Protokoll der Sitzung vom 01.02.2012

Es hat dann zehn Monate gedauert, bis Sie aus dem Eckpunktepapier einen Gesetzentwurf gemacht haben. Dieser Gesetzentwurf hat in Teilen Placebocharakter. Er löst nicht die Probleme, sondern schiebt sie auf die lange Bank. Er reguliert nicht den Markt und wird den Anforderungen, die der EuGH für den Glücksspielbereich vorgibt, nicht gerecht. Er löst die Probleme der Kommunen überhaupt nicht.

Herr Innenminister, ich weiß ja, dass Sie es besser wissen. Sie wissen um die Probleme, die wir in diesem Bereich haben. Sie waren Ordnungsdezernent der Stadt Frankfurt. Wenn man Ordnungsdezernent der Stadt Frankfurt gewesen ist, dann weiß man, wie sich Städte verändern, dann weiß man, was man für Probleme an diesen Standorten mit Begleitkriminalität, mit Lärm, mit Belästigungen von Anwohnerinnen und Anwohnern hat.

Wir haben es damit zu tun, dass diese Dinger wie Pilze aus dem Boden schießen, dass sie das Stadtbild verändern.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Wir haben es damit zu tun, dass die Stadtbilder verändert werden. Wir haben einen Verdrängungswettbewerb. Die alteingesessenen Einzelhändler, die viele Jahre ihre Geschäfte dort betrieben haben, werden verdrängt, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen können. Wir haben eine Veränderung der Wohnquartiere.

Herr Innenminister, wenn man dieses Problem in der Analyse erkennt, dann kann man doch nicht allen Ernstes einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine 15-jährige Übergangsfrist festschreibt. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Minister Boris Rhein: Das ist auch nicht so!)

Außerdem – das wollen wir auch feststellen – ist von den ersten Überlegungen, die Sie angestellt haben, bis zu dem Gesetzentwurf, den Sie jetzt vorgelegt haben, einiges passiert. Beim ersten Entwurf – ich nenne es einmal Zwischenstand –, den Sie vorgelegt haben, haben Sie auch noch gesagt, Sie wollen die Hallen acht Stunden lang schließen. Aus den acht Stunden sind jetzt sechs Stunden geworden. Wie kam es zu dieser Änderung?

Sie haben, was die Schließzeiten angeht, Änderungen. Sie sind bei der Abstandsregelung zurückgefallen. Sie haben im ersten Entwurf, der in Ihrem Hause kursierte, noch 500 m gehabt. Jetzt sind Sie bei 300 m. Wie ist das gekommen? Sie haben keine Beschränkung der Zahl der Automaten mehr im Gesetz. Sie haben – die Kollegen haben es schon angesprochen – die Abstandsregelung zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, also zu Kindergärten, Schulen, Jugendhäusern und anderem, nicht angesprochen. – Da hat sich doch einiges verändert.

Herr Innenminister, ich will es Ihnen gar nicht zum Vorwurf machen. Ich weiß, wo es passiert ist. Das ist passiert, weil die FDP sich an diesem Punkt durchgesetzt hat und als Vereinigung, die dem Lobbyismus frönt und bei der die Automatenaufsteller vorstellig waren, den Versuch unternommen hat, hier zu retten, was zu retten ist.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, Herr Innenminister, hier sind wir uns wahrscheinlich auch einig. Am liebsten hätte ich es gehabt, dass wir im Staatsvertrag der Bundesländer eine Regelung treffen, die diesen Bereich reguliert. Dann müss ten wir auch nicht in 16 Landesparlamenten darüber diskutieren, wie man es macht. Dann müssten sich auch nicht Unternehmer, die an Landesgrenzen wohnen und solche Hallen betreiben, mit verschiedenen Gesetzen herumschlagen. Im Übrigen würden Sie auch das Problem der kohärenten Regelungen beheben, das der EuGH kritisiert hat. Das tun Sie alles nicht.

