Freunde, wir haben so viele Herausforderungen zu meistern. Es liegen so viele Aufgaben vor uns – gerade in unseren hessischen Kommunen.
Die wollen wir doch angehen. Ich weiß es nicht, Sie haben vorhin irgendetwas gesagt, 2009, 2010, 2011, 2012 hätte die CDU irgendwelche Setzpunkte beantragen sollen. Was ist das denn? – Das ist reine Vergangenheitsbewältigung. Wir blicken nach vorne. Wir blicken in die Zukunft. Wir wollen die Zukunft gestalten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Die Kommunen haben die Schulden aus dieser Zeit – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU): Aus der Zeit der SPD-Regierungen!)
Wenn man dann einmal weiter schaut in Ihrem Antrag, dann steht da etwas von „Mehrbelastungen für Bürgerinnen und Bürger“, das träfe überproportional die unteren Einkommensschichten. Dann zitieren Sie die Gemeindeanteile an der Einkommensteuer und Mehrwertsteuer. Die seien gestiegen – ja, und? Das ist ja wunderbar.
Aber was hat das jetzt mit dem Land Hessen und unserer Kommunalpolitik zu tun? Überhaupt: Sie zitieren da Zahlen und stellen steigende Einnahmen bei Gewerbesteuer, Grundsteuer, Einkommensteuer und Gebühren dar – alles durcheinander.
Und dann? – Prinzip von Ursache und Wirkung: Wenn wir steigende Einnahmen haben, ist das zuerst einmal gut. Dann muss man zuerst einmal schauen, woher die eigentlich kommen: Wer hat denn die Gesetzgebungshoheit über diese Steuern? Und warum steigen diese Steuern?
Da müssen wir – wenn schon – über die Hebesätze reden. Unsere Nivellierungshebesätze sind immer noch unter dem Durchschnitt aller großen Flächenländer. Damit kommen Sie nicht weit. Deswegen nehmen Sie die absoluten Zahlen. Dazu können wir ja auch sagen: Gut, positive Entwicklungen, die Einnahmen steigen. – Das ist einfach unredlich: Sie würfeln irgendwelches Zahlenmaterial durcheinander, werfen das zusammen, rühren einmal um, und Adam Riese würde sich die Haare raufen.
Wir wollen Zukunftspolitik machen. Es ist nicht damit getan, dass wir den Kommunalen Finanzausgleich neu aufgelegt haben und dass es den Schutzschirm gibt, sondern wir haben auch noch die beiden Kommunalinvestitionsprogramme KIP I und KIP II aufgelegt – Herr Kollege Reul hat es ja schon dargestellt. Darüber hinaus aber haben wir den Kommunen die Flüchtlingspauschalen immens erhöht, um ihnen auch bei dieser Herausforderung zu helfen und die nötige Finanzausstattung zu geben.
Wir stärken Kommunen im ländlichen Raum, beispielsweise durch die Verlagerung von Verwaltungsstellen; denn das sind dauerhafte strukturelle Verbesserungen. Im Dorf
entwicklungsprogramm unterstützen wir die Kommunen, Dorfkerne, Stadtkerne zu erhalten und weiterzuentwickeln. Mit dem Wohnungsbauprogramm geben wir Geld und Impulse für bezahlbare Wohnungen und grünere Städte. Das sind nur ein paar wenige Punkte, die ich hier aufzähle. Mit einem riesigen Maßnahmenpaket entwickeln wir gemeinsam mit den Kommunen die richtigen Handlungsweisen, die richtigen Lösungsansätze, um unsere Kommunen fit für die Zukunft zu machen.
Dazu gehört sicherlich auch, das Problem der hohen Kassenkredite anzugehen. Das werden wir als Nächstes angehen. Auch hier werden wir mit der kommunalen Familie gemeinsam eine gute und tragende Lösung finden. – Danke schön.
Frau Kollegin Goldbach, ich würde Sie gerne mit einer Frage konfrontieren. Sie haben leider meine Zwischenfrage nicht zugelassen. Deswegen will ich Sie fragen. Sie haben gefragt, was die Vergangenheitsbewältigung soll, als ich die Defizite in den Jahren 2009 bis 2015 aufgezählt habe. Sie sagen, das sei Vergangenheitsbewältigung. Aber das große Problem, Frau Goldbach, ist doch,
dass diese Defizite sich in Schulden umgeschlagen haben und dass die hessischen Kommunen zum heutigen Tage diese Schulden abtragen müssen, sie aber nicht abtragen können. Deswegen denken der Innenminister und der Finanzminister darüber nach, wie man zum Defizitabbau kommen kann.
Meine Damen und Herren, deswegen ist es keine Vergangenheitsbewältigung, sondern diese negative Entwicklung ist in Schuldenstände in Höhe von 18 Milliarden € geronnen. Frau Goldbach, damit müssen wir uns doch auseinandersetzen.
Zweite Auseinandersetzung. Sie sagen, das mit den 344 Millionen € sei auch Vergangenheitsbewältigung. Aus einer Kleinen Anfrage des Kollegen Warnecke und anderer geht hervor – das ist die Antwort der Landesregierung –, dass alleine dadurch, dass beim Kommunalen Finanzausgleich gekürzt worden ist, 2 Milliarden € zusammengekommen sind, die den Kommunen in diesem Zeitraum vorenthalten wurden.
Daraus ist der Schutzschirm bezahlt worden. Das haben Sie von den GRÜNEN auch einmal kritisiert. Warum stehen Sie nicht mehr zu der Kritik, die Sie in der Vergangenheit gebracht haben?
