Protokoll der Sitzung vom 03.04.2014

Meine Damen und Herren, Sie blenden einfach das Faktum aus. Mit Ihrem schwarz-grünen Gesetzentwurf haben Sie Unfrieden statt Schulfrieden geschaffen. Genau das haben wir jetzt zu diskutieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben Schulfrieden angekündigt, das Gegenteil haben Sie erreicht. Bereits Ihr erster Gesetzentwurf zeigt, wie Anspruch und Wirklichkeit dieser schwarz-grünen Schulpolitik auseinander liegen. Eine ganze Reihe von Presseberichten der vergangenen Woche zeigt, dass an Gymnasien Eltern, die anders als die Mehrheit nicht für eine Rückkehr bereits laufender Klassen von G 8 zu G 9 sind, mit schweren Vorwürfen konfrontiert werden. Kollege Degen hat schon das eine oder andere zitiert. Das ist nicht nur in Frankfurt so, das ist in Gießen so, und das ist in anderen Städten so.

(Heike Hofmann (SPD): Richtig!)

Das ist der klar zu erwartende Effekt Ihres Gesetzentwurfs gewesen. Wir haben Mobbing an den Schulen, und das ist dem Kultusministerium auch bekannt. Deswegen kann ich nur sagen, es wäre eine Frage der Vernunft, diesen offensichtlich gefährlichen Gesetzentwurf zur Rückkehrmög

lichkeit laufender Jahrgänge zurückzuziehen. Das ist die einzige Möglichkeit,

(Beifall bei der FDP)

den Schulfrieden noch zu retten. Ihr eigentliches Thema hat diese Gesetzesänderung, die Sie beabsichtigen, ohnehin längst verfehlt.

Dann gibt es eine Schimäre, die Sie hier durch die Gegend treiben: die angebliche Wahlfreiheit der Eltern für die laufenden Jahrgänge. Wo ist das tatsächlich? Was Sie gemacht haben, meine Damen und Herren von der Koalition: Sie haben die Eltern hinter die Fichte geführt mit diesem Angebot angeblicher Wahlfreiheit.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Ich habe heute früh Zeitung gelesen. So schön kann man es gar nicht auf den Punkt bringen, wie es in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ heute von Matthias Trautsch in einem Kommentar formuliert ist.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bitte auch den letzten Satz vorlesen!)

Deswegen will ich kurz zitieren. – Den letzten Satz habe ich durchaus gelesen. Er sieht Ihr Problem. Aber, Herr Kollege Wagner, das macht es nicht besser. Sie haben hier ein Angebot gemacht, das von vornherein ein Täuschungsangebot war, das nicht funktioniert.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Dies hat man offensichtlich im Kultusministerium auch so herausgearbeitet.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Ganz ruhig, Herr Kollege Wagner. Lesen Sie, hören Sie,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe ihn ja gelesen!)

und nachher haben wir noch eine Aktuelle Stunde. Dann können Sie noch einmal etwas sagen.

Es gibt im Kultusministerium ein Diagramm zu dem Rückkehrverfahren G 8/G 9. Hier beschreibt Herr Trautsch das so schön:

Sieben Pfeile zeigen hingegen auf Kästchen mit der Abkürzung „E. P.“ – im schönsten Verwaltungsdeutsch: „Ende des Prozesses“. Wenn die Lehrer kein Wechselkonzept beschließen: E. P. Wenn die Schulkonferenz dagegen ist: E. P. Wenn der Schulträger das Einvernehmen verweigert: E. P. Wenn der Schulelternbeirat nicht will: E. P. Wenn die Schülervertretung sich sperrt: E. P. Wenn die Elternbefragung nicht einstimmig ist: E. P. Wenn das Schulamt nicht genehmigt: E. P.

Also nichts als Ausgänge, nichts was zum Ziel führt. Es wird – das ist meine Prognose – maximal eine oder zwei Schulen in Hessen geben, die diesen Prozess so durchlaufen, dass aus Ihrer Mogelpackung Realität wird. Ob das dann Sinn macht, ist immer noch die zweite Frage.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie hier in unverantwortlicher Art und Weise tun, ist, dass Sie mit Ihrem Aktionismus G 8 in Hessen den Rest geben. Ich teile eindeutig nicht die Position der SPD, die generell die

Rückkehr zu G 9 und die Zwangsbeglückung der Eltern will. Davon bin ich weit entfernt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt der Erfinder des Landesschulamts!)

Das Schlimme, Herr Kollege Wagner, Herr Kollege Irmer, meine Damen und Herren von der Koalition, ist, dass Sie mit Ihrer Vorgehensweise G 8 endgültig den Rest geben. Denn wo ist denn das, was angekündigt wurde? Wo sind die pragmatischen Maßnahmen zur Gewährleistung eines bedarfsgerechten Angebots an G 8 und G 9? Was haben Sie uns im vorletzten Plenum im Antrag von CDU und GRÜNEN angekündigt? Wo bleibt das denn?

Seitens der Koalition sind keinerlei Maßnahmen oder Hinweise zu erkennen, wie die Wahlfreiheit auch dort sichergestellt werden kann, wo die Rückkehr vieler Schulen zu G 9 ein Angebot von G 8 in der Fläche nicht mehr gewährleistet.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der schwarzgrünen Koalition, geliefert wird nicht.