Wir werden über den Glücksspielstaatsvertrag Probleme bekommen. Sie machen wieder das Gleiche, was Ihnen seinerzeit vorgeworfen wurde. Auf der einen Seite erhalten Sie ein Monopol bei Toto und Lotto, bekanntermaßen wenig suchtgefährdend, und auf der anderen Seite geben Sie da, wo es wirklich um Sucht geht, den Wettbewerb frei. Das sind Bereiche wie z. B. das Automatenspiel.

Herr Kollege Frömmrich, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Das ist ausdrücklich im Urteil des EuGH erwähnt worden. Diesen Bereich überlassen Sie dem freien Markt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist das, was Sie vorlegen, sehr problematisch. Ich kündige aber für meine Fraktion an, wir werden Ihr Gesprächsangebot natürlich aufnehmen. Ich glaube, dass man in der Anhörung schauen kann, was die Übergangsfristen angeht, was Abstandsregelungen und Schließzeiten angeht. Ich bin sehr gespannt, was die Experten dazu sagen. Ich bin auch sehr gespannt, was sie zu Ihren 15 Jahren sagen.

Dafür sind Anhörungen da. Es gilt der alte Spruch von Struck: Gesetze kommen aus dem Parlament nicht so heraus, wie sie hineingegangen sind. – Hier sind wir gesprächsoffen. Aber das bedeutet auch, dass Sie, Herr Innenminister, sich bewegen müssen, dass Sie sich endlich befreien müssen vom parlamentarischen Arm der Automatenlobby.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Hermann Schaus (DIE LINKE): Außerparlamentarischer Arm!)

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Das Wort hat nun Herr Kollege Schaus für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor fast einem Jahr kündigte Innenminister Boris Rhein im Rahmen des Kommunalwahlkampfes einen Gesetzentwurf für ein hessisches Spielhallengesetz an. Fast ein Jahr haben Sie sich nun mit dem Problem der Spielhalle beschäftigt, Herr Minister. Herausgekommen ist – das haben meine Vorredner schon deutlich gemacht – ein halbherziger Entwurf, der weit hinter den Ankündigungen von damals zurückbleibt und zudem neue Probleme in den Kommunen schaffen wird.

Das, was Sie Anfang 2011 öffentlich dargestellt haben, und der Gesetzentwurf, den Sie heute vorgelegt haben, zeigen wichtige Unterschiede auf. Herr Minister Rhein, ich würde ganz klar sagen: Sie sind in allen wesentlichen Punkten vor der Automatenindustrie und der FDP eingeknickt. Denn was ist übrig geblieben von Ihren großspurigen Ankündigungen, Mindestabstände vom 500 m – die Kollegen haben schon darauf hingewiesen – zwischen den Spielhallen einzuführen und die täglichen Öffnungszeiten von Spielhallen auf maximal 16 Stunden zu begrenzen? Die Mindestabstände sind auf 300 m zusammengeschrumpft. Aber der Gipfel der Unverbindlichkeit ist Ihre Regelung, die es den Kommunen überlässt, von den 300m-Abständen abzuweichen, also noch kleinere Abstände festzulegen.

Herr Minister, ich finde es toll, dass die Landesregierung plötzlich die kommunale Selbstverwaltung wiederentdeckt und den Kommunen etwas selbst überlassen möchte. Im Grunde schieben Sie damit aber den Kommunen den Schwarzen Peter zu, da diese es sein werden, die den Fortbestand der Spielhallen aufgrund Ihrer katastrophalen Finanzpolitik – vorhin haben wir darüber geredet – sichern müssen.

Sie hätten besser daran getan, den Empfehlungen von Caritas, Diakonischem Werk oder dem Kommissariat der Katholischen Bischöfe zu folgen und die einstmals angekündigten Abstandsregelungen von 500 m ohne irgendwelche Schlupflöcher in das Gesetz aufzunehmen.

