Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Über die Türkei kann man in der Tat lange debattieren. Von der Situation, wie sie sich darstellt, sind wir alle mehr als betroffen.
Wenn wir heute diesen Tagesordnungspunkt behandeln, dann reden wir über das Schicksal eines Journalisten, der, wie heute häufig erwähnt, seine Arbeit gemacht hat. Wir reden aber auch über das Schicksal vieler anderer, die inhaftiert sind, weil sie ihre Arbeit gemacht haben, weil sie ihre Meinung geäußert haben, weil sie der Regierung nicht gepasst haben.
Schauen wir uns die Zahlen an, die wir kennen: 150 Journalisten sind inhaftiert, unter Umständen auch noch mehr. Wir wissen, dass 149 Medienanstalten geschlossen wurden. Von Medienfreiheit, Pressefreiheit ist keine Rede, sondern es ist eine Gleichschaltung der Presse und der Medien. Wir wissen, dass mehr als 2.000 Journalisten entlassen wurden. Was erzeugt das? Das erzeugt ein Klima der Angst, der Repression, der Unterdrückung.
In diesem Zusammenhang war es für uns in der Tat die Frage: Reisen wir in die Türkei, ja oder nein? Es gab welche, die sagten, man könne jetzt nicht hin. Ich sage das vorweg. Ich glaube, dass die Entscheidung völlig richtig gewesen ist, Brücken nicht abzureißen, sondern Kontakte zu pflegen.
Denn wir sind dort auf viele Menschen gestoßen, die auf uns hoffen. Sie sagen: Bitte zeigt uns, dass wir nicht abgeschnitten sind.
Insofern ist es richtig, Kontakte zu pflegen, einerseits für die Menschen dort, andererseits auch, um dort klar sagen zu können, was wir für nicht richtig halten, uns auch für Menschen einsetzen zu können wie Deniz Yücel und gleichzeitig eine Botschaft an die Mitbürgerinnen und Mitbürger bei uns zu senden, die türkischstämmig sind. Das hat ja mehrere Wirkungen.
Wenn wir über das reden, was im Moment passiert, oder wenn ich mir die Reise anschaue, dann sage ich: Es war richtig, da gewesen zu sein. Es war auch der richtige Zeitpunkt. Wir haben auch die Gelegenheit genutzt, dort kritische Fälle anzusprechen. Wir haben dort den Fall der Inhaftierung von Gouverneur Harput angesprochen.
Wir halten uns aus der Bewertung eines Verfahrens erst einmal heraus. Aber was klar ist: Dass eine Untersuchungshaft fünf Jahre dauern kann, wobei die Anklage noch nicht einmal erfolgt sein muss, ist unerträglich. Da kann man nicht von einem Rechtsstaat sprechen.
Wir haben auch den Fall Deniz Yücel angesprochen. Da stellt sich schon die Frage, ob nicht ein Journalist in Geiselhaft genommen wird für die Zwecke des Präsidenten. Wenn ein Präsident jemanden, bevor er überhaupt angeklagt wurde, schon als Terroristen bezeichnet, wenn jemand schon vorverurteilt wird, dann kann man nicht davon ausgehen, dass gewährleistet ist, dass er ein rechtsstaatliches Verfahren bekommt.
Was ganz klar ist: Es ist unerträglich, wenn jemand eingekerkert wird, als Terrorist bezeichnet wird, ohne dass überhaupt eine Anklage erfolgt ist.
Insofern muss es so sein, dass wir uns hier klar äußern. Vor allem muss man auch sagen: Das Mindeste ist, dass eingehalten wird, was die türkische Regierung der Bundeskanzlerin versprochen hat, dass nämlich eine Betreuung durch das deutsche Konsulat oder die Botschaft erfolgen kann und wenigstens jemand Zugang zu ihm hat.
Das ist bis heute nicht erfolgt. Er kann sich darauf verlassen, dass wir den Fall von unserer Seite aus auch nicht relativieren. Man kann doch nicht sagen: Ist das ein bequemer oder unbequemer Journalist? Hat er schön geschrieben, oder hat er an bestimmten Stellen auch verletzt? – Wir sagen ganz klar: Journalisten stehen unter der Pressefreiheit. Sie müssen ihre Meinung sagen dürfen, und sie dürfen deshalb nicht inhaftiert werden.
Es gibt also keine Relativierung der Pressefreiheit, sondern Deniz Yücel ist freizulassen. Wenn wir sagen, er soll freigelassen werden, dann auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir hier von Presse- und von Meinungsfreiheit reden: nicht nur, dass er freigelassen wird, sondern auch, dass er wei
terhin in der Türkei leben kann und dass viele andere, die dort leben und arbeiten, dort ihre Meinung sagen, publizieren und veröffentlichen können. Insofern ist er stellvertretend für viele andere ein Fall, für den wir uns ganz besonders einsetzen, auch weil er aus Flörsheim kommt und er darauf vertrauen können muss, dass wir uns hier klar artikulieren.
Ein anderer Satz. Es ist im Vorfeld des Referendums angesprochen worden: Ja, es ist unerträglich, wenn Grenzen überschritten werden. Es ist unerträglich, wenn mit einer Rhetorik provoziert wird, die die Gefühle der Menschen in unserem Land verletzt. So wie wir unsererseits die Informationsfreiheit respektieren, können wir ganz klar fordern: Auch die Gefühle der Menschen in unserem Land sind zu respektieren. Die Gefühle des Volkes, das hier lebt, sind zu respektieren. Es dürfen keine Grenzen überschritten werden.
Wenn Grenzen überschritten sind, dann bedarf es klarer Worte. Die Worte des Ministerpräsidenten haben an Klarheit wohl nichts zu wünschen übrig gelassen.
Ich weiß von vielen, die persönlich gesagt haben: Wir sind dankbar, dass diese klaren Worte in dieser Art und Weise gefallen sind.
Deshalb lassen Sie mich noch abschließend sagen: Ja, wir wollen nicht, dass Streit und Hass in dieser Art und Weise in unser Land getragen werden. Wir tragen Verantwortung für unser Bundesland, für die Menschen, die hier leben, und für die Hessinnen und Hessen. Dazu gehören auch die türkischstämmigen Deutschen, d. h. diejenigen, die türkischstämmig sind und hier bei uns leben. Wir wollen nicht, dass man uns auseinanderdividiert. Wir alle haben hier unsere gemeinsame Heimat und tragen gemeinsam Verantwortung. – Besten Dank.
Bevor ich mit der Abstimmung beginne, frage ich die FDP, was ich mit ihrem Antrag machen soll. – Auch abstimmen? Gut.
Wir beginnen mit dem Entschließungsantrag von SPD, LINKE und FDP betreffend Deniz Yücel, Drucks. 19/4663. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind FDP, SPD, DIE LINKE und fraktionslos. Die Gegenprobe. – GRÜNE und CDU. Damit
Ich rufe den Antrag der FDP bezüglich der Wahlkampfauftritte auf, Drucks. 19/4700. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP. Die Gegenprobe. – Das sind CDU, GRÜNE, SPD, DIE LINKE und fraktionslos. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.
Ich rufe den Entschließungsantrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezüglich Deniz Yücel auf, Drucks. 19/4720. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das ganze Haus. Damit erübrigt sich die weitere Nachfrage. Dieser Antrag ist angenommen.
Ich rufe den Entschließungsantrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Wahlkampfauftritte auf, Drucks. 19/4722. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, DIE GRÜNEN und FDP. Gegenprobe. – SPD, DIE LINKE und fraktionslos. Damit ist auch dieser Antrag angenommen.
Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Friedensgebot der Hessischen Verfassung umsetzen – Abrüstung ist das zentrale Ziel – Drucks. 19/4665 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Zur Einbringung erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der LINKEN Herrn van Ooyen das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir bleiben dabei: Krieg schafft keinen Frieden. Mehr Waffen und mehr Militär verschärfen die weltweiten politischen und humanitären Probleme. Kriege, die mit deutschen Waffen geführt werden, treiben Menschen in die Flucht. Sie verursachen Armut, Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung. Auf die Spitze getrieben wird diese Politik durch die Sammelabschiebungen von Asylbewerbern in Bundeswehrkriegsgebiete wie Afghanistan. Der türkische NATO- und Flüchtlingsdealpartner unterdrückt zunehmend jede oppositionelle Regung und führt Krieg im eigenen Land und in Syrien. Der sogenannte Kampf gegen den Terror heizt den Terror nur weiter an. Das neuerliche Säbelrasseln zwischen Russland und der NATO löst keines der Sicherheitsprobleme der Staaten vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer. Zu Verhandlungen und Interessensausgleichen gibt es keine vernünftige Alternative.
Doch die Bundeswehr wird grundgesetzwidrig in immer mehr Staaten geschickt. Bis 2030 sollen 130 Milliarden € zusätzlich für Rüstung ausgegeben werden. Die in Büchel stationierten Atomwaffen werden modernisiert, anstatt dass wir auf eine atomare Teilhabe verzichten. Gleichzeitig fehlen überall Gelder für Bildung, Soziales und ökologischen Umbau. Die innere Militarisierung schreitet voran. Die Terrorangst wird geschürt, die Bundeswehr übt den Einsatz im Inneren und wirbt Minderjährige für den Kriegsdienst. Das sind die Themen beim diesjährigen Ostermarsch.
Die NATO-Staaten geben jedes Jahr fast 1 Billion € für das Militär aus. Das sind zwei Drittel der weltweiten Militärausgaben. Die Bedingung des neuen US-Präsidenten Trump, alle NATO-Mitgliedstaaten hätten bis Ende des Jahres Zeit, einen Plan auszuarbeiten, um das 2-%-Kriterium zu erfüllen und sich damit die weitere militärische Freundschaft mit den USA zu erkaufen, ist skandalös. Schon die jetzigen Militärausgaben stehen in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohungslage.
Dass die CDU/CSU, allen voran Verteidigungsministerin von der Leyen, dem amerikanischen Kurs blind und gerne folgen wird, daran besteht kein Zweifel. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr haben zugenommen. Seit 2002 sind für sie 17 Milliarden € budgetiert. Wir exportieren den Krieg und wundern uns im Gegenzug über Flüchtlingsströme. Das ist absurd.
Eine derart hohe Summe könnte man für die Verbesserung des Bildungssystems, der Erziehung und des Gesundheitswesens sicherlich besser einsetzen.
Aber es gibt Hoffnung. Von Ende März bis zum 7. Juli laufen auf Basis des UN-Vollversammlungsbeschlusses vom 24.12.2016 in New York Verhandlungen zum völkerrechtlichen Verbot von Atomwaffen. Ein Vertrag zur internationalen Ächtung soll eine für die Menschheit vielleicht überlebensentscheidende Lücke im Völkerrecht schließen. Biologische und chemische Waffen sind verboten. Endlich sollen nukleare militärische Potenziale ebenfalls verboten werden. 113 Staaten beschlossen die Resolution “Towards a Nuclear-Weapon-Free World”. Aber die meisten Atommächte, die NATO-Staaten, darunter Deutschland, stimmten dagegen.
Mit den regionalen Ostermärschen wollen wir deutlich machen, dass der Krieg hier in der Region beginnt. Dass Krieg und Terror auch immer näher zu uns kommen, wird spätestens seit den schrecklichen Terroranschlägen immer deutlicher. Wir demonstrieren für eine andere Politik, die nicht immer Terror mit Krieg beantwortet, woraufhin noch mehr Terror, Krieg und Flucht die Folgen sind. Nein, wir wollen ein Ende dieser Gewaltspirale und fordern deshalb, dass die Fluchtursachen bekämpft werden und nicht die Geflüchteten.
Fairer Handel statt freier Handel im Interesse der internationalen Konzerne. Rüstungsexporte sollen gestoppt werden. Keine Kriegseinsätze der Bundeswehr in Afghanistan, im Irak, in Syrien und in Mali.
Mit der Kampagne „Krieg beginnt hier“ lenkt die Friedensbewegung das Augenmerk dorthin, wo in Deutschland Krieg vorbereitet wird. Das ist beispielsweise das Rüstungsunternehmen Diehl mit seiner Filiale in Frankfurt. Diehl produziert z. B. Munition, sogenannte Streumunition und sogar Drohnen. Diehl Aerospace entwickelt und liefert Ausrüstungen für den Eurofighter und den Militärhubschrauber Tiger und NH90.
Die Kasseler Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann liefert Panzer in alle Welt, besonders gern in Kriegs- und Krisengebiete. Wir wollen eine Umwandlung in zivile Produktion und fordern daher: keine Rüstungsproduktion, sondern Abrüstung und Konversion.
Die Ostermärsche in diesem Jahr werden die Ausgangsund Logistikzentren für die neuen Kriege thematisieren, neben dem US-Headquarter in Wiesbaden, der CIA- und NSA-Zentrale in Frankfurt auch die Bundeswehr-Kriegseinrichtungen.