Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Herr Kollege Milde, er hat an zwei Stellen, das gebe ich zu, Verbesserungen erfahren. Er hat wenigstens teilweise die unsägliche Kürzung bei den Referendarstellen der Lehrer zurückgenommen, und es wurden etwas mehr Mittel – allerdings nicht in Höhe des erforderlichen Bedarfs, eigentlich sind die Erhöhungen sogar fast lächerlich – für die Energiewende bereitgestellt.

Wir werden uns heute Abend noch einmal mit Ministerin Puttrich sehr gewissenhaft darüber auseinandersetzen, ob ihre Behauptung richtig ist, dass insgesamt 80 Millionen € bereitstehen. Das wird eine schöne Debatte, aber darauf will ich jetzt gar nicht mehr eingehen. Auf jeden Fall hat es mit den Änderungsanträgen von CDU und FDP leichte Verbesserungen gegeben, aber sie bleiben natürlich weit hinter dem erforderlichen Bedarf für eine wirklich energische und engagierte Energiewende.

(Beifall bei der SPD)

Sie glauben sicherlich auch nicht – das wäre die Überraschung des Tages –, dass wir der Meinung wären, dass mit der Annahme dieser Änderungsanträge dann auch eine Zustimmungsfähigkeit hergestellt worden sei; denn an den sehr schlechten Grunddaten des Haushaltsplanentwurfs 2012 hat sich nichts geändert. Der Haushaltsplanentwurf hat mit 1,54 Milliarden € eine viel zu hohe Nettoneuverschuldung. Sie ist deutlich höher als die Landesinvestitionen, und der Haushaltsplanentwurf ist damit verfassungswidrig. Er verstößt gegen Art. 141 der Hessischen Verfassung. Um dies zu beschönigen, argumentiert der Finanzminister seit der Einbringung immer damit, dass die Nettoneuverschuldung 2012, also im anstehenden Haushaltsplanentwurf, den wir heute in dritter Lesung verabschieden sollen, im Vergleich zu 2011 um 730 Millionen € geringer sei. Die Botschaft an die Öffentlichkeit und an Sie alle lautet also: Wir sind auf dem richtigen Weg. Es ist alles gut. Die Richtung stimmt, weil die Nettoneuverschuldung 2012 730 Millionen € niedriger ist als im Jahr 2011.

(René Rock (FDP): Sehr anständig!)

„Sehr anständig“. Herr Kollege Rock, das Problem ist nur, dass diese Argumentation von Woche zu Woche zusammenbricht. Es ist sogar nicht auszuschließen, dass der vorläufige Haushaltsabschluss 2011 eine Nettoneuverschuldung vorzuweisen hat, die geringer ist als der Haushaltsplanentwurf 2012. Das hat natürlich mit guten Steuereinnahmen in diesem Jahr zu tun.

Der Minister möchte derzeit die Zahlen nicht herausrücken. Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch mit einer gewissen Unsicherheit verbunden; das gebe ich zu. Er will das Neujahrsskispringen abwarten.

(Reinhard Kahl (SPD): Was?)

Ich hoffe, Sie wollen nicht mitspringen. Da wäre ich einmal auf die Haltungsnoten gespannt.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): V-Stil!)

„V-Stil“, ich weiß nicht. Eine harte Landung hat der Minister aber bereits hinter sich.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Tommy the Eagle!)

Das wäre aber Thomas Eagle.

Meine Damen und Herren, mit einer Steigerung der konsumtiven Ausgaben – da hört der Spaß bei mir ein bisschen auf – in Höhe von 5,6 % hat der Finanzminister die eigene Koalitionsvereinbarung weit verfehlt. In seinem Haushaltsaufstellungserlass vom 11. Februar hieß es – ich zitiere wörtlich –:

Bei allen Planungen ist die Vorgabe des Koalitionsvertrages, das Wachstum der konsumtiven Ausgaben auf maximal 0,5 % zu begrenzen, zwingend einzuhalten.