Herr Minister, das ist eine politische Entscheidung und nicht, wie Sie es uns hier verkaufen wollen, eine juristische Entscheidung. Da kann sehr wohl politisch ein Pfeiler eingerammt werden, der juristisch nicht wieder aufgehoben werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, Sie wissen aber genau, was das bedeuten würde. So sind Sie wieder zusammengerückt, die CDU,

die FDP, die Spielhallenbetreiber und die Automatenindustrie, und können wieder miteinander kuscheln. Ein radikales Gesetz haben Sie in der Tat vorgelegt, Herr Minister, nur nicht radikal in der Konsequenz der Begegnung der Spielsucht, sonder radikal bei der Verteidigung der Interessen der Automatenindustrie.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Rhein, auch bei der Frage der Sperrzeit – auch das ist schon angesprochen worden – bleiben Sie hinter Ihren Ankündigungen aus dem Jahr 2011 zurück. Statt acht Stunden Sperrzeit werden es nur sechs, also nicht 16 Stunden Öffnungszeit, sondern 18 Stunden sind daraus geworden.

Herr Minister, der Unterschied sind zwei Stunden, und die Zahl zwei steht bekanntermaßen

(Beifall bei der LINKEN)

für den Pegelstand der FDP. Dann wissen wir natürlich, wie dieser Unterschied zu begründen ist.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ab heute ist es nur noch 1 %!)

Vielleicht wussten schon welche, was hier mit dem Gesetz vorgelegt wird. – Aber ich zweifle ohnehin daran, dass es Ihr Ziel ist, die Spielsucht einzuschränken; denn dann würden Sie anders agieren. Es ist völlig überzogen, Herr Minister, dass Übergangsfristen, die zweifelsohne sein müssen – das ist unstreitig –, 15 Jahre betragen müssen. Auch hier ist schon angesprochen worden: Es ist nicht erklärbar und nicht nachvollziehbar, dass es Ihre Juristen im Hause waren, die für einen 15-jährigen Bestandsschutz der 850 existierenden Spielhallen aus juristischen Gründen plädiert haben. Auch dies ist eine politische und keine juristische Entscheidung.

Hier wären unserer Meinung sehr wohl fünf Jahre oder bestenfalls oder ungünstigstenfalls ein längerer Zeitraum von zehn Jahren möglich gewesen. Aber 15 Jahre, das ist die Bestandsgarantie für jetzige Spielhallen. Damit leisten Sie der Bekämpfung der Spielsucht einen Bärendienst.

Meine Damen und Herren, das eigentliche Hauptproblem, Kinder- und Jugendliche von Glücksspielautomaten fernzuhalten, wird ebenfalls nicht angegangen. 40 % der Glücksspielautomaten befinden sich in Gaststätten, wo auch Kinder und Jugendliche verkehren. Auch hier wäre es klug gewesen, auf die Hinweise in den schriftlichen Anhörungen zu hören.

Sowohl die Caritas als auch die Hessische Landesstelle für Suchtfragen haben auf die Problematik von Geldspielgeräten in Gaststätten hingewiesen und dabei treffend festgestellt, dass diese Geräte oftmals die Eintrittskarte zum pathologischen Glücksspiel seien. Gerade hier bestand aufgrund der vorliegenden Zahlen, dass im Zeitraum zwischen 2006 und 2010 die Zahl der Spielgeräte deutschlandweit um fast 50 % gestiegen ist, dringender Handlungsbedarf, der auch weiterhin besteht.

In vielen Spielhallen werden im Übrigen kostenlos Getränke ausgeschenkt, um Gäste zu locken und länger da zu halten. Auch das ist eine gezielte Maßnahme der Betreiber, die der Spielsucht Vorschub leistet. Ich hätte schon erwartet, dass dies durch das Gesetz unterbunden wird. Aber leider ist in Ihrem Gesetzentwurf kein Wort dazu zu finden.