(Beifall bei der FDP)

Warum gibt es die Abkehr vieler Schulen von G 8 und die Rückkehr zu G 9? Fest steht – da war ich mir mit Herrn Kollegen Irmer in der Vergangenheit immer einig –, dass die Fehler seinerzeit bei der schlecht vorbereiteten und überstürzten Einführung von G 8 durch die seinerzeitige Regierung gemacht wurden.

Wir haben in der letzten Wahlperiode versucht, dies zum Wohle der Schülerinnen und Schüler abzumildern, Wahlfreiheit und Schulvielfalt zu gewährleisten. Die Schulen und der Ruf von G 8 sowie die Ausgestaltung leiden aber noch heute unter den damaligen Geburtsfehlern. Ich muss Ihnen leider sagen: Die Heilung erfolgt nicht dadurch, dass Sie jetzt mit übereilten Maßnahmen oder mit Nachgeben wider besseres Wissen – wir waren uns noch vor einigen Monaten einig, dass das so nicht geht – agieren. Helfen würde ausschließlich, dass Sie die Schulen aktiv unterstützen bei der Umsetzung von G 8 und bei der Rückkehr zu G 9, wie die Schulgesetznovelle von 2012 es als Wahlmöglichkeit eröffnet.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, was wollen Sie tun? Die Antworten haben Sie nicht gegeben. Herr Kultusminister, ich bin gespannt auf Ihre Antworten, die hoffentlich jetzt kommen. Bis jetzt habe ich keine gehört. Stattdessen haben wir einen schwarz-grünen Gesetzentwurf auf dem Tisch, den ich schon einmal als den in Papierform gegossenen Angriff auf den Schulfrieden bezeichnet habe. Leider hat sich dies bestätigt.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU: Oh!)

Vielen Dank, Kollege Greilich. – Das Wort hat Frau Abg. Cárdenas, DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir uns die Titel der heutigen beiden Aktuellen

Stunden zu G 8 anschauen, dann wird sofort eines klar: Schulfrieden gibt es in Hessen nicht. Schon die erste Baustelle, der sich die neue Landesregierung im schulpolitischen Bereich angenommen hat, entpuppt sich als Langzeitbaustelle mit Engführungen und empörten Beteiligten auf allen Fahrbahnen. Da sind wir uns mit der SPD einig.

Unter Koch wurde 2004 völlig überstürzt und im Alleingang der CDU eine nicht nur unsinnige, sondern für die Schülerinnen und Schüler sogar schädliche und gesundheitsgefährdende Schulzeitverkürzung eingeführt – eine Schulzeitverkürzung, die auch später von der FDP mit Begeisterung weitergetragen wurde. Und mit dieser Einführung, meine Damen und Herren von der CDU, von der FDP und den GRÜNEN, ist dafür gesorgt worden, dass es in Hessen keinen Schulfrieden gibt.

Bitte kommen Sie uns doch nicht immer mit diesem angeblich so ausgeprägten Elternwunsch nach G 8. Der ist, wenn überhaupt, nur bei ganz wenigen vorhanden, und auch nur, weil diese Eltern eine erneute Umstellung der Schulstrukturen fürchten, unter denen ihre Kinder leiden könnten.

Für Überflieger hätte es weiterhin die Möglichkeit gegeben, individuell die Schulzeit zu verkürzen, denn die Möglichkeit, eine Klasse zu überspringen, war vor G 8 gegeben und wird auch nach G 8 gegeben sein.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Heike Haber- mann (SPD))

Meine Damen und Herren von CDU und GRÜNEN, ganz sicher aber werden die Eltern durch diese angebliche Wahlfreiheit weder zur Ruhe, geschweige denn zu Frieden kommen.

Erst gestern erreichte mich ein Brief eines Vaters aus Biebesheim, der absolut empört und entsetzt aus der Informationsveranstaltung der Schule seines Sohnes nach Hause gegangen ist. Dieser Brief ist allen Abgeordneten und auch Ihnen, Herr Kultusminister, zugegangen. Die Details können Sie also selbst nachlesen.

Dieser Vater beschwert sich nicht nur darüber, dass Sie nicht zu Ihren Koalitionsversprechen stehen und den Eltern tatsächlich die Wahl überlassen. Nein, er bezeichnet diese ganze Vorgehensweise als Schildbürgerstreich. Für seinen Sohn sieht er keine Möglichkeit, G 8 zu umgehen. Und das macht ihn sauer. Und das kann ich sehr gut nachvollziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da nützt Ihre Flickschusterei wenig, zumindest formell den bestehenden 5., 6. und, unter anderem auch Dank uns, den 7. Klassen die Rückkehr zu ermöglichen. Wir haben gesagt, jedes Kind, was G 8 durchführen muss, ist ein Kind zu viel.

Formell bedeutet nämlich nicht faktisch. Das macht dieser Brief deutlich. Sie verstricken sich hier immer weiter und tiefer in ein selbstgeschaffenes Schulchaos, welches Sie auch noch mit Schulfrieden betiteln.

Herr Kultusminister, auch wenn Sie nicht persönlich die Suppe eingebrockt haben, auslöffeln müssen Sie sie.

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)