Das steht auf Seite 2 des Haushaltsaufstellungserlasses. – Meine Damen und Herren, herausgekommen ist das Zehnfache. Anstelle eines Anstiegs von 20 Millionen €, das wären 0,5 %, sollen die konsumtiven Ausgaben nun um 220 Millionen € steigen. Das ist eine Steigerung von 5,6 %. Das ist nicht meine Zahl – Herr Finanzminister, ich glaube, Sie werden es nicht bestreiten –, es ist die Zahl der Eckpunkte. Sie finden es auch auf Seite 46 des Finanzplans. Da heißt es bei den konsumtiven Ausgaben 2012: 4.300 Millionen €, plus 5,6 %. Die eigene Vorgabe liegt, wie gesagt, bei 0,5 %. Es ist irgendwie wie bei seinem Vorgänger: Am Ende ist immer weiche Welle angesagt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ein Finanzminister, der den Wünschen keine klare Kante entgegensetzt, ist zum Scheitern verurteilt.

(Beifall bei der SPD)

Finanzminister Dr. Schäfer ist schon mit seinem zweiten von ihm eingebrachten und zu verantwortenden Haushalt gescheitert. Er hat seine eigenen Vorgaben – das habe ich eben vorgetragen – atomisiert und bei den Ausgaben maßlos überzogen. Die Ministerkollegen und vor allem die Haushaltsverantwortlichen in den Häusern biegen sich doch schon jetzt vor Lachen, wenn der Haushaltsentwurf 2013 auf den Tisch kommt und sie diesen in die Hände bekommen. Sie wissen doch schon jetzt, dass er nichts taugt und beliebig ist. – Ich meine den Haushaltsaufstellungsentwurf. Falls Sie jetzt andere Schlussfolgerungen ziehen, waren die nicht beabsichtigt.

In der Tat: Wenn ein Minister Vorgaben macht und diese um das Zehnfache überschritten werden – 20 Millionen € sollten rauskommen; 220 Millionen € sind nur an dieser Stelle herausgekommen –, dann muss etwas nicht stimmen. Entweder war dann schon der Haushaltsaufstellungserlass Makulatur, aber das war dann auch schon die Koalitionsvereinbarung, oder Sie haben es nicht hinbekommen, Herr Minister. Es hätte Alternativen gegeben, hier einen verfassungsgemäßen Haushaltsplanentwurf vorzulegen und zu beschließen, und es hätte Alternativen gegeben, wichtige politische Impulse zu setzen.

Die SPD hat nach der zweiten Lesung mit ihren Anträgen zur dritten Lesung deutlich gemacht, wo und wie man sinnvoll sparen kann, die Einnahmen erhöht und wie eine verantwortungsvolle Politikgestaltung aussehen könnte. CDU und FDP haben alle unsere Anträge abgelehnt. Meine Damen und Herren, Sie haben Anträge abgelehnt, wie den, der die Erhöhung der Mittel für das Netzwerk gegen Gewalt forderte. Wir wollten dort eine Steigerung von 136.000 € haben,

(Günter Rudolph (SPD): Genau!)

um der zunehmenden Gewaltbereitschaft rechtsextremer Täter begegnen zu können.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Die Antwort von CDU und FDP war: Nein. CDU und FDP haben all unsere Anträge für die Verbesserung der Schul- und Hochschulsituation abgelehnt. Auch die Mittel für die Umsetzung der Inklusion, ein Feld, das uns in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen wird und wozu es auch internationale Vorgaben gibt, wurden abgelehnt, wie die Mittel zur Stärkung der frühkindlichen Bildung, der besseren Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und Kindergärten. Vor allem haben Sie dazu Nein gesagt, dass wir mit den Schuleingangsklassen dazu beitragen, dass Kinder individuell besser gefördert werden.

Sie haben Nein gesagt zu mehr Schulsozialarbeit, und Sie haben Nein gesagt zu mehr Ganztagsschulen. Da brauchen Sie sich natürlich auch nicht zu wundern, dass Hessen auch in diesem Bereich hinterherhängt. Gerade im Bereich der Ganztagsschulen wären mehr Mittel dringend notwendig gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin kein Fachpolitiker für den Hochschulbereich, aber natürlich interessierter Bürger. Sie haben Mittel für ein Sofortprogramm Hochschule abgelehnt. Ich glaube, es ist mittlerweile, nachdem sozusagen ein dreifacher Druck auf den Hochschulen lastet, am wichtigsten, dass wir dort etwas verbessern. Und es ist wichtig, dass wir die Hochschulen stärken. Auch da haben Sie Nein gesagt.