Meine Damen und Herren, das gesamte Gesetz ist alles in allem ein zahnloser Tiger. Es wird weder die Zahl der

Spielhallen reduzieren, noch wird damit geholfen, das pathologische Glücksspiel zu verringern oder gar zu vermeiden. Das Gesetz ist bestenfalls dazu geeignet, einige unschöne Auswüchse im Stadtbild zu reduzieren. In seiner jetzigen Form sichert es aber bewusst und gewollt den Fortbestand der bestehenden Spielhallen auf lange Zeit, und das kritisieren wir mit aller Entschiedenheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Als Nächster hat Herr Kollege Greilich für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kommt einem manchmal schon ein bisschen seltsam vor, wenn man erklärt bekommt, welche Durchsetzungskraft man der FDP zutraut. Das ehrt uns in gewissem Umfang, auch wenn Sie es nicht freundlich gemeint haben. Aber ich kann Ihnen sagen: Ihre Theorien, wie der Gesetzentwurf zustande gekommen ist, wie er sich entwickelt hat, haben viel mit Fantasie zu tun, aber wenig mit konkreter Realität. Es ist eben Ihr Problem, dass Sie bei den Koalitionsverhandlungen und den Arbeitsgesprächen der Regierungsfraktionen nicht beteiligt sind. Das ist nun einmal das demokratische Prinzip.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem heute vorgelegten Entwurf hat der Innenminister ein absolut ausgewogenes Konzept für die Spielsuchtprävention bei der Regelung des Spielhallenwesens in Hessen präsentiert. Wir sind uns in der Tat darüber einig – hoffe ich jedenfalls, auch wenn es schon wieder Unruhe gibt –: Krank hafte Spielsucht ist ein ernstes Thema, das uns alle angeht. Es bedarf des aktiven Zusammenwirkens privater und öffentlicher Stellen, um die Suchtgefahr wirksam zu begrenzen.

Dabei sind die von Innenminister Rhein vorgeschlagenen Regelungen ein weiterer Baustein im Gesamtkonzept einer effektiven Suchtprävention. Ich will nicht im Einzelnen wiederholen, was Herr Innenminister Rhein schon vorgetragen hat. Die verbindlichen Bestimmungen über die Notwendigkeit von Sozialkonzepten, die Spielhallenbetreiber selbst in Eigenverantwortung erstellen müssen, sind im Gesetz sehr ausführlich geregelt. Sie können das dort nachlesen, ich empfehle das.

Das Sperrsystem soll verhindern – so wie wir es auch in anderen Bereichen haben –, dass suchtgefährdete und süchtige Personen überhaupt in die Spielhallen kommen und die Gelegenheit zum Spielen haben. Das ist ein wesentlicher Punkt, um den es geht, um Suchtprävention zu betreiben und nicht nur Getöse.

Meine Damen und Herren, ich will an der Stelle auch sagen – Herr Kollege Frömmrich, ich habe darauf hingewiesen –: Wir haben seit rund einem Jahr einen Gesetzentwurf der GRÜNEN im Landtag zu dem gleichen Thema vorliegen. Schauen Sie dort einmal hinein und suchen die Stellen, bei denen es um Suchtprävention geht, bei denen etwas von Sozialkonzepten steht, bei denen wir etwas von Sperrsystemen finden. Sie werden nichts dergleichen finden. Beim Thema Suchtprävention ist Fehlanzeige. Aber, Herr Kollege Frömmrich, Sie zitieren ja immer gerne Ihre eigenen Texte.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Freundlichkeit Ihnen gegenüber kenne ich überhaupt nicht!)

Vielleicht können Sie mir einmal zeigen, wo in dem Gesetzentwurf etwas dazu steht. Sie haben eine Begründung gegeben, aber in dem Gesetzentwurf selbst steht nichts Ernsthaftes.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie haben es schon angesprochen, und der Innenminister hat darauf hingewiesen: Es dauert, wenn man eine Anhörung macht, wenn man sie ernst nimmt und sich mit den Ergebnissen auseinandersetzt. Das führt dann auch zu Veränderungen des Gesetzentwurfs.