Protokoll der Sitzung vom 01.06.2017

Wir werden dem SPD-Antrag zustimmen. Eigentlich hätte das die Koalition auch machen können, müssen, sollen. Darum werden wir nur dem SPD-Antrag zustimmen. Denn das genügt als Meinungsäußerung. Dem Antrag der Koalition werden wir dann nicht mehr zustimmen.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Günter Rudolph (SPD): René, das war so gut, als hätte ich selbst geredet!)

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich den SPD-Antrag gelesen habe – –

(Unruhe)

Einen Augenblick, bitte. – Herr Kollege Rudolph ist wieder da, und jetzt sollten Sie uns aufmerksam zuhören. – Danke schön.

(Günter Rudolph (SPD): Immer! Ich höre immer gerne zu!)

Danke, Herr Präsident. – Als ich den SPD-Antrag gelesen habe, habe ich gedacht: Na ja, das kann jetzt also nur eines ergeben. Die SPD wird den Antrag peinlich berührt zurückziehen müssen, weil sie nicht ordentlich recherchiert hat und es selbstverständlich solch eine Verordnung gibt.

(Günter Rudolph (SPD): Na, na, na! Das war wieder eine typische Schott!)

Die andere Variante wäre gewesen: Es ist tatsächlich so, wie die SPD es hier niedergeschrieben hat. Dann bleibt nur: Die Regierung duckt sich peinlich berührt weg.

(Günter Rudolph (SPD): Damit können wir leben!)

Die Regierungsfraktionen schweigen betreten, gehen in sich und erzählen uns hier am heutigen Tag, das sei längst erledigt und die Verordnung auf dem Weg.

Dass wir dann aber auch noch dieses peinliche Papier hier heute bekommen, zeugt von so viel Unsouveränität. Wenn ich schon meine Arbeit nicht ordentlich mache und wenn ich das, was mir die Bundesregierung aufträgt – in anderen Fällen machen wir das dann hier immer per Eilgesetz –, nicht umsetze, wenn ich den Menschen da draußen nicht das anbiete, was sie brauchen, weil ich hier irgendwie nicht in die Puschen komme, dann würde ich persönlich ganz einfach peinlich berührt wegschauen und sagen: Entschuldigung, das haben wir verpennt, und das machen wir selbstverständlich sofort.

Aber wenn man eben unsouverän ist, muss man so etwas machen wie diese Veranstaltung hier. Es tut mir furchtbar leid, wir halten es in diesem Fall wie die FDP: Wir stimmen dem SPD-Antrag zu, denn der Antrag der Regierungskoalition war entbehrlich.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort hat Frau Abg. Klaff-Isselmann für die CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, dass auch die SPD Pflegebedürftige und ihre Angehörigen nach wie vor als so wichtig erachtet

(Günter Rudolph (SPD): Ach du lieber Himmel!)

und wir heute darüber reden; denn das Thema ist in der Tat von großer Bedeutung.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der SPD)

Aber wo die SPD nur redet, da handelt die Landesregierung. Mir kommt es so vor, als wollte die SPD bewusst ein bisschen Panik verbreiten. Sie wissen, dass eine Verordnung in Arbeit ist und diese auch in absehbarer Zeit her

ausgegeben wird. Das geht bloß nicht so einfach und salopp und schnell, wie man einen Antrag aufschreiben kann. Das muss geprüft werden, wasserdicht sein, Rechtssicherheit muss bestehen.

(Zurufe von der SPD)

Über all das haben Sie sich in Ihrem Antrag natürlich etwas weniger Gedanken gemacht. Daher würde ich mich freuen, wenn Sie hier heute etwas weniger Hysterie verbreiten würden, sondern gewollt konstruktiv auftreten könnten.

(Beifall bei der CDU)

Dann nämlich hätten Sie berücksichtigt, dass die Landesverbände der Pflegekassen mit den Kommunalen Spitzenverbänden eine Vereinbarung getroffen haben: Erstens. Eine Vereinbarung, die dafür sorgt, dass auf kommunaler Ebene die Anbieter von niedrigschwelligen Diensten angezeigt werden. Das nenne ich Transparenz. Damit ist den Leuten geholfen.

Zweitens. Die Preise orientieren sich an denen von ehrenamtlich Tätigen. Sie sind also bezahlbar.

Drittens. Das haben Sie offensichtlich auch nicht ganz auf dem Schirm. Es können jederzeit ehrenamtliche Helfer unter fachgerechter Anleitung eine Anerkennung erhalten.

(Zuruf von der SPD: Das ist die Lösung!)

Aber es geht noch weiter. Pflegebedürftige können den gesetzlichen Entlastungsbeitrag für die bis jetzt zugelassenen Anbieter verwenden, und die Anbieter können über die Pflegeversicherung gefördert werden – eine Win-win-Situation. Meine Damen und Herren von der SPD, davon wollen Sie aber nichts hören. Lieber reden Sie schlecht, was auf Landesebene geschieht, und verunsichern die Menschen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ist es!)

Hessen ist, was Angebot und Förderung von und für Pflegebedürftige angeht, gut aufgestellt. Derzeit sind in Hessen 324 Anbieter zugelassen. Das ist doch keine Not. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir stetig daran arbeiten, Pflege weiter zu verbessern und auszubauen – nicht nur die Anzahl der Anbieter, sondern vor allen Dingen auch Qualität und Quantität der Pflege, um pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen ein gutes und würdiges Leben zu ermöglichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Eines sei Ihnen noch gesagt: Die in Rede stehende Verordnung wird dann wohl bald kommen. Spätestens dann können Sie Ihre Hysterie zu Ende bringen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Marjana Schott (DIE LINKE): Welche Hysterie denn?)