Sie haben Mittel für die Bekämpfung von Armut in Hessen abgelehnt. Sie haben Mittel für mehr Chancengleichheit für Frauen – übrigens auch nach der Familienphase – abgelehnt sowie Mittel für bessere Integration. All das sind übrigens Mittel, die wir im Haushalt bis zum Jahr 2002 hatten. Dann haben Sie diese Mittel gestrichen. Sie waren nicht bereit, diese Mittel jetzt wieder einzustellen. Sie haben auch unsere Anträge für ein Infrastrukturprogramm abgelehnt.

(Torsten Warnecke (SPD): Oh!)

Ja, wer hat „Oh“ gesagt? – Ja, Kollege Warnecke, das ist wirklich bedauerlich. Denn gerade in dem Bereich Infrastruktur – da werden die GRÜNEN zwar sagen, das sei Quatsch – haben wir weiterhin einen Bedarf an Straßenbaumaßnahmen. Das ist so. Das müssen wir nüchtern feststellen.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es! Ich muss ja erst zum Bahnhof kommen!)

Das ist sowohl bei Radwegen als auch bei vielen Landesstraßen so. Wer über Landesstraßen tuckert, der wird sich manchmal über den Zustand dieser Straßen wirklich wundern.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen gehört das auch in diesem Bereich dazu. Dazu bekennen wir uns als SPD.

Es wurden Anträge abgelehnt, die eine Energiewende eingeleitet und unterstützt hätten. Hätten Sie die Anträge der SPD angenommen, dann hätte die Ministerin Puttrich gestern zu Recht sagen können – vielleicht hat sie das so gemeint –: „Wir stellen 80 Millionen € bereit“. Aber Sie haben die entsprechenden Anträge abgelehnt.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben dazu natürlich auch eine Gegenfinanzierung vorgelegt. Denn das gehört auch dazu. Ich warte schon die ganze Zeit verzweifelt auf die Zwischenrufe, damit ich das auch noch einmal unterbringen kann, wie denn unsere Gegenfinanzierung aussieht. Ich weiß, warum da jetzt keine Zwischenrufe kommen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Kollege Milde, ich weiß, warum an dieser Stelle keine Zwischenrufe kommen. Denn Sie wissen, dass wir es uns an dieser Stelle als Opposition nicht leicht gemacht haben. Eine Stellenbesetzungssperre für Ministerien und Verwaltungen auszubringen ist nicht sehr bequem. Aber wenn Sie selbst festgestellt haben, dass die hessische Landesverwaltung zu 190 Millionen € überbesetzt ist, dann, so finde ich, muss man diesen Schritt gehen, der sicherlich nicht bequem ist. Allein dadurch hätte man rund 31 Millionen € mehr bereitstellen können. Man hätte damit entweder die Nettoneuverschuldung senken oder andere Politik machen können. Die Ministerien in Hessen sind völlig überbesetzt. Das ist in den letzten zwölf Regierungsjahren geschehen, und das muss zurückgedrängt werden. Das ist ein ganz wichtiger Bereich.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt einen weiteren Bereich, da hätte ich jetzt gedacht, dass uns zumindest die FDP zustimmt. Denn die FDP hat immer gesagt, bei den sächlichen Verwaltungsaufgaben müssten wir etwas tun. Das war auch ihre Aussage im Wahlkampf. Das kommt von der FDP. Wir haben einen Antrag gestellt, der eine Reduzierung, ein Einfrieren der Mittel bedeutet. Da war eine Reduzierung um 65 Millionen € beantragt. Leider hat nicht einmal die FDP zugestimmt. Deswegen hat der Antrag keine Mehrheit gefunden. Aber er war eigentlich die Umsetzung Ihrer Koalitionsvereinbarung.

Kollege Kaufmann, ich habe noch zwei Minuten, die ich auch noch ausschöpfen wollte.

(Zuruf von der SPD: Jawohl!)

Wir haben Kürzungen durch einen Ausstieg des Landes bei der European Business School dargestellt. Da sieht man jeden Tag, wie richtig ein Ausstieg wäre. Auch das haben Sie abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und wir haben aufgezeigt, wie es zu Einnahmeverbesserungen kommen könnte.

(Zuruf von der CDU: Ja?)

Ja, natürlich. Nämlich durch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf ein Niveau, das in anderen Ländern mittlerweile auch erreicht worden ist, oder auch durch einen Kühlwasser-Cent. Das ist nicht unwichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)