Zum Letzten. Wie können Sie die besonders negative Entwicklung in Hessen im Vergleich zu anderen Bundesländern erklären? Das muss doch etwas mit Politik zu tun haben. Entweder es ist ein Kollektivversagen der hessischen Kommunen – das scheint Ihre Meinung zu sein. Unsere
Meinung ist, dass die Landesregierung etwas damit zu tun hat, weil sie in den vergangenen Jahren anders als alle anderen Bundesländer in Deutschland die Kommunen unzureichend unterstützt hat.
Kolleginnen und Kollegen, wie Sie feststellen, ist der Ministerpräsident heute doch anwesend. Das beruhte auf einem Fehler in meinen Unterlagen. Er ist morgen ganztägig entschuldigt und deswegen heute im Plenum.
Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Hessische Landtag wird gelegentlich sehr dafür gelobt, dass er sich ein Maß an farbenfroher Debatte liefere, die man vielleicht in anderen Parlamenten so nicht vorfinde. Gelegentlich wird aber auch sehr schwarz-weiß argumentiert in einzelnen Beiträgen der Diskussion.
Herr Kollege Schmitt, es ist immer so in Ihren Vorträgen: Wenn etwas nicht so gut läuft, dann ist es die Regierung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, das Thema taugt auch zu parteipolitischer Profilierung. Natürlich ist die Situation immer so, dass die jeweils Regierenden sich mit der Situation der kommunalen Familie aus der praktischen Verantwortung heraus immer etwas konfrontativer auseinandersetzen müssen; denn Kommunale, die vom Land und vom Bund nicht mehr Geld haben wollen, sind denklogisch ausgeschlossen. Die jeweilige Opposition tut sich natürlich etwas leichter, sich danebenzustellen und die jeweilige Rollenverteilung zu kritisieren.
Ich glaube aber, dass Wahlereignisse der Vergangenheit durchaus gezeigt haben, dass das nicht zwingend durchschlagende Wirkung haben muss. Ich kann mich an die Aussage eines sehr erfahrenen, den Sozialdemokraten angehörenden, herausragenden Repräsentanten eines Kommunalen Spitzenverbandes erinnern, der auf die Frage, was er glaube, was sich ändere, wenn seine Partei im Land regieren würde, gesagt hat: Er glaube, dass sich nicht viel ändern würde, außer dass er mit denen, die ihm das Geld
wegnähmen, per Du sei. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das beschreibt ein bisschen die Ausgangslage, vor der wir diese Debatte führen.
Zur Sache. Ich glaube, wir haben gemeinsam Anlass, uns zu freuen – unabhängig davon, wem wir den jeweiligen Verursachungsbeitrag zubilligen –, dass die hessischen Kommunen im Jahr 2016 erstmalig seit längerer Zeit es wieder geschafft haben, einen positiven Finanzierungssaldo zu schreiben.
Wenn Sie dann genauer hinschauen, wer zu welchem Zeitpunkt einen solchen Finanzierungssaldo hatte, dann sehen Sie – unabhängig von der Frage, ob man den Schutzschirm jetzt für gut oder schlecht gehalten hat – an den objektiven Zahlen, dass die Schutzschirmkommunen, obwohl sie aus vergleichsweise sehr viel schwierigeren Grundvoraussetzungen kamen, diesen positiven Finanzierungssaldo sehr viel früher erreicht haben, nämlich bereits 2014 mit deutlich über 100 Millionen €, zwei Jahre früher als der Rest der Kommunen.
Es spricht jedenfalls von den Zahlen her ein klein wenig dafür, dass der Schutzschirm in den Kommunen eine gewisse Wirkung gehabt hat, egal ob sie sozusagen Opfer einer Erpressung waren, wie der Kollege Schalauske angedeutet hat – ich kann mich nicht erinnern, dass er an einem der Gespräche mit den Kommunen je beteiligt gewesen wäre –, oder ob die jeweiligen Kommunen ihre Verantwortung wahrgenommen und entsprechende Programme aufgelegt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotzdem ist die Arbeit alles andere als beendet. Wir sind jetzt in einer glücklichen Situation – da hat Kollege Hahn völlig recht. Frau Goldbach hat auch nachdrücklich darauf hingewiesen, dass wir die Gelegenheit nutzen müssen, die gute konjunkturelle Lage, die gute Zinslage, um mit den Altdefiziten umzugehen. Hierzu sind Peter Beuth und ich mit den Kommunalen Spitzenverbänden in einem engen Dialog, und wir sind nicht wenig zuversichtlich, am Ende eine gemeinsame Lösung zu erzielen, die es ermöglicht, eine langfristige Perspektive zum Abbau der Altkassenkredite erreichen zu können.
Ich glaube, dass es notwendig und wichtig ist. Aber, meine Damen und Herren, da ist es zu kurz gesprungen, einfach pauschal zu sagen: Den Kommunen geht es gut, den Kommunen geht es schlecht. – Das wird den wahren Strukturverhältnissen in diesem Land alles andere als gerecht.
Ich habe mir die Zahlen von vier hessischen Kommunen herausgeschrieben. Das zeigt ein bisschen, wo die Strukturprobleme liegen können. Nehmen Sie Neu-Isenburg. Neu-Isenburg ist in der Finanzkraftstatistik des Landes auf Platz 7 von 421, eine der extrem steuerstarken Kommunen in unserem Land. Trotzdem haben sie es geschafft, einen Kassenkreditbestand von ungefähr 10 Millionen € – umgerechnet gut 270 € je Einwohner – zu haben.