Das Wort hat Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich brauche die Zahl der in Hessen anerkannten Anbieter nicht zu wiederholen. Aber für diejenigen, die möglicher

weise nicht aufmerksam gewesen sind: 324 Anbieter sind anerkannt. Das Bundesministerium für Gesundheit hat das Kuratorium Deutsche Altershilfe mit einer Studie zur Bestandsaufnahme und zu den Perspektiven von Unterstützungsleistungen im Alltag beauftragt, in Ausführung des Pflegestärkungsgesetzes.

Die Studie ist bisher nicht veröffentlicht. Natürlich: Wenn sie veröffentlicht wäre, hätte sich die SPD möglicherweise überlegt, einen solchen Antrag zu stellen. Deswegen sage ich Ihnen, welche Ergebnisse bisher bekannt geworden sind. Demnach belegt Hessen bei der Inanspruchnahme von Unterstützungsleistung im Alltag durch Pflegebedürftige und ihre Angehörigen einen vorderen Platz. Das Gleiche gilt für die Inanspruchnahme der Förderungsmöglichkeiten. Hessen hat hier eine Quote von 70 %. Der bundesweite Median, also der Durchschnitt bundesweit, ist 50 %. Einen Nachholbedarf haben wir in Hessen an dieser Stelle bisher nicht.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Noch etwas aus dieser Studie: Das Kuratorium Deutsche Altershilfe – ich denke, relativ unverdächtig – sieht im Rahmen der Bestandsaufnahme die Hauptgründe für Ablehnungen möglicher Anbieter von Unterstützungsleistungen im Alltag bei einer unzureichenden Qualifikation der Leistungserbringer, konzeptionellen Mängeln und Einträgen ins Führungszeugnis. Wer die aktuelle Diskussion über die Frage einer kriminellen Machenschaft im Bereich des Ausnutzens von ambulanten Pflegedienstleistungen sieht, muss Verständnis dafür haben, dass Gründlichkeit und Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der SPD: Ei, ei, ei!)

Deswegen ist es so, dass wir bisher gut aufgestellt sind. Eine Absenkung der Qualifikations- und Konzeptanforderungen erscheint absolut bedenklich. Einträge in ein Führungszeugnis sind ein absolutes No-Go; denn letztendlich sind diejenigen, die haushaltsnahe Dienstleistungen erbringen, auch diejenigen, die in unmittelbarem Kontakt mit Pflegebedürftigen stehen.

Deswegen müssen wir sehr genau überlegen, an welcher Stelle wir ansetzen. Das tun wir. Wir sind in den Gesprächen mit den Kommunalen Spitzenverbänden, dass diese die Anerkennung derjenigen vornehmen, die für haushaltsnahe Dienstleistungen infrage kommen, und wir müssen dort unterscheiden zwischen erstens denjenigen, die als anerkannte ambulante Pflegedienste auch ambulante haushaltsnahe Dienstleistungen anbieten, zweitens denjenigen, die dies möglicherweise gewerblich und angesichts welcher Pflichtvoraussetzungen machen, und drittens Einzelpersonen, die das unter welchen Voraussetzungen anbieten können.

Die Aussagen der Kommunalen Spitzenverbände auf die Frage, ob sie bereit sind, diese Anforderungen der pflegebedürftigen Bürger in ihren Kommunen zu übernehmen, lauteten: Ja, wenn ihr es uns bezahlt. – An dieser Stelle sind wir in den entsprechenden Verhandlungen zur Umsetzung eines Bundesgesetzes sowie Verhandlungen über Konnexität. Über die Fragestellung, wer entsprechende sorgfältige Prüfungen bezahlt, glaube ich, brauche ich in diesem Landtag nicht deutliche Ausführungen zu machen.

Hier wäre eine sehr intensive Einflussnahme auf Landräte und Oberbürgermeister auch über diejenigen, die diese Möglichkeiten haben, sicherlich sehr hilfreich; denn an der Stelle sollten den Worten auch Taten folgen. Die Pflegebedürftigen, die haushaltsnahe Dienstleistungen brauchen, leben nämlich in Landkreisen und in kreisfreien Städten. An der Stelle wäre es sehr hilfreich, wenn man entsprechende Einflussnahmen tätigen würde.

Ja, die Verordnung ist in Arbeit. Es ist auch nie infrage gestellt worden. Es ist häufig so, dass Frau Dr. Sommer in einer sehr netten Art und Weise sehr unpräzise Anträge begründet. So hat sie zum Ausdruck gebracht, ich hätte gesagt, wir bräuchten keine entsprechende Verordnung. Ich zitiere aus dem Protokoll des Hessischen Landtags vom 09.06.2016, in dem ich darlege, dass das Ministerium momentan die gemäß § 45b SGB XI bestehende Möglichkeit prüfe, eine Rechtsverordnung zur Anerkennung niedrigschwelliger Betreuungs- und Entlastungsangebote zu erlassen. Es sei an eine Übergangsregelung zu erinnern, die im Juli des vorangegangenen Jahres – das war dann 2015 – erlassen worden ist.

Insofern gilt: Erstens. Den Zugang zu den niedrigschwelligen Entlastungsleistungen gibt es in Hessen. Zweitens. Wir liegen im Bundesdurchschnitt bei der Inanspruchnahme deutlich über den anderen Ländern in einem vorderen Feld. Drittens. Eine Verordnung kommt. Im Interesse der Pflegebedürftigen geht Sorgfalt vor Schnelligkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Dr. Sommer. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Grüttner, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass Sie sagen, dass die Rechtsverordnung kommt. Ich möchte noch einmal klarstellen – das hat Kollegin Schott auch gemacht –: Die Rechtsverordnung ist Regierungshandeln.