Protokoll der Sitzung vom 01.02.2012

Nein, nein, Herr Innenminister, Sie sollten sich durchaus einmal die Regelung in Berlin anschauen. Der Gesetzentwurf dort ist weitergehend.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

In den letzten Jahren haben wir eine exorbitante Zunahme der Spielsucht gehabt. Es sind viele neue Kasinos und Spielautomaten bereitgestellt worden. Wenn Sie sich mit Experten unterhalten, die sich mit dem Thema Spielsucht und deren Bekämpfung auskennen, dann sagen die Ihnen nach Analyse Ihres Gesetzentwurfs: Das reicht nicht aus. Auch wenn die Betreiber von Spielhallen darauf hinweisen sollen, dass Spielsucht problematisch ist, so ist das nur ein Teil. Wir brauchen Konzepte.

Was aber genauso wichtig ist – auch das ist eine Forderung –, ist, dass diejenigen, die daran zunächst Geld verdienen, sich auch an der Unterstützung von Suchtberatungsstellen beteiligen. Denn das ist dann wieder eine Aufgabe, die wir von der Allgemeinheit lösen lassen sollen – und im Rahmen der „Aktion düstere Zukunft“ kürzen Sie dort die Mittel.

Nein, Sie sind wieder einmal als der berühmte Tiger gestartet und als mickriger Bettvorleger gelandet. Dieser Gesetzentwurf ist falsch. Er ist schlecht, und er wird die Spielsucht nicht erfolgreich bekämpfen. Deswegen wird es von der SPD-Fraktion hierauf nur eine Antwort geben: Wir lehnen ihn ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Rudolph. – Nächster Redner ist Herr Kollege Bauer für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder hat das sicherlich schon einmal beobachtet: Wo gestern noch eine schönes, vielleicht alt-eingesessenes Einzelhandelsgeschäft war, ist heute eine Spielhalle.

Im Einzelfall mag das hinnehmbar sein, denn das ist Teil der freien Marktwirtschaft. Aber in den vergangenen Jahren hat diese Entwicklung eine Dimension erreicht, die sehr bedenklich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In einer Reihe von Kommunen ist die Ausbreitung von Spielhallen unübersehbar geworden. Waren es im Jahr 2006 nur 550, so sind es im Jahr 2011 schon 850 Spielhallen in Hessen, und ihre Zahl steigt weiter. Das ist nicht nur ein optisches Problem, das ist vor allem ein ordnungspolitisches Problem, ein gesundheitspolitisches Problem und auch ein soziales Problem.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ob jemand der Glücksspielsucht anheimfällt oder nicht, das ist oft das eigentliche Glücksspiel, und meistens mit tragischem Ausgang. Der Übergang vom Glücksspielverhalten mit Spaßcharakter zum problematischen Glücksspielverhalten bis hin zur Abhängigkeit ist fließend. Studien belegen eindrucksvoll, dass rund 60 % der Automatenspieler entweder spielsüchtig sind oder eben stark gefährdet sind.

Diese Zahlen belegen: Immer häufiger landen Menschen durch ihre Spielsucht zwangsläufig in der Schuldenfalle. Außerdem bringt Spielsucht auch erhebliche Probleme im sozialen Umfeld. Meine Damen und Herren, diese Entwicklung erfordert staatliches Handeln.

Diese Landesregierung und der zuständige Innenminister Boris Rhein haben heute zu dieser Problematik einen Gesetzentwurf eingebracht, der adäquate Lösungsansätze in einem zukünftigen Hessischen Spielhallengesetz aufzeigt.

Durch diesen Gesetzentwurf wird erstmalig in einem Flächenland dieser Fehlentwicklung entgegengesteuert. Wo sind denn die Entwürfe der SPD-geführten Flächenländer? Die kann ich nicht erkennen. Das ist ein richtiger Schritt und ein großer Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Auf der Grundlage dieses Gesetzes kann der sprunghaften Ausbreitung von Spielhallen zukünftig Einhalt geboten werden.

(Widerspruch bei der SPD)

Dafür sorgen nicht nur der Pflichtabstand zwischen Spielhallen von mindestens 300 m, sondern auch die baulichen Vorgaben, die verhindern, dass mehrere Spielhallen miteinander verbunden werden, und die auch das Anbringen aufdringlicher Werbung verbieten.

Auch wird es in Zukunft keine unbefristeten Konzessionen – wie jetzt noch möglich – geben. Aufgrund der Zunahme der Kriminalität im Umfeld von Spielhallen und im Zusammenhang mit Spielsucht besteht dringend Handlungsbedarf, dem auch durch neue Regelungen Rechnung getragen wird.

