweiten Lesung mit folgender Änderung – die sich daraus ergebende Fassung ist der Beschlussempfehlung als Anlage beigefügt – in dritter Lesung anzunehmen:

In § 1 wird die Angabe „29.586.602.300 €“ durch die Angabe „29.732.702.300 €“ ersetzt.

Die Abstimmungsergebnisse sämtlicher Änderungsanträge befinden sich ebenfalls in der Anlage.

Ich darf Ihnen auch den Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Gesetzentwurf für ein Finanzausgleichsänderungsgesetz 2012 geben. Hier lautet die Beschlussempfehlung:

Der Haushaltsausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU und der FDP in dritter Lesung anzunehmen.

Last, but not least folgt noch die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Finanzplan für die Jahre 2011 bis 2015:

Der Haushaltsausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN, den Finanzplan zur Kenntnis zu nehmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Decker, schönen Dank für die Berichterstattung. – Bei der dritten Lesung ist eine Redezeit von 15 Minuten pro Fraktion vorgesehen. Es wurde vereinbart, dass die SPD-Fraktion beginnt. Deshalb erteile ich Herrn Schmitt für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Finanzminister, unter Haushältern gilt der Grundsatz: Haushalte werden in guten Jahren ruiniert. – Jetzt kann man darüber streiten, ob dieses Jahr ein gutes Jahr ist. Zumindest die Steuereinnahmen sprudeln in diesem Jahr, und auch der Ausblick auf das Jahr 2012 ist gut.

Was den Grundsatz „Haushalte werden in guten Jahren ruiniert“ betrifft, muss man der CDU in Hessen – die FDP hat durchaus mitgeholfen – eines lassen: Sie haben es geschafft, Haushalte in guten, in schlechten und auch in den dazwischen liegenden Jahren zu ruinieren. Sonst hätten sich die Schulden in den zwölf Haushaltsjahren, die Sie mittlerweile zu verantworten haben, nicht verdoppeln können.

Wo andere 50 Jahre lang gebraucht haben, Schulden in Höhe von 20 Milliarden € anzuhäufen, ist es Ihnen gelungen, in zwölf Haushaltsjahren weitere 20 hinzuzupacken.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Bei Ihnen haben sich die Schulden vervierfacht!)

Herr Kollege Milde, leider ist der Haushaltsplanentwurf 2012 kein Bruch mit dieser Verschuldenslogik, sondern die Fortsetzung unverantwortlicher Schuldenpolitik. Der Haushaltsplanentwurf 2012 ist auch mit den angenommenen Änderungsanträgen nach der zweiten Lesung nicht wesentlich besser geworden.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Es hat Verbesserungen gegeben!)

Herr Kollege Milde, er hat an zwei Stellen, das gebe ich zu, Verbesserungen erfahren. Er hat wenigstens teilweise die unsägliche Kürzung bei den Referendarstellen der Lehrer zurückgenommen, und es wurden etwas mehr Mittel – allerdings nicht in Höhe des erforderlichen Bedarfs, eigentlich sind die Erhöhungen sogar fast lächerlich – für die Energiewende bereitgestellt.