Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

se Weise weitere Einschränkungen vorzunehmen. Insbesondere kann so die Wohnerlaubnis auf eine bestimmte Gemeinde beschränkt werden.

Meine Damen und Herren, wir sind der Ansicht, dass diese Wohnsitzauflagen enorme Eingriffe in die Freiheit der Betroffenen darstellen. Sie sind weder mit der Wohnungsnot in den Ballungsräumen noch mit der Existenz sozialer Brennpunkte in den Städten zu rechtfertigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Wohnsitzauflagen werden die Integration nicht fördern. Sie werden sich als echtes Integrationshemmnis erweisen. Geflüchtete dürfen nicht in strukturschwachen Gebieten festgehalten werden, wo es kaum Arbeitsplätze gibt. Auch damit wird die Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft erschwert.

Ohne Zweifel gibt es Strukturprobleme, die sich aus der Landflucht und der zunehmenden Urbanisierung ergeben. Aber bezahlbarer Wohnraum war schon knapp, bevor Geflüchtete in großer Zahl nach Deutschland kamen, und die Unterversorgung mit sozialem Wohnraum verschärft sich von Jahr zu Jahr in erster Linie deshalb, weil immer mehr Wohnungen aus der Sozialbindung fallen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sagen wir: Wer die Probleme in den Ballungsräumen angehen möchte, muss Geld in die Hand nehmen – viel mehr als bisher – und in den sozialen Wohnungsbau und in soziale Städte investieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das Aufenthaltsgesetz ermöglicht der Landesregierung neben der Zuweisung von bestimmten Wohnorten, auch Zuzugsverbote für bestimmte Orte auszusprechen. So ein Zuzugsverbot soll insbesondere dann zum Zuge kommen,

wenn zu erwarten ist, dass der Ausländer Deutsch dort nicht als wesentliche Verkehrssprache nutzen wird.

Die Angst vor der ethnischen Segregation in den Städten, der sogenannten Gettobildung, wird durch die sozialwissenschaftliche Forschung nicht gestützt. Tatsächlich haben es Geflüchtete einfacher, anzukommen und sich in die deutsche Gesellschaft einzugliedern, wenn sie auf bereits vorhandene Netzwerke treffen. Das zeigen Studien, Gespräche mit Flüchtlingen und nicht zuletzt die historischen Erfahrungen mit Italy-Towns und German-Towns beispielsweise auf dem amerikanischen Kontinent.

Die Wohnsitzauflagen sind zugleich ein Mittel der Diskriminierung von sozial Schwachen. Denn sie treffen ausschließlich Personen, die auf staatliche Sozialleistungen angewiesen sind. Dieser Personenkreis wird es mit eingeschränkter Mobilität nur noch schwerer haben, aus der Armutsfalle zu kommen.

Im Vorfeld des Integrationsgesetzes war viel darüber diskutiert worden, ob diese Wohnsitzauflagen mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Tatsächlich teilen wir die Ansicht zahlreicher Fachverbände, wonach diese diskriminierende Regelung nicht mit dem Europa- und Völkerrecht vereinbar ist.

Aber, meine Damen und Herren, es geht eigentlich gar nicht darum, ob man Wohnsitzauflagen einführen darf. Wir wollen nicht, dass man es macht. Wir wollen nicht, dass in

Hessen unsichtbare Mauern für Eingewanderte hochgezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, den Beispielen von Bundesländern wie Thüringen und RheinlandPfalz zu folgen und keine landesrechtlichen Wohnsitzbeschränkungen einzuführen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Abg. Wallmann für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Zustrom von Flüchtlingen hat im Jahr 2015 einen Höchststand erreicht, und die Situation in unserem Land war sicherlich schwierig. Sie hat uns allen, im Übrigen auf allen Ebenen, dem Bund, dem Land, den Kommunen und vor allem den Ehrenamtlichen, die engagiert waren, viel abverlangt. Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir auch weiterhin stark gefordert sind.

Mit zwei Aktionsplänen zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts haben wir entschlossen gehandelt und viele Verbesserungen erreicht, auf die wir stolz sein können. Wir haben 25.000 neue Schülerinnen und Schüler in unseren Klassen und sind dem mit der entsprechenden Lehrerausstattung begegnet. Außerdem haben wir den Polizeibereich verstärkt.

Man muss aber auch sagen: Zugangszahlen, wie wir sie im Jahr 2015 hatten, kann ein Land auf Dauer nicht verkraften. Deshalb ist es richtig – das wurde auch gemacht –, große Anstrengungen zu unternehmen: die Stärkung der deutschen und europäischen Außengrenzen, die Bekämpfung der Fluchtursachen in den Heimatländern, die internationalen Abkommen, die wir geschlossen haben, und natürlich auch die Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht, die dafür sorgen, dass die Zahlen zurückgehen.

Wir können sehen, dass das funktioniert. Ich sehe hier Herrn Sozialminister Grüttner sitzen. Er hat erst vor wenigen Wochen weitere Erstaufnahmeeinrichtungen schließen können. Das ist ein Beleg dafür, dass die Zahlen stark zurückgehen, sodass wir diese Räumlichkeiten, diese Bauten an die Kommunen zurückgeben oder anderen Zwecken zuführen können. Ich glaube, das ist wichtig.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Integration der Menschen, die länger hier bleiben. Es ist eine Daueraufgabe, dass wir die Menschen integrieren. Da sind ein entscheidender Schlüssel die deutsche Sprache, aber auch unsere Werte, die uns ausmachen. In diesem Zusammenhang darf ich auf die Rechtsstaatsklassen verweisen. Ich glaube, das ist ein ganz großer Erfolg, den wir in Hessen vorweisen können. Staatsministerin Kühne-Hörmann hat darüber berichtet. Es gab auch Zeitungsberichte darüber. Ich glaube, das sind Dinge, auf die wir in unserem Bundesland stolz sein können.

(Beifall bei der CDU)

Dann gibt es das Integrationsgesetz aus dem letzten Jahr, das auf Bundesebene durch die CDU auf den Weg gebracht wurde. Das ist ein ganz entscheidender Faktor. Denn damit wurde zum einen die Arbeitsaufnahme von Flüchtlingen erleichtert, weil wir in Zeiten von Vollbeschäftigung in weiten Teilen unserer Bevölkerung nicht mehr die Restriktionen brauchen, die noch in den Neunzigerjahren notwendig waren. Wir haben auch sichergestellt – das ist ein wesentlicher Punkt –, dass die Erlangung einer Niederlassungserlaubnis an die Integrationserfolge geknüpft ist.

Schließlich komme ich zu dem Punkt, den die Linksfraktion in ihrem Antrag herausgegriffen hat. Dabei ist es ein Bündel von Maßnahmen, die am Integrationsgesetz festgemacht sind. Sie greifen nur einen Punkt heraus, bei dem es darum geht, Parallelgesellschaften zu verhindern.

Ich bin der Meinung, wir sind der Meinung, dass Integration nur gelingen kann, wenn Menschen sich nicht abschotten, sondern eine Durchmischung stattfindet, ein Austausch miteinander stattfindet. Eine sinnvolle Verteilung ist deswegen ein ganz wichtiges Instrument.

(Zuruf der Abg. Gabriele Faulhaber (DIE LINKE))

Die Wohnsitzauflage ist ein Instrument, um dieses Ziel zu erreichen.

Im Aufenthaltsgesetz – Frau Faulhaber, Sie haben das eben auch schon gesagt – ist vorgeschrieben, dass ein anerkannter Flüchtling dem Bundesland zugewiesen wird, in dem das Asylverfahren abläuft. Ich halte das übrigens auch für völlig richtig; das ergibt auch Sinn. Damit haben wir eine Verteilungswirkung zwischen den Bundesländern nach dem Königsteiner Schlüssel. Darüber hinaus schafft das Gesetz auch eine Rechtsgrundlage innerhalb des Landes, um zu einer Steuerung der Verteilung zu kommen. Die zuständigen Behörden wurden ermächtigt, die betroffenen Ausländer nach Maßgabe bestimmter, integrationspolitisch begründeter Voraussetzungen zu verpflichten, ihren Wohnsitz entweder in einem bestimmten Gebiet zu nehmen oder ausdrücklich nicht zu nehmen. Ich halte das auch für sinnvoll. Ich stehe damit übrigens auch nicht alleine da; denn der Hessische Landkreistag genauso wie der Hessische Städtetag befürworten das. Um dieses Instrument klug zu nutzen, setzt das Gesetz selbst eine differenzierte Systematik in Gang, damit beispielsweise auch der Wohnungs- und Arbeitsmarkt nicht unberücksichtigt bleiben. Ich halte das für ganz entscheidend. Jetzt ist das Land durch den Bundesgesetzgeber ermächtigt worden, Näheres zu regeln. Ich glaube, es ist gut, wenn man das klug abwägt.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Oh, das ging aber schnell. Vielen Dank, Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss. – Wir werden daran arbeiten und uns klug und abwägend das Für und Wider anschauen.

Ich möchte noch einen Satz zu dem Antrag der LINKENFraktion sagen. Ich finde, Sie sind sprachlich wieder weit über das Ziel hinausgeschossen, wenn Sie davon sprechen, dass das „diskriminierend“ sei. Ich sehe das ausdrücklich anders. Es ist ein Weg zu mehr Integration. Deswegen wird

diese Auffassung insbesondere auch von der kommunalen Seite geteilt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Kollege Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Thema Wohnsitzauflage gibt es eine Menge beizutragen. Ich halte es für falsch, dies unter dem Stichwort „Diskriminierung“ zu behandeln. Ich glaube, es geht ausschließlich um die Frage, was aus Sicht der Flüchtlinge das Richtige ist, was dazu beiträgt, sie möglichst schnell in diese Gesellschaft zu integrieren. Wir müssen das vom Flüchtling aus denken. Das ist die entscheidende Frage.

Also haben wir uns dieser Frage gewidmet. Frau Kollegin Faulhaber, es gab in diesem Bundesland schon einmal eine Auflage, an einem Ort zu bleiben. Das war damals bei den Spätaussiedlern. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass das sehr positive Auswirkungen auf die Integrationsleistung dieser Zielgruppe hatte. Es ist den Spätaussiedlern damals gelungen, relativ schnell in die hessische und die deutsche Gesellschaft integriert zu werden. – Es gibt immer Unterschiede in den Zielgruppen. Aber das gab es schon einmal. Das ist alles kein Skandal, sondern es ist erst einmal ohne Schaum vor dem Mund festzustellen, dass das damals ein gutes Instrument war.

Zur Rechtsprechung. Sie selbst haben gesagt, es gehe nicht um die Frage, ob es rechtlich möglich oder gewollt ist – zu dem „gewollt“ komme ich gleich noch. – Der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht haben sich dieser Frage schon einmal gestellt. Ich will sie nur kurz streifen; denn Sie selbst sagen ja: Selbst wenn die Wohnsitzauflage rechtlich möglich wäre, wollen Sie sie nicht. Aber sie ist rechtlich möglich.

In der Gesetzesbegründung des Bundes heißt es, das Recht der EU stehe einer Wohnsitzauflage nicht entgegen, wenn sie das Ziel habe, einer Person mit subsidiärem Schutzstatus im Falle des Bezugs bestimmter Sozialleistungen die Integration an einem Ort zu erleichten.

Das ist also auch abgehakt – es ist rechtlich möglich. Jetzt stehen wir vor den Fragen: Ist es möglich? Ist es gewollt? – Dazu kann man nur sagen: Wer durch das Land reist und mit den politisch Verantwortlichen aus den unterschiedlichen Großstädten und Landkreisen spricht, stellt fest, dass es auf beiden Seiten große Befürworter gibt. – Frau Faulhaber, wenn Sie gar nicht zuhören, finde ich das aber auch ein bisschen komisch.

Ich wollte Ihnen nur sagen: Es gibt nicht nur die Liga, die das ablehnt und die Linkspartei, die das kategorisch ablehnt. Es gibt viele Menschen aus allen Parteien – SPD, GRÜNE, CDU –, die in ihren Landkreisen Verantwortung tragen und sagen: Gerade für den ländlichen Raum bedeutet das eine ganz große Chance. Wir haben hier Kapazitäten für Integration. Wir haben hier Kindergärten und Schulen, die nicht voll ausgelastet sind. Wir haben Wohnraum, der nicht voll ausgelastet ist. Wir als Landräte freuen uns darauf, diese Menschen hier zu begrüßen und zu integrieren.

Auf der anderen Seite gibt es in Großstädten wie Frankfurt, Darmstadt oder Kassel Probleme. Dort sagt man uns: Unsere Integrationskurse platzen aus den Nähten, unsere Kindergärten sind rappelvoll, und mit Wohnraum haben wir auch ein großes Problem. – Wenn Sie diese Situationen nebeneinanderlegen, ist es doch eine Win-win-Situation, darüber nachzudenken, ob man dem ländlichen Raum die Möglichkeit gibt, sozusagen eine Klebekraft für diese Menschen zu entwickeln, wenn sie dort drei Jahre sind und alle Maßnahmen durchlaufen, die Sprache gelernt und Arbeitsplätze gefunden haben, dann dort auch zu bleiben.

Ich möchte Ihnen einmal ein Beispiel aus dem Odenwaldkreis nennen. Frau Wissler war beim Asylkonvent dabei. Wir haben im Odenwaldkreis im Berichtsmonat Februar 2017 443 gemeldete offene Stellen. Wir haben dort sage und schreibe 47 Flüchtlinge und 443 offene Stellen. Wenn Sie selbst mit dem Hotel- und Gaststättengewerbe im Odenwald sprechen, werden die Ihnen sagen: Wir suchen händeringend. Wir hätten gerne Menschen, die bei uns arbeiten. – Es ist doch nicht so, dass es im ländlichen Raum sozusagen nur noch Wüste, Steppe und totes Gras gibt. Dort leben doch Menschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Menschen leben dort gerne. Ich habe einmal meine Expertin gefragt: Etwa die Hälfte der 6 Millionen Hessinnen und Hessen lebt im ländlichen Raum. Warum soll es dann, bitte schön, nicht möglich sein, die Flüchtlinge dort gut mit Sprache, Ausbildung und beruflicher Bildung zu versorgen und in einen Arbeitsmarkt zu integrieren, damit sie dort tatsächlich bleiben können? Ich bin dieser Frage gegenüber weitaus nicht so skeptisch, wie Sie es sind.

Es gibt gute Beispiele aus anderen Bundesländern. Mecklenburg-Vorpommern macht das nicht, dort gibt es keine Ballungsräume. Andere, wie beispielsweise Baden-Württemberg mit Stuttgart, haben genau dasselbe Problem wie wir mit Frankfurt. Es ist eine Überlegung wert, zu prüfen – mit allem Wenn und Aber und allem, was wir schon bedacht oder noch nicht bedacht haben –, ob die Einführung einer Wohnsitzauflage klug ist. Ich höre mehr Stimmen, die das befürworten, als gegnerische Stimmen. Es muss erst einmal bewiesen werden, was integrationshemmend daran ist, wenn man einem Kreis zugeteilt wird, der eine hohe Kapazität zur Integration bietet. – Ich verstehe das nicht. Wir werden deshalb wohlwollend prüfen und werden sehen, was die Ergebnisse bringen. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Wort hat Kollege Roth, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einen kurzen Blick in die 18. Wahlperiode. Damals haben wir uns gemeinsam darüber gefreut, dass es uns an irgendeinem Punkt gelungen ist, die Residenzpflicht aufzuheben. Das war