Hierzu gehören die verschärften Zugangsregelungen, der Minderjährigenschutz, die Suchtprävention und erhöhte Geldstrafen bei Zuwiderhandlung. Meine Damen und Herren, das sind Fortschritte und keine Rückschritte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieses Gesetz bringt für alle Beteiligten – für Spieler, für Veranstalter und auch für Kommunen – mehr Klarheit und auch mehr Sicherheit. Der Innenminister hat es selbst erwähnt. Er hat, nachdem die Innenministerkonferenz den Glücksspieländerungsstaatsvertrag im Dezember 2011 unterschrieben hat, vier Wochen später das Gesetz fertiggestellt und vorgelegt. Der Staatsvertrag enthält un

ter anderem auch Regelungen für den Betrieb von Spielhallen, die logischerweise berücksichtig werden mussten. Aus diesem Grund hat es ein Jahr gedauert. Es ist nicht sein Versäumnis, wenn sich die Ministerpräsidenten solange nicht einigen konnten. Er hat es aber umgehend in seinen Gesetzentwurf aufgenommen.

Das ist der Hintergrund, warum der Minister im Dezember 2011 aktiv wurde, im Januar 2012 dieses Gesetz vorgelegt hat und auch heute einbringen konnte. Er hat angekündigt und auch gehalten, was er gesagt hat, nämlich schnellstmöglich den Gesetzentwurf vorzulegen. Schneller ging es nämlich nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der entscheidende Fortschritt ist doch, dass zukünftig Mehrfachkonzessionen verboten werden und damit der Betrieb der Spielhallentempel reduziert und eingeschränkt wird. Mit diesem Gesetzentwurf wird die bundesweite Vorgabe umgesetzt, pro Erlaubnis nur zwölf Geldspielautomaten je Spielhalle aufstellen und betreiben zu dürfen. Es wird zukünftig nicht mehr möglich sein, mehrere dieser Einrichtungen zusammenzulegen und durch einen Eingang begehbar zu machen. Damit wird eine bundesweite Vorgabe durch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag im Landesgesetz umgesetzt.

Für die kommunale Seite ist auch die Regelung zum Mindestabstand wichtig. Um einzelne Straßenzüge oder Stadtquartiere gezielt zu schützen und zu entlasten, ist zukünftig für Spielhallen ein Mindestabstand von 300 m Luftlinie einzuhalten. Das ist ein Fortschritt für die Kommunen zur Regelungen und Steuerung ihrer Innenstädte und innerstädtischen Quartiere.

Es ist wichtig, dass von der äußeren Gestaltung keine aggressive Werbung für den Spielbetrieb mehr sichtbar sein darf. Spielhallen dürfen künftig nur noch als solche gekennzeichnet werden. Es ist doch ein Fortschritt, wenn derzeit die Spielhallen bis auf eine Putzstunde 23 Stunden geöffnet haben dürfen, es zukünftig eine Sperrzeit von mindestens sechs Stunden gibt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist doch auch ein Fortschritt, wenn sich die Öffnungszeiten der Spielhallen an dem Hessischen Feiertagsgesetz orientieren müssen. Diese Öffnungszeiten werden grundsätzlich denen der Spielbanken angepasst. Das finde ich auch richtig so. Meine Damen und Herren, das ist kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieses Gesetz hat als Schwerpunkte die Aufklärung, den Jugendschutz und die Bekämpfung und Prävention von Glücksspielsucht. Das ist eine Verpflichtung, die wir den Betreibern auferlegen werden. Sie müssen Sozialkonzepte entwickeln, oder von staatlichen oder staatlich geförderten Suchthilfeeinrichtungen diese Konzepte übernehmen. Es besteht ebenso die Pflicht – wie übrigens bei den Lotteriegesellschaften auch gängige Praxis – ihr eigenes Personal fortlaufend zu schulen. Die Betreiber werden darüber hinaus verpflichtet, über Suchtrisiken und Gewinnwahrscheinlichkeiten aufzuklären. Der Jugendschutz soll durch ein verschärftes Bußgeld sichergestellt werden.

Zentral sind auch das Spielverbot und das angekündigte Sperrsystem. Dieses Spielersperrsystem soll vom Land betrieben werden. Die Konzeption wird im Rahmen einer

Rechtsverordnung geregelt, die Details eines solchen Sperrsystems werden mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmt.

Wie wichtig das ist, hat Innenminister Rhein an dem Beispiel selbst erläutert. Es kann nicht sein, dass ich aus dem Spielcasino herausgehe, weil ich dort nicht mehr spielen darf, und dann in die Spielhalle hineingehe, und dort das Gleiche weiterbetreiben kann.

Meine Damen und Herren, wichtig ist auch die optischelektronische Überwachung. Aus Gründen der Kriminalitätsprävention und Aufklärung ist eine Videoüberwachung in Spielhallen vorgesehen. Wir finden, auch das ist ein richtiger Schritt.

Die Übergangsregelungen sind ganz wichtig. Sie sind Eingriffe in Eigentumsrechte. Das ist kein Kavaliersdelikt. Deswegen muss eine solche Eingriffsregelung auch rechtssicher sein. Aus diesem Grund ist der Zeitraum von 15 Jahren ein rechtssicherer Regelungszeitraum. Den Gemeinden wird im Übrigen im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsangelegenheit die Befugnis eingeräumt, neben den zuvor genannten Regelungen auch andere festzulegen, wenn sie das in ihrer kommunalen Eigenverantwortung für richtig erachten.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die neuen Bestimmungen der Landesregierung schaffen zum ersten Mal in einem Flächenland den richtigen Handlungsrahmen, Missstände zu beseitigen. Vor allem im Hinblick auf das Erscheinungsbild der Städte und Gemeinden, aber auch hinsichtlich der Verfügbarkeit von Spielhallen wird dieses Gesetz positive Auswirkungen haben. Durch gezielte Kontrollen im Umfeld und Gewährleistungen einer ordnungsgemäßen nachvollziehbaren Spielpraxis sowie verpflichtender Sozialkonzepte wird die Sicherheit in Hessen für Spieler und Nichtspieler durch dieses Gesetz verbessert. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bauer. – Das Wort hat nun Herr Kollege Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit Aufmerksamkeit dem Innenminister und auch Herrn Kollegen Bauer gelauscht. Ich finde, das, was Sie als Problemanalyse vorgetragen haben und wofür auch Regelungen getroffen werden müssen, ist zutreffend. Sie haben bei der Vorstellung Ihres Eckpunktepapiers auch die Problemstellung aufgezeigt.

Wenn z. B. die Anzahl der Konzessionsvergaben für Spielhallen um 41 %, die Anzahl der Spielhallenstandorte um 21 % und die Anzahl der Spielgeräte um 60 % gestiegen ist, wenn die Tatsache zutrifft, dass wir es mit steigender Suchtproblematik zu tun haben, und wenn Sie auch den Wink des EuGH bezüglich der kohärenten Regelungen im Glücksspielbereich im Blick haben, dann kann man sich nicht der Tatsache verschließen, dass wir neue Regelungen brauchen. Darin sind wir uns alle einig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gesetzgeber legen keine Gesetzentwürfe vor, um Menschen oder kleine und mittlere Unternehmen, die solche Spielhallen betreiben, zu ärgern. Gesetze werden vorgelegt, weil es ein Problem gibt. Dieses Problem ist nicht wegzudiskutieren. Wenn man ein Problem erkannt hat – dies auch in Richtung des Kollegen Bauer –, sollte man doch wenigstens den Versuch unternehmen, dieses Problem zu lösen. Das ist aber nicht das, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorschlagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sie werden in den nächsten 15 Jahren den Status quo in diesem Land beibehalten. Diejenigen, die bis zum 23. Oktober 2011 über eine Konzession verfügen, werden in den nächsten 15 Jahren Bestandsschutz haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, von daher ist es kein Eingriff in den Bestand, sondern Sie versuchen, das Problem auf die Zeitschiene der nächsten 15 Jahre zu verschieben.

Herr Innenminister, Sie haben seinerzeit, als Sie erst einmal auf die Ergebnisse des Staatsvertrages gewartet haben – im März des letzten Jahres –, nicht eingeladen, weil Sie ein Eckpunktepapier vorlegen wollten. Sie haben im März dazu eingeladen, einen Gesetzentwurf vorzustellen. Die Vorstellung des Gesetzentwurfs ist aber über Nacht zur Vorstellung des Eckpunktepapiers geworden. Warum das in einer Nacht passiert ist, kann man sich doch ganz klar vorstellen: Der parlamentarische Arm der Automatenlobby, nämlich die FDP, hat sich in diesem Punkt wieder einmal durchgesetzt, und Sie durften das, was Sie eigentlich machen wollten, nicht machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es hat dann zehn Monate gedauert, bis Sie aus dem Eckpunktepapier einen Gesetzentwurf gemacht haben. Dieser Gesetzentwurf hat in Teilen Placebocharakter. Er löst nicht die Probleme, sondern schiebt sie auf die lange Bank. Er reguliert nicht den Markt und wird den Anforderungen, die der EuGH für den Glücksspielbereich vorgibt, nicht gerecht. Er löst die Probleme der Kommunen überhaupt